Coronavirus-Impfstoff: Nocebo-Effekt spielt große Rolle
Indem es Impfstoffstudien analysierte, hat ein internationales Forschungsteam um den Marburger Psychologen Professor Dr. Winfried Rief herausgefunden, dass der Nocebo-Effekt eine große Rolle spielen kann. Bei wissenschaftlichen Studien bekommen nicht alle Probanden den Wirkstoff verabreicht, der getestet werden soll – eine Kontrollgruppe erhält zum Vergleich eine harmlose Substanz, ein Placebo. „Unerwünschte Nebenwirkungen nach einer Placebobehandlung kommen in klinischen Arzneimittelstudien häufig vor“, schreibt das Autorenteam, das genau wissen wollte, wie stark diese Effekte sind. Denn die Sorge über unerwünschte Wirkungen sei ein Grund für die mangelnde Impfbereitschaft gegen das Coronavirus.
Zwölf Artikel ausgewertet
Die Forschungsgruppe wertete zwölf Artikel aus, die über unerwünschte Nebenwirkungen bei wissenschaftlichen Studien zu Impfstoffen gegen das Coronavirus berichten. An diesen Studien nahmen insgesamt 45.380 Probanden teil. 22.578 davon, also fast die Hälfte erhielt ein Placebo. Trotzdem klagten 35 Prozent der Personen aus diesen Kontrollgruppen über Nebenwirkungen; bei denjenigen, die tatsächlich den Impfstoff erhielten, waren es nur wenig mehr, nämlich 46 Prozent.
Meistens Kopfschmerz und Müdigkeit berichtet
Die eingebildeten Effekte machten dem zufolge nach der ersten Dosis fast drei Viertel der unerwünschten Nebenwirkungen aus, nach der zweiten Dosis waren es immer noch ein bisschen mehr als die Hälfte. Meist berichten die Betroffenen über Kopfschmerz und Müdigkeit. Die Fachleute sprechen von einem Nocebo-Effekt. „Das Ergebnis unserer Analyse sollte bei öffentlichen Impfprogrammen berücksichtigt werden“, empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Professor Dr. Winfried Rief lehrt Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Philipps-Universität. Er leitet eine bundesweite Forschungsgruppe zu Placebo- und Nocebo-Effekten, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird. Neben Riefs Arbeitsgruppe beteiligten sich mehrere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA federführend an der Studie.
COVID-19-Impfstoffe triggern keine Autoantikörper
Auch bei einer von einigen Skeptikern befürchteten möglichen Nebenwirkung der aktuellen Impfstoffe geben Forscher jetzt Entwarnung, mögliche Autoantikörper. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Unimedizin Magdeburg haben untersucht, ob die Impfungen das Immunsystem so umprogrammieren, dass es zu einer Reaktion gegen körpereigene Strukturen durch so genannte Autoantikörper kommt.
Durchgeführt wurden in den vergangenen Monaten zwei Studien zu COVID-19-Impfstoffen. Ziel war es, herausfinden, ob sich die Stärke der Immunantwort nach verschiedenen COVID-19-Impfstoff-Kombinationen unterscheidet und ob diese Impfungen zu Autoantikörpern führen könnten. Diese könnten im schlimmsten Fall zu einer Zerstörung körpereigener Zellen und Organe führen, was langwierige medizinische Behandlungen erfordern würde.
mRNA- und Vektor-Impfstoffe untersucht
Die Studien wurden durch das Institut für Molekulare und Klinische Immunologie der Universitätsmedizin Magdeburg koordiniert. Weitere Partner waren das Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie der Universitätsmedizin Magdeburg sowie das Institut für Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover. In den Studien wurden folgende Wirkstoffkombinationen analysiert: Zwei Impfungen mit einem mRNA- oder Vektor-Impfstoff bzw. die Kombination eines Vektor-Impfstoffs, gefolgt von einem mRNA-Impfstoff. An den Studien haben insgesamt 120 freiwillige Probanden aus der Mitarbeiterschaft der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Magdeburg teilgenommen. Gemäß der individuellen Impfstoffkombination wurden diese in drei Gruppen aufgeteilt. Bei allen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern erfolgten vier Blutentnahmen, vor der Zweitimpfung sowie zwei bzw. vier Wochen und vier Monate nach der Zweitimpfung. Damit konnten die Konzentrationen der Impfantikörper und Autoantikörper bestimmt und anschließend statistisch ausgewertet werden.
Keine ungewollte Immunreaktion zu erkennen
Der Magdeburger Immunologe und Leiter des Institutes für Molekulare und Klinische Immunologie der Universitätsmedizin Magdeburg, Prof. Dr. med. Burkhart Schraven, erläutert die Ergebnisse: „In unseren Studien konnten wir zeigen, dass die Induktion von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 nach einer zweimaligen Impfung mit dem Vektor-Impfstoff von AstraZeneca im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen um zirka 90 Prozent reduziert war. Hiermit ist vermutlich auch ein deutlich verringerter Schutz gegen eine Ansteckung mit der Delta-Variante von SARS-CoV-2 verbunden.“ Diese Informationen seien wichtig, um die Prozesse, die durch die neuen Impfstoffe angestoßen wurden, besser zu verstehen und einige offene Fragen zu beantworten.
„Wir konnten zeigen, dass keine der drei Impfstrategien eine Produktion von Autoantikörpern in gesunden Probandinnen oder Probanden induziert und dementsprechend auch keine ungewollte Immunreaktion gegen den eigenen Körper stattfindet. Dies ist ein sehr wichtiger Befund, da solche Autoimmun-Reaktionen im Zusammenhang mit symptomatischen COVID-19-Infektionen beobachtet wurden und daher die Möglichkeit bestand, dass auch die Impfung ähnliche Veränderungen anstößt“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. rer. nat. Christoph Thurm.
Quelle: idw/Philipps-Universität Marburg/Universitätsmedizin Magdeburg
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