Laut Krebsgesellschaft ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Über 70.000-mal im Jahr stellen Ärztinnen und Ärzte derzeit die Diagnose „Mammakarzinom“ bei einer Frau. Und über 17.000 Frauen sterben jährlich daran. Obwohl in den vergangenen Jahrzehnten viele innovative Behandlungsmöglichkeiten entwickelt wurden, ist die aktuelle Nachsorge meist auf klinische Untersuchungen und Mammografie begrenzt. Ein Screening auf Fernmetastasen wird bisher nur bei einem konkreten Verdacht initiiert. „Aktuell ist das primäre Ziel der Brustkrebs-Nachsorge, gut behandelbare Lokalrezidive, also Krebszellen an dem Ort, an dem sie bereits beim ersten Mal aufgetreten sind, früh zu entdecken. Nach Fernmetastasen wird in der Regel erst bei entsprechender Symptomatik gesucht – eine Empfehlung, die jedoch auf Studien basiert, die vor über 30 Jahren durchgeführt wurden“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Janni, Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Uniklinik Ulm. „In unserer SURVIVE-Studie untersuchen wir nun den potenziellen Vorteil einer intensivierten Nachsorge gegenüber der Standard-Nachsorge bei Brustkrebspatientinnen mit mittlerem bis hohem Rezidivrisiko, also dem Risiko, dass der Krebs wiederkehrt“.
Randomisierte Studie
Die SURVIVE-Studie (Standard Surveillance vs. Intensive Surveillance in Early Breast Cancer) wird im Leitzentrum in Ulm und in ca. 100 weiteren Zentren in Deutschland durchgeführt. Insgesamt sollen 3.500 Patientinnen in die Studie eingeschlossen und 1:1 randomisiert – also per Zufallsprinzip – in zwei Gruppen unterteilt werden:
- in eine Standard-Nachsorge-Gruppe und
- in eine Intensivierte-Nachsorge-Gruppe.
In beiden Gruppen erhalten die Patientinnen die Standard-Nachsorge analog der nationalen Leitlinien. Diese Nachsorge findet in den ersten drei Jahren alle drei Monate und in den folgenden zwei Jahren alle sechs Monate statt. In der Intensivierten-Nachsorge-Gruppe wird zusätzlich das Liquid-Biopsy-Verfahren angewendet. Hierbei werden zusätzlich Blutproben auf Tumormarker, also Substanzen im Blut, die bei Tumorerkrankungen in erhöhter Konzentration auftreten können, sowie zirkulierende Tumorzellen (CTC) und zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) getestet. Sollten sich auffällige Befunde zeigen, ist eine diagnostische Bildgebung geplant (Computertomografie von Brust und Bauchraum sowie Knochenszintigrafie). Zusätzlich sollen die Blutproben aus beiden Gruppen in einer Biobank gesammelt und gelagert werden. Durch den Aufbau dieser Biobank können nachträglich Analysen während und nach der Studie ermöglicht werden. Sollte bei Patientinnen, egal in welcher Gruppe, ein Rezidiv diagnostiziert werden, wird die Nachsorge beendet und eine leitliniengerechte Therapie initiiert.
Vergleich der Überlebenschancen nach fünf Jahren
Primäres Ziel der Studie ist es, die Überlebenschancen nach fünf Jahren in der Standard-Nachsorge-Gruppe mit der Intensivierten-Nachsorge-Gruppe zu vergleichen. Dazu soll unter anderem herausgefunden werden, wieviel früher der Bluttest eine Wiederkehr der Erkrankung voraussagt, um eine entsprechende, frühzeitige Behandlung einzuleiten. Andere, sekundäre Ziele sind beispielsweise der Vergleich der Lebensqualität zwischen den beiden Gruppen oder die Bestimmung der Sensitivität und Falsch-Positiv-Rate der Liquid-Biopsy-Biomarker. „Falls wir herausfinden, dass Brustkrebs-Patientinnen von einer intensivierten Nachsorge profitieren, könnte dies einen Paradigmenwechsel der onkologischen Nachsorge bedeuten. Daher freuen wir uns sehr, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Studie als eine von nur vier praxisverändernden Studien im Rahmen der ‚Dekade gegen Krebs‘ fördert“, sagt Dr. Sophia Huesmann, Studienleiterin und Fachärztin an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Rekrutierung läuft bis 2025
Die geplante Rekrutierung läuft bis 2025, die Gesamt-Studiendauer circa 12 Jahre. Die Fördersumme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beträgt mindestens 6,7 Millionen Euro. Angegliedert an die SURVIVE-Studie plant die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe derzeit zeitgleich Therapieinterventionsstudien, in denen Frauen mit auffälligem Bluttest aber ohne Nachweis von Metastasen in der Bildgebung zusätzliche Therapien erhalten können.
Die gesamte Studiendauer pro Patientin beträgt zehn Jahre, wobei die die Blutentnahmen/Intervention fünf Jahre beansprucht:
- Insgesamt 18 Blutentnahmen: 2 Basisvisiten und 16 Studienvisiten im Zentrum
- Visiten in den Jahren 1-3 alle 3 Monate, in den Jahren 4 - 5 alle 6 Monate
- Erhebung des Gesundheitszustands anhand von Fragebögen zu jeder Visite
- Erhebung der Lebensqualität zur ersten Basisvisite, dann alle 6 Monate.
Die Nachbeobachtung läuft dann nochmals fünf Jahre mit einer jährlichen Kontaktaufnahme (per Telefon, E-Mail oder als Visite im Studienzentrum) zur Beantwortung eines Fragebogens zum Gesundheitszustand und zur Lebensqualität.
Weitere Informationen zur Studie gibt es hier.
Quelle: idw/Uniklinikum Ulm
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