Blick ins "Getriebe" der "Zellkraftwerke" möglich

Forscher entwickeln optische Messmethode
lz
Fluoreszenz- (FLIM) und Phosphoreszenzmessung (PLIM)
Für die neue Messmethode (links im Kasten) kombinierten die Forscher zwei Verfahren zur Fluoreszenz- (FLIM) und Phosphoreszenzmessung (PLIM). Core Facility Konfokale und Multiphotonen Mikroskopie, Uni Ulm
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Volkskrankheit Alzheimer: Bislang sind die Ursachen der neurodegenerativen Erkrankung, an der mehr als eine Million Deutsche leiden, nicht vollständig geklärt. Vermutlich spielen gestörte Stoffwechselprozesse in den Mitochondrien, den sogenannten „Kraftwerken der Zelle“, eine zentrale Rolle.

Unsere Gesellschaft wird immer älter, und mit dem Alter steigt das Risiko für bestimmte Krankheiten wie die Alzheimer-Demenz. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft werden pro Jahr etwa 40.000 Menschen neu an der Demenzform erkranken, sofern es keinen Durchbruch in Prävention und Therapie gebe. Die Ulmer Wissenschaftler Dr. Angelika Rück, Professorin Christine von Arnim und Dr. Björn von Einem haben nun zwei mikroskopische Methoden zur Fluoreszenz- (FLIM) und Phosphoreszenzmessung (PLIM) kombiniert, die sowohl die Diagnostik als auch die Entwicklung und Erprobung neuer Medikamente für Alzheimer und andere Volkskrankheiten wie Diabetes und Adipositas oder Tumor- sowie Autoimmunerkrankungen vorantreiben könnten.

Metabolische Veränderungen nachvollziehen

„Bislang konnten wir den Stoffwechsel einer Zelle über den Sauerstoffverbrauch in Zellpopulationen messen, aber nicht die eigentliche Stoffwechselaktivität in den Zellen sichtbar machen“, erklärt Professorin Christine von Arnim, Oberärztin an der Klinik für Neurologie der Uniklinik Ulm und Leiterin der Arbeitsgruppe Alzheimer Lab. „Mit dem von uns entwickelten optischen Verfahren sind wir jetzt erstmals in der Lage, wesentliche Stoffwechselprozesse in den Mitochondrien lebender Zellen darzustellen und zu verstehen. Wir können damit also auch metabolische Veränderungen bei neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer nachvollziehen“, erläutert Dr. Angelika Rück, Leiterin der Core Facility „Konfokale und Multiphotonen Mikroskopie“ an der Uni Ulm. Das neue Verfahren werde daher in Zukunft von großer Bedeutung für die Entwicklung von Medikamenten sein, sind die Wissenschaftler überzeugt.

Dauer der Lichtemissionen gemessen

Was genau mithilfe der FLIM/PLIM-Kombination dargestellt werden kann, beschreibt Dr. Björn von Einem, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Alzheimer Lab: „Sehr vereinfacht gesagt messen wir die Dauer der Lichtemissionen der wichtigsten Moleküle des mitochondrialen Stoffwechsels. Diese werden mit einem Laser angeregt. Dann messen wir die Dauer der Fluoreszenz und die Abklingzeit in Nanosekunden. Parallel ermitteln wir die Sauerstoffkonzentration mithilfe eines Phosphoreszenzmarkers“, so der Biologe.

In Experimenten simulierten die Wissenschaftler Störungen im Zellstoffwechsel, indem sie die mitochondriale Atmung unter anderem durch Zugabe des Antibiotikums Antimycin A hemmten. Mithilfe der neuen Laser-Apparatur konnten die Forscher zum einen die so entstehenden metabolischen Veränderungen in der Zelle und in den Mitochondrien darstellen. Zum anderen gelang es ihnen, diese gleichzeitig mit der Funktion des Sauerstoffs in der mitochondrialen Membran in Verbindung zu bringen.


Mikroskopische Visualisierung von Energiestoffwechseländerungen in Nervenzellen (Bild 1-3) und Hirngewebe (4,5). Quelle: Patrick Schäfer, AG Rück/AG von Arnim

Für die neuartige Untersuchungsmethode stellten die Firmen Toptica Photonics AG und Spectra-Physics GmbH die Laser-Apparatur bereit, vom Industriepartner Becker & Hickl GmbH kamen die Detektoren. Das langfristige Ziel der Forscher ist, das Verfahren in vivo anzuwenden, beispielsweise um in lebenden Zellen zu beobachten, welche Substanzen die Stoffwechselprozesse auf welche Weise beeinflussen. (idw, red)

Hintergrundinformationen:
Das Projekt „Mitochondriales Monitoring von Stoffwechseländerungen bei neurologischen Erkrankungen mittels optischer Systeme (Mitoskopie)“ der Ulmer Wissenschaftler wurde im Rahmen eines Projektes der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) durchgeführt und von der Forschungsvereinigung Feinmechanik, Optik und Medizintechnik e. V. (F.O.M) koordiniert. Die IGF soll die strukturbedingten Nachteile kleiner und mittlerer Unternehmen auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung ausgleichen. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit öffentlichen Mitteln gefördert. Organisiert wird die IGF wird von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" (AiF). Dieses Netzwerk vergibt jährlich den Otto von Guericke-Preis (à 10 000 Euro), für den das Ulmer Projekt dieses Mal nominiert war.

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