Zu den häufigsten Tumorerkrankungen bei Kindern gehört die Leukämie und insbesondere die akute Leukämie. Laut Krebsgesellschaft erkranken pro Jahr in Deutschland rund 13.700 Menschen an Leukämien. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte betont, dass hierzulande jedes Jahr etwa 550 bis 600 Kinder und Jugendliche neu an akuter lymphatischer Leukämie erkranken. Davon seien etwa 500 Kinder im Alter zwischen 0 und 14 Jahren. In ungefähr 80 Prozent der Fälle erkranken sie an einer akuten lymphatischen Leukämie (ALL), in circa 20 Prozent jedoch an einer akuten myeloischen Leukämie (AML). Ein tieferes Verständnis für den Mechanismus der Krankheit, wie auch verbesserte pharmakologische Wirkstoffe erlauben es heute, die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie erfolgreich zu behandeln. Im Gegensatz dazu kann die seltenere kindliche akute myeloische Leukämie oft nicht geheilt werden.
Problem akute Erythroleukämie
Bei der akuten Erythroleukämie handelt es sich laut Orphanet um eine seltene, nicht klassifizierte akute myeloische Leukämie. Sie ist gekennzeichnet durch eine Proliferation unreifer Zellen ausschließlich der erythroiden Linie ohne eine signifikante myeloblastische Komponente. Charakteristisch sind atypische Myelo- und Erythroblasten im peripheren Blut. Die Patienten können eine Panzytopenie mit Müdigkeit, Infektionen und mukokutanen Blutungen sowie Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß aufweisen. Die Prognose ist schlecht. Im Gegensatz zur akuten Erythroleukämie beim Erwachsenen finden sich bei der kindlichen Form in den Krebszellen bestimmte genetische Veränderungen, welche zur Ausbildung exklusiver sogenannter Fusionsgene respektive -proteine führen.
NFIA-ETO2 blockiert die Ausreifung erythroider Vorläuferzellen
Im Tiermodell hat das Team um Prof. Jürg Schwaller vom Universitäts-Kinderspital Basel nun die Rolle einer bestimmten, mit kindlicher Erythroleukämie-assoziierten Fusion namens NFIA-ETO2 studiert. Die Fusion wurde in blutbildende Zellen aus dem Knochenmark der Maus eingebaut und die Folgen für das Ausreifen der Zellen in der Kultur beobachtet. Dabei zeigte sich, dass NFIA-ETO2 gezielt die Ausreifung erythroider Vorläuferzellen blockiert und gleichzeitig das Wachstum der Zellen stimuliert. Wurden NFIA-ETO2-tragende erythroide Zellen ins Knochenmark von bestrahlten Empfängertieren transplantiert, blieben alle Tiere gesund.
Bedeutung der NFIA-ETO2 Fusion
Tumorzellen von Erythroleukämiepatienten tragen oft Mutationen eines Genes mit dem Namen TP53 in sich. Dieses ist bei einer Vielzahl von menschlichen Krebsformen verändert. Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass die Präsenz einer TP53 Mutation die normale Ausreifung erythroider Zellen in der Kultur nicht beeinflusst. Einbringen der NIFA-ETO2 Fusion in blutbildende Zellen mit einer TP53 Mutation erhöhte jedoch das Potential der Zellen, sich selbst zu erneuern. Die Zellen bildeten in semisolidem Wachstumsfaktor-enthaltendem Medium Kolonien, welche man über mehrere Runden weiter platieren konnte. Außerdem entdeckten sie, dass bestrahlte Empfängertiere, die mit blutbildenden Zellen, welche sowohl die NFIA-ETO2 Fusion als auch die TP53 Mutation in sich trugen, transplantiert wurden, eine akute Erythroleukämie entwickelten, die der beim Menschen sehr ähnelte. Mittels verschiedener molekulargenetischer Methoden konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass die NIFA-ETO2 Fusion sich an die Erbsubstanz binden kann. Dabei kann die Fusion bestimmte Gene, die für die Ausreifung der roten Blutkörperchen zuständig sind, steuern und auch ausschalten. Gleichzeitig werden aber auch Gene angeschaltet, die das unkontrollierte Wachstum stimulieren.
Ziel: Neue Therapien
Das Forschungsprojekt zeigt zum ersten Mal, dass die NFIA-ETO2 Fusion, welche exklusiv bei der kindlichen akuten Erythroleukämie vorkommt, essentiell für die Ausbildung der Krankheit ist. Wahrscheinlich auch für deren Fortlauf. Ziel ist es nun, die Forschungsergebnisse in neue Therapieformen umzusetzen. Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit insgesamt rund 170.000 Euro unterstützt.
Quelle: idw/Wilhelm Sander-Stiftung
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