Aufarbeitung der Coronapandemie

GfV veröffentlicht Stellungnahme
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Menschen demonstrieren für Stopp der Coronapandemie
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Die Gesellschaft für Virologie möchte mit einer Stellungnahme einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur Aufarbeitung der Maßnahmen während der Coronapandemie leisten.

Vielfach wird die Aufarbeitung der Coronapandemie angemahnt. Die Gesellschaft für Virologie hat nun in einer Stellungnahme einen Versuch unternommen, die aktuellen Erkenntnisse aus wissenschaftlicher Sicht darzustellen. Damit soll ein Kontrapunkt gegen die immer mehr zunehmende Verzerrung von wissenschaftlichen Fakten gesetzt werden. Vor allem die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens und der Impfung rücken ins Blickfeld der Gesellschaft. So geht die GfV ausführlich auf das Thema der anfänglichen Bewertung der Bedrohlichkeit von COVID-19 ein. Diskutiert wird das Problem der Dunkelziffer, das gerade zu Beginn einer Pandemie zu einer Verzerrung der krankheitsbezogenen Sterblichkeit (infection fatality rate (IFR)) führt. Die GfV betont dennoch: „Es besteht insgesamt aus wissenschaftlicher Sicht kein Anhaltspunkt dafür, die anfänglichen Schätzungen der Pandemieschwere im Nachhinein in Zweifel zu ziehen. Die IFR für saisonale Influenza liegt im Vergleich dazu bei unter 0,1%, in den USA beispielsweise bei 0,04 bis 0,08% (Levin et al. 2020). Hieraus ergibt sich eine grobe und konservative Schätzung einer etwa 10 bis 20-fach höheren IFR für die pandemische Phase von COVID 19 im Vergleich zu saisonaler Influenza (Annahme: IFR Influenza 0,05%, COVID-19 0,5 – 1%).

Durchseuchung als Alternative?

Kritisiert wird zudem die immer wieder geäußerte (vorteilhafte) Strategie der Durchseuchung als Alternative: „Öffentliche Ratschläge zur Herstellung einer Bevölkerungsimmunität durch Zulassen von Infektionen bei jüngeren Erwachsenen und Kindern müssen retrospektiv als klare Fehleinschätzung gewertet werden (Great Barrington Declaration 2020). Auch wenn zu Recht auf die großen Belastungen und Folgeschäden der eingeführten Kontaktreduktionsmaßnahmen hingewiesen wurde, unterlagen die Vorschläge zur sogenannten Durchseuchungsstrategie der falschen Vorstellung, dass nach einmaliger Infektion mit SARS-CoV-2 ein nachhaltiger Schutz vor erneuten Infektionen aufgebaut sei, der dann die Verbreitung des Virus auf die vulnerablen Gruppen verhindert. Da SARS-CoV-2 trotz mehrerer durchgemachten Infektionen und Impfungen noch heute zirkuliert, hätte die geforderte Aufhebung der Kontaktreduktionmaßnahmen zu einer andauernden Exposition der vulnerablen Personen aller Altersklassen geführt.“

Schulschließungen im Blick

Auch die kritisierten Schulschließungen nehmen die Virologen ins Visier. In der wissenschaftlichen Nachauswertung sei ein erheblicher Beitrag von Schulschließungen zur Verringerung der gesamtgesellschaftlichen Infektions-, Krankheits- und Todeszahlen belegt (Murphy et al. 2023). Auch Kontaktmaßnahmen im laufenden Schulbetrieb (Masken, Distanzierung, Schichtsysteme) senkten demnach die Übertragung in Schulen und der umgebenden Bevölkerung. Die Wiedereröffnung des Schulbetriebs nach Schließungen habe in den meisten Studien zu einem Anstieg der Inzidenz geführt (Murphy et al. 2023). Unabhängig von diesen Daten und insbesondere in Anbetracht der vielfältigen negativen Folgen von Schulschließungen stelle sich allerdings die Frage, ob man einen Teil der Schulschließungen durch stärkere Eingriffe in anderen Lebensbereichen hätte ersetzen sollen. Hierzu habe die Gesellschaft für Virologie schon im August 2020 eine Stellungnahme verfasst, in der Maßnahmen vorgeschlagen wurden, um erneute Schulschließungen verhindern zu können (GfV 2020). In Gegensatz zu Schulen seien Arbeitsplätze als Infektionsquellen in Deutschland, anders als in anderen Ländern, nur nachranging diskutiert worden. Darauf sei wiederholt öffentlich hingewiesen worden.

NPIs bringen Effekte

Besonders kritisiert werden bis heute die nicht-pharmazeutischen Maßnahmen (NPI) zur Infektionsbekämpfung wie Masken. Auch hier kommen die Virologen zu einem eindeutigen Ergebnis: „Nach Evidenzsynthese hatten Masken insgesamt einen deutlichen Effekt auf Übertragungen, wobei Masken besserer Qualität und verpflichtendes Tragen effektiver war als einfache Masken und freiwilliges Tragen (Boulos et al. 2023).“ Zudem seien die effektivsten NPIs Ausgangs- und Versammlungsbeschränkungen gewesen, deren Effekte bei geringer Gruppengröße stärker wurden (Murphy et al. 2023). Besuchseinschränkungen und insbesondere eine dauerhafte Kohortierung von Pflegenden mit Bewohnern von Pflegeheimen hätten die Zielgruppen geschützt, wenn gleichzeitig allgemeine Maßnahmen der Infektionskontrolle in Kraft gewesen seien (Murphy et al. 2023). Reduktionen der arbeitsbezogenen Mobilität (Arbeitsstätten-Schließungen, Kleingruppen, Homeoffice) hätten einen klaren und deutlichen Effekt gehabt, der ähnlich stark ausgeprägt gewesen sei wie bei Schulschließungen (Murphy et al. 2023).

Das PDF der Stellungnahme der GfV auch mit den Ausführungen zur Impfung finden Sie hier.

 

Literatur:
Boulos L, Curran JA, Gallant A, et al.: Effectiveness of face masks for reducing transmission of SARS-CoV-2: a rapid systematic review. Philos Trans A Math Phys Eng Sci. 2023 Oct 9; 381 (2257): 20230133.

Levin AT, Hanage WP, Owusu-Boaitey N, Cochran KB, Walsh SP, Meyerowitz-Katz G: Assessing the age specificity of infection fatality rates for COVID-19: systematic review, meta-analysis, and public policy implications. Eur J Epidemiol. 2020 Dec;35(12):1123-1138.

Great Barrington Declaration 2020. Available from: gbdeclaration.org (accessed 10 March 2025).

Murphy C, Lim WW, Mills C, et al.: Effectiveness of social distancing measures and lockdowns for reducing transmission of COVID-19 in non-healthcare, community-based settings. Philos Trans A Math Phys Eng Sci. 2023 Oct 9; 381 (2257): 20230132.

Gesellschaft für Virologie. Stellungnahme der Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie: SARS-CoV-2-Präventionsmassnahmen bei Schulbeginn nach den Sommerferien, 06.08.2020. Available from: g-f-v.org/massnahmen-bei-schulbeginn (accessed 10 March 2025).

Quelle: GfV

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