Die Autorin hebt dabei eher die Vielfalt hervor, als einem stringenten Prinzip zu folgen. Auch wird keine generelle Erklärung für die Mechanismen geliefert, die zum Verschwinden von Krankheiten im Allgemeinen beitragen; denn viele Faktoren sind bis dato nicht wissenschaftlich erforscht. Die einzelnen Kapitel behandeln jeweils ausschließlich die Konstellationen, die zum Verschwinden einer spezifischen Krankheit führten, sie stellen in sich geschlossene Abschnitte dar. Im weiteren Sinne sind zu diesen sporadischen Erscheinungen Erkrankungen durch Medikamente zu rechnen, die nicht mehr verwendet, sowie durch Berufe, die nicht mehr ausgeübt werden. Weitere Erkrankungen verschwanden wohl am ehesten durch sich wandelnde Lebenswelten oder durch die Verbesserung von Lebens- und Hygienestandards wie etwa Noma oder Aussatz. Durch wirksame Vorbeugung konnte eine Reihe von teils dramatisch verlaufenden Krankheiten besiegt oder weitgehend eingedämmt werden, wie dies bei den Pocken oder der Trichinose der Fall war. Letztendlich bedurfte es zum Verschwinden einer Krankheit meist eines Zusammenspiels mehrerer der genannten Mechanismen. Wann aus dem Nebeneinander von Gast und Wirt ein Miteinander beziehungsweise Gegeneinander wurde, wann also die ersten Infektionskrankheiten aufgetreten sind, werden wir kaum je wissen. In dem Werk werden auch Krankheiten beschrieben, von denen man annehmen muss, dass es sie wohl nie wirklich gab – sie waren frei erfunden, wie etwa der Cellohoden. Der Autorin ist es mit ihrem Sachbuch gelungen, verschwundene und vergessene Krankheiten in einem belletristischen Stil dem interessierten Leser näherzubringen. Wer sich historisch für vergessene Erkrankungen interessiert, dem kann dieses Buch nur wärmstens empfohlen werden. Entsprechend der These von Dubos aus dem Jahr 1960: Jeder Gesellschaftstyp hat seine für ihn charakteristischen Krankheiten und jede Zivilisation schafft die ihr eigenen Krankheiten!
Verschwundene Krankheiten.
Von: Sophie Seemann, Verschwundene Krankheiten, 272 Seiten, Kulturverlag Kadmos, Berlin, ISBN: 978-3-86599-300-7, Preis: 29,80 Euro
Entnommen aus MTA Dialog 3/2020
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