Standardwerk im neuen Glanz

Kompendium, Leitfaden und Kurzlehrbuch
Hardy-Thorsten Panknin
Cover-Abbildung zur Buchrezension von W.U. Eckart, „Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin“
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Unter Geschichte versteht man im Allgemeinen die Aspekte der Vergangenheit, derer Menschen gedenken und die sie deuten, um sich über den Charakter zeitlichen Wandels und dessen Auswirkungen auf die eigene Gegenwart und Zukunft zu orientieren. Zu allen Zeiten haben sich Ärzte mit ihrem Tun, Theorien und Werten ihrer Vorgänger auseinandergesetzt und darüber publiziert; denn der Mediziner von morgen müsse wissen, was Kollegen vor ihm gefunden haben.

Die daraus entwickelte Medizinhistorie umfasst dabei die geschichtlichen Entwicklungen der Heilkunde, einschließlich der Biografien von Personen, die Einfluss auf die Medizin ihrer Zeit ausübten. Die Medizingeschichte kann als profundes Mittel zum Fortschritt der heutigen, modernen Medizin angesehen werden. Das vorliegende Buch – eher Kompendium, Leitfaden und Kurzlehrbuch, gegenwärtig in der neunten Auflage erschienen – wurde geschrieben, um die Entwicklung der verschiedenen Medizinepochen zu beleuchten. Schon die Griechen und Römer der Antike entwickelten das gesamte Spektrum des Umgangs mit Gesundheitsproblemen. Doch die modernen Typen der Medizin im Krankenhaus, in der Gemeinschaft und im Labor entstanden erstmals in ihrer gegenwärtigen Form im Verlauf des 19. Jahrhunderts. In diesem Kontext wird heute von der „modernen Medizin“ gesprochen. Der Einzug der modernen experimentellen Wissenschaften in die Medizin hat zu einer Neuorientierung geführt. Die begeisternde Historie der medizinischen Wissenschaft und Kunst wird in 20 prägnant geschriebenen Kapiteln evident: Diese Geschichte beginnt mit Versuchen des Urmenschen, die Krankheit mit Magie und Steinmessern zu bekämpfen. Sie umfasst weiter die ärztliche Tätigkeit der frühen Hochkulturen Ägyptens, Asiens und Amerikas; die Leistungen der großen Persönlichkeiten des klassischen Altertums von Hippokrates bis Galen; den Stillstand des Mittelalters und den Fortschritt, der der Renaissance der Medizin im 16. Jahrhundert folgte. Besondere Aufmerksamkeit hat der Autor den raschen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts gewidmet. In dem goldenen Zeitalter der Medizin zwischen den 1940er- und den frühen 1970er-Jahren herrschte gar die Zuversicht, die Ärzte könnten uns helfen, gleichgültig wie wir leben. Die optimistische Prognose noch vor einem halben Jahrhundert, angesichts der Fortschritte von Medizin und Hygiene seit dem 19. Jahrhundert, würde es mit der Zeit immer weniger Kranke geben, hat sich leider nicht bewahrheitet. Das Arzt-Patienten-Verhältnis hat sich in den letzten Jahrhunderten erheblich gewandelt. Dass schon die hippokratischen Ärzte Mäßigung empfahlen, erinnert an die Tatsache, dass Ärzte seit Langem Moralpolizisten sind. Was dabei als moralisch oder als unmoralisch gilt, verändert sich leicht im unterschiedlichen kulturellen Umfeld. Fakt ist – auch noch im beginnenden 21. Jahrhundert –, wie bereits Paracelsus in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sagte: „Der Mensch war immer ein Mängelwesen, natura pathologica: zum Umfallen geboren, koexistent mit dem Nachbarn Tod.“

Die drängendste Frage der medizinischen Versorgung für die Zukunft lautet: Können wir uns das uneingeschränkt Machbare überhaupt leisten? Je mehr Innovationen der Medizin zur Verfügung stehen, desto größer ist die Nachfrage. Der Fortschritt der Medizin ist epochal. Für das kranke Individuum muss dabei das höchste Gebot, das Wohl des Patienten (Summa lex salus aegroti), stets im Vordergrund stehen. Der Arzt von heute – mit allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen – hat einen Primärauftrag: zu heilen, zu lindern, jegliche Komplikationen abzuwehren, jeden Kranken anzunehmen und fürsorglich zu behandeln. Prof. Dr. med. Wolfgang U. Eckart, Medizinhistoriker und ehemaliger Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ist es in beeindruckender Weise erneut diktatorial gelungen, mit dem Kompendium eine prägnante Gesamtdarstellung der Medizin, in Gegenwart und Zukunft, durch eine Analyse vergangener Schwierigkeiten und Siege, zu vermitteln.

Thematisch ist der Leitfaden ausgewogen, konzeptgeschichtlich orientiert, mit Übersichten, Definitionen und Schlüsselbegriffen versehen. Auch die Medizin im Nationalsozialismus wird mit ihren Grausamkeiten thematisiert. Ergänzungen wurden in der neuen Auflage auch zu den großen „Seuchen“ – kontagiösen Infektionen – mit einem Extrakapitel zur Coronapandemie und ihren Folgen, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, berücksichtigt. Kurz vor Abschluss dieser Ausgabe ist Prof. Eckart am 16. August 2021 verstorben. In summa: Das Buch kann allen interessierten Personen – nicht nur Tätige im Gesundheitswesen – uneingeschränkt empfohlen werden. Es ist darüber hinaus auch leicht verständlich und fesselnd geschrieben. Medizingeschichte basiert auf kulturellen und intellektuellen Strukturen, die immer auf Ärzte und Patienten eingewirkt haben. Der Mediziner und Herausgeber von „Geschichte der Medizin“ in drei Bänden, das noch heute zu den Standardwerken im deutschsprachigen Raum zählt, Prof Dr. med. Heinrich Haeser, hat im Jahre 1845 bereits insistiert, dass Medizingeschichte für jeden Arzt unentbehrlich sei. Das medizinische Denken in der Vergangenheit ist in die Reflexion über die zeitgenössische Medizin einzubringen: Medizingeschichte als Mittel zum Fortschritt der Medizin.

Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.
Von: Wolfgang U. Eckart, Springer, 9., überarb. u. erw. Aufl. 2021, ISBN: 978–3-662-63424-0, Preis: 24,99 Euro

 

Entnommen aus MTA Dialog 4/2022

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