Herzrasen, Zittern und Atemnot: Wer unter einer sozialen Phobie leidet, meidet größere Gruppen. Mündliche Prüfungen oder alltägliche Verabredungen sind angstbehaftet - schließlich könnten die Mitmenschen ein negatives Urteil fällen. Solchen Situationen gehen Betroffene deshalb aus dem Weg. Kontakte gelingen häufig besser über soziale Medien oder aus der Anonymität des Internets heraus. Soziale Phobien zählen zu den psychischen Störungen, die gleichzeitig durch genetische und umweltbedingte Faktoren ausgelöst werden. „Bei der Erforschung der genetischen Ursachen dieser Erkrankung gibt es noch viel zu tun“, sagt Dr. Andreas Forstner vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn. „Bislang sind nur wenige Verdachtsgene bekannt, die damit in Zusammenhang stehen könnten.“
Einzelne Basenpaare können im Erbgut variieren
Zusammen mit der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn führt Dr. Forstner eine Studie zu den genetischen Ursachen der sozialen Phobie durch. Das Forscherteam untersuchte das Erbgut von insgesamt 321 Patienten und verglich es mit 804 Kontrollpersonen. Im Fokus der Wissenschaftler standen dabei sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (englisch Single Nucleotide Polymorphisms, SNPs). „Es handelt sich dabei um variable Stellen im Erbgut, die bei verschiedenen Menschen in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen können“, erklärt Dr. Forstner.
Genetisch bedingte Erkrankungen haben häufig in den SNPs ihre Ursache. Schätzungsweise liegen mehr als dreizehn Millionen solcher Veränderungen im menschlichen Erbgut vor. Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt 24 SNPs, die im weitesten Sinn als Ursache sozialer Phobien und anderer psychischer Störungen in Verdacht stehen. „Dabei handelt es sich um die bislang größte Assoziationsstudie zur sozialen Phobie“, sagt Privatdozent Dr. Johannes Schumacher vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn.
Patienten gaben zu ihren Symptomen Auskunft
Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Uniklinikums Bonn befragen im Verlauf der Studie die Patienten zu ihren Symptomen und zur Schwere ihrer sozialen Phobie. Außerdem wird anhand einer Blutprobe ihr Erbgut untersucht. Ob zwischen den Anzeichen der Erkrankung und den Genen ein Zusammenhang besteht, prüfen die Wissenschaftler mit statistischen Methoden. Dabei ergaben sich in der Auswertung der bisher erhobenen Daten Hinweise darauf, dass ein SNP am Serotonin-Transporter-Gen SLC6A4 bei der Entstehung der Sozialen Phobie beteiligt ist.
Dieses Gen kodiert in Gehirnzellen einen Mechanismus, der am Transport des wichtigen Botenstoffs Serotonin beteiligt ist. Diese Substanz dämpft unter anderem Angstgefühle und depressive Verstimmungen. „Das Ergebnis untermauert Hinweise vorangegangener Studien, dass Serotonin bei der sozialen Phobie eine wichtige Rolle spielt“, sagt Privatdozent Dr. Rupert Conrad von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Medikamente, die die Serotonin-Wiederaufnahme blockieren und die Konzentration des Botenstoffs in der Gewebeflüssigkeit des Gehirns erhöhen, werden bereits seit längerem zur Therapie von Angststörungen und Depressionen eingesetzt.
Probanden können an erweiterter Studie teilnehmen
Die Wissenschaftler wollen nun noch genauer untersuchen, wie die Zusammenhänge zwischen Erbgut und sozialer Phobie sind. „Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir noch deutlich mehr Studienteilnehmer, die unter sozialer Ängstlichkeit leiden“, sagt die Psychologin und Studienkoordinatorin Stefanie Rambau von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik des Uniklinikums Bonn. Menschen aus ganz Deutschland, die unter sozialer Ängstlichkeit leiden und mindestens 18 Jahre alt sind, können sich unter Tel. 0228/28714605 oder E-Mail SocialPhobiaResearch@ukbonn.de melden. Informationen zur Studie gibt es unter www.SocialPhobiaResearch.de. „Wer teilnimmt, trägt dazu bei, die soziale Phobie zu erforschen. Das ist die Grundlage für bessere Diagnose- und Therapieverfahren in der Zukunft“, sagt Stefanie Rambau. Den Teilnehmern kann auf Wunsch eine persönliche Rückmeldung zu bestimmten Ergebnissen der Fragebögen gegeben werden. (idw, red)
Forstner A J, Rambau S, Friedrich N, et al.: Further evidence for genetic variation at the serotonin transporter gene SLC6A4 contributing to anxiety. Psychiatric Genetics, DOI: 10.1097/YPG.0000000000000171.
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