Selbstbewusstsein für alle im Fach gestärkt

Highlights vom Deutschen Kongress für Laboratoriumsmedizin in Mannheim
Michael Reiter
Foto vom DKLM in Mannheim
Abb. 1: Die Attraktivität des MT-Berufes lässt sich durch eine Akademisierung erhöhen. Das betonte DVTA-Präsidentin Christiane Maschek auf der 18. Jahrestagung der DGKL im Rahmen des Deutschen Kongresses für Laboratoriumsmedizin in Mannheim. MT sollten weiterhin bestrebt sein, ihrem Berufsbild ein starkes Profil zu geben. Sie sollten verstehen und kommunizieren, dass sie eigenverantwortlich arbeiten – und ihre Qualifikation in neuen Rollen denken. © M Reiter
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Die Pandemie hat sie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt: die neuen Methoden und Verfahren der Labormedizin. Auch heute entwickelt sich das Fach mit seinem enormen Spektrum an Tests dynamisch weiter, so der Tenor im Oktober beim Deutschen Kongress für Laboratoriumsmedizin (DKLM).

„Insbesondere die Entwicklungen im Bereich der individualisierten Präzisionsmedizin, die vielfältigen Möglichkeiten des Point-of-care-testing (POCT) sowie die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) in der Labormedizin werden dieses hochinnovative Fachgebiet verändern und den medizinischen Fortschritt deutlich vorantreiben“, lautete die Aussage bei der Pressekonferenz. Diese Potenziale, neue Qualifikationen und veränderte Aufgaben stärken das Selbstbewusstsein in der Disziplin.

Für die Weiterentwicklung der Medizin sei eine präzise Diagnostik unerlässlich; sie bilde die Basis für weiterführende Therapien, betonte Prof. Dr. med. Harald Renz. „Rund zwei Drittel aller klinischen Entscheidungen beruhen auf Ergebnissen von In-vitro-Tests“, fuhr der DGKL-Präsident fort. Prävention, Diagnose, Therapiestärkung: Die Bedeutung der Labormedizin für die Versorgung unterstrich er in Mannheim mit der Vorstellung eines Fünf-Punkte-Papiers, mit dem die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e.V. (DGKL) ihr Rollenbild schärft und Erwartungen an die gesundheitspolitischen Entscheider definiert. Zu den Herausforderungen auf dem Weg in die Zukunft zählten die Translation des wissenschaftlichen Fortschritts – also der tatsächliche Einsatz an Patienten – und die Vergütung als Kernaspekt der Durchsetzung im Alltag.

Neues Selbstbewusstsein der Laboratoriumsmedizin

Besonders bei der Entwicklung der individualisierten Präzisionsmedizin zeige sich die Bedeutung der modernen Labordiagnostik, stellte Renz fest. Ein aktueller Schub an neuen Methoden und Verfahren – wie die zelluläre und molekularbiologische Diagnostik – sowie neue Ansätze in der patientennahen Labordiagnostik belegten die Bedeutung der Thematik. Eine herausragende und wegweisende Rolle spielten ferner die Entwicklung der Digitalisierung und das Fortschreiten der KI.

POCT setzt sich durch

Der rasche Fortschritt bei der patientennahen Labordiagnostik, POCT, stand im Mittelpunkt der Präsentation von Prof. Dr. med. Peter Luppa. Hier seien – neben den weitverbreiteten PCR-Schnelltests – die PoC-NAT-Tests hervorzuheben. Diese, sagte der leitende Oberarzt am Institut für Klinische Chemie und Pathochemie am Klinikum rechts der Isar der TU München, basierten ebenfalls auf Nukleinsäure-Amplifikations-Technik (NAT) und könnten patientennah vor Ort in kurzer Zeit durchgeführt werden. Patientinnen und Patienten ließen sich somit schnell zu einer gezielten Therapie führen.

Auch im klinischen Umfeld sei der molekulare Nachweis verschiedener Infektionserreger von hoher Bedeutung; deshalb befürworteten Fachgesellschaften die Implementierung von PoC-NAT-Verfahren im Klinikbereich. Im Vordergrund stehen müssten dabei die medizinisch valide Ergebnisinterpretation und die Qualitätssicherung im interdisziplinären Kontext, betonte Luppa. Sinnvolle müssten von nicht sinnvollen POCT-Verfahren unterschieden werden, um Patientensicherheit zu gewährleisten. Die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiliBÄK) habe für sie keine Geltung, da es sich um In-vivo-Verfahren handle; hier gebe es einen Bedarf an einer Regelung zur Qualitätssicherung, sagte Luppa.

 

Neue Methoden für Kardio und Onko

Stetig wachsende Anforderungen, neue Analysemethoden für die Disziplin: Prof. Dr. Stefan Holdenrieder präsentierte Innovationen in der Diagnostik onkologischer und kardiologischer Erkrankungen. Als Begleitdiagnostika tragen klinische In-vitro-Labortests durch die Bestimmung eines oder mehrerer Biomarker dazu bei, die Wirksamkeit etwa einer Krebstherapie vorherzusagen, beschrieb der Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin am Deutschen Herzzentrum München. „Durch genetische Marker kann der Tumor identifiziert und so das passende Medikament eingesetzt beziehungsweise ungeeignete oder unnötige Medikamente weggelassen werden“, unterstrich Holdenrieder.

In der Begleitdiagnostik onkologischer Erkrankungen sieht Holdenrieder das Liquid Profiling von besonderer Bedeutung. Die Diagnostik im Blut zirkulierender Nukleinsäuren (CNAPS) werde schnell den Sprung von einer Forschungsmethode in die klinische Praxis schaffen. Die hochsensitive Diagnostik lasse sich auch im Krankheits- beziehungsweise Therapieverlauf einsetzen.

Ebenso unerlässlich zur schnellen und verlässlichen Interpretation von Biomarkeranalysen sind laut Holdenrieder ferner gültige Referenzwerte. Im Herzzentrum München wurde ein standardisiertes Modell für den Biomarker NT-proBNP entwickelt, welches anhand altersabhängiger Referenzwerte eine bessere Therapiesteuerung bei Kindern mit Herzfehlern ermöglicht.

KI kommt im Labor an

Bei Analysen im Kontext von Liquid Profiling, bei bildgebenden Verfahren, Auswertungen von Blutausstrichen oder der Urindiagnostik tragen sie schon heute dazu bei, Arbeitsabläufe und komplexe Diagnosen zu automatisieren und zu standardisieren. KI-gestützte Lösungen versprechen zusätzliche Vorteile bei der Auswertung von Datenquellen und der Befundgenerierung in Form von Sprachmodellen wie Chat-GPT, stellte Dr. Jakob Adler fest. Er ist Facharzt für Laboratoriumsmedizin am Institut für Hämostaseologie und Pharmakologie und am Institut für Medizinische Diagnostik in Berlin. Die Herausforderung bei den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI in der Labormedizin – so Adler – sei, aus den Mengen an Daten neue Erkenntnisse zu Erkrankungen und bisher unbekannte Zusammenhänge im menschlichen Organismus aufzudecken. Die KI werde den Fortschritt in Richtung personalisierter Medizin stark befördern, betonte der Facharzt weiter. Zu diesem Zweck habe es sich die DGKL zum Ziel gesetzt, labormedizinischen Nachwuchs in KI auszubilden. KI werde sich in den Werkzeugkasten der MTL einordnen; wichtig sei, dass sie die Funktionsweise der Technologie verstehen: Nur so „können sie die KI sicher anwenden und die Ergebnisse bewerten“, hob Adler hervor. Auf dem DKLM engagierte sich auch die Arbeitsgruppe digitale Kompetenz in der Jungen DGKL mit einer Session zu diesen neuen Technologien.

Qualität als kontinuierliches Ziel

Standardisierung und Harmonisierung ermöglichen die Vermeidung von Fehlern und somit ein Mehr an Qualität und Sicherheit, stellten Referenten bei der Diskussionsrunde zur Präanalytik heraus. Ernüchternd, so die Runde, sei beispielsweise der hürdenreiche Fortschritt im Kontext einfach erscheinender Herausforderungen wie der Harmonisierung von Kappenfarben.

Neue Qualifikationen, neue Aufgaben

„In den nächsten Jahren werden wir ein Drittel der MT in den Ruhestand verabschieden“, sagte Christiane Maschek. Der Fachkräftemangel werde sich also noch verstärken, betonte die DVTA-Präsidentin Fachrichtung Laboratoriumsanalytik/Veterinärmedizin. Die Attraktivität des Berufes lasse sich durch eine Akademisierung erhöhen; der Ansatz der Praxisanleitungen müsse als Weiterbildung anerkannt werden. Vor diesem Hintergrund sollten MT weiterhin bestrebt sein, ihrem Berufsbild ein starkes Profil zu geben. Sie sollten verstehen und kommunizieren, dass sie eigenverantwortlich arbeiten – und ihre Qualifikation in neuen Rollen denken, regte die DVTA-Präsidentin an.

„Ohne MTL gibt es keine gute Diagnostik“, stellte Renz klar. Anforderungen änderten sich, das Profil gewinne unter anderem durch IT, insbesondere KI. Andererseits, so der DGKL-Präsident, müsse der Beruf mit seinem Bedarf an Vor-Ort-Präsenz der neuen Generation mit ihren Work-Life-Balance-Ansprüchen vermittelt werden.

Seien Sie stolz auf das Fach und seinen herausragenden Beitrag zur Versorgung der Patientinnen und Patienten – so lauteten die Botschaften beim DKLM.

 

Entnommen aus MT im Dialog 12/2023

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