Die Bevölkerung thematisiert in keiner Weise, wie groß die Qualitätsunterschiede zwischen den Krankenhäusern sind. Nach dem Motto: Wer gesund ist, hat kein Interesse, sich damit auseinanderzusetzen. Die neue Monografie des Autors, Professor Dr. med. Jochen A. Werner, ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Tätigkeit als Arzt, Chefarzt, Forscher und Professor an Landesuniversitätskliniken wie auch in einem privatwirtschaftlich geführten Krankenhauskonzern. Es speist sich aus Erlebnissen als Student der Humanmedizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, als Assistenzarzt, Oberarzt und stellvertretender Chefarzt an der Kieler Universitäts-HNO-Klinik, genauso wie als Studiendekan der Marburger Medizinischen Fakultät und als Präsident der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Der Autor möchte mit seinem Werk für ein Verständnis und die Bereitschaft zum erforderlichen „Reset“, nicht nur des Krankenhauses, sondern des gesamten Gesundheitswesens werben.
Smart Hospital als Lösung?
Der Autor plädiert für das „Smart Hospital“ - als Kernstück eines reformierten Gesundheitssystems, eine Steuerungsplattform, die nicht an den Krankenhausmauern endet, sondern ohne Unterbrechung mit den weiteren Sektoren des Gesundheitssystems eng vernetzt ist. Besonders wird dabei die Digitalisierung genutzt, um die für verbesserte Diagnostik und Therapieverfahren so notwendige Datenanalyse vorzunehmen. Hierbei moniert der Buchautor zu Recht, die gegenwärtige Problematik: „Wir Deutschen verkörpern aber nur bedingt das für solche Art von Revolutionen erforderliche Streben. German Angst ist ein verbreiteter Begriff hierfür geworden.“
Wie kann die Digital Nurse unterstützen?
In dem Buch werden eine Vielzahl von Optimierungsvorgänge im Krankenhaussektor thematisiert, wobei die Diagnostik, Therapie, Vorsorge und Nachsorge mit einer maximal möglichen Sicherheit für die Patientinnen und Patienten ablaufen müssen. Welche Korrekturen und Umgestaltungen hierfür vonnöten sind, zählt der Autor dabei explizit auf. Von zentraler Bedeutung ist die Krankenhaushygiene als ein Baustein der Patientensicherheit. Sie diene sowohl dem Patientenschutz als auch dem Schutz des Personals vor ansteckenden Erkrankungen. Der Autor betont aber auch, dass sich nicht alle Fehler und Komplikationen im Krankenhaussektor vermeiden lassen. Es brauche daher eine gute Fehlerkultur an Krankenhäusern und an den übrigen behandelnden Einrichtungen. Fehler müssten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen des Qualitätsmanagements gemeldet werden. Eine hervorgehobene Stellung in Kliniken sollte in Zukunft die „Digital Nurse“ haben. Sie sollte zumindest in den ersten Tagen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus die digitale Pflegevisite übernehmen, um untypische Verläufe, Risiken und Gefahren rechtzeitig erkennen zu können. Der Bedarf an einer solchen Vorgehensweise werde aus verschiedenen Gründen zunehmen. Der demografische Wandel sei bereits ein gewichtiger Grund für solche Schritte, daneben eine sich abzeichnende weitere Verkürzung der Liegezeiten sowie die steigende Anzahl ambulanter Operationen, die immer wieder bestimmte Kontrollen und Nachsorgen nötig machten.
Wie kann Digitalisierung im Gesundheitswesen helfen?
In bestimmten Regionen haben wir es aktuell mit einem Ärztemangel zu tun. Ferner brauchen wir an unseren Krankenhäusern deutlich mehr exzellente Palliativstationen, die den Schwerstkranken vielfach jenseits der Sterbehilfe helfen und quälende Schmerzen lindern können. Darauf weist der Autor explizit hin. Besonders wird in der Monografie die Digitalisierung thematisiert: Die Digitalisierung der 2020er-Jahre könne nicht mit dem Datenschutz des letzten Jahrhunderts bewältigt werden, sonst werde der Datenschutz auch künftig zum nachhaltigen Verhinderer von Innovationen. Wir müssten mit der Digitalisierung ein neues Niveau des Datenschutzes erreichen, versorgungsorientiert für Patientinnen und Patienten. Der Datenschutz der Zukunft müsse es erlauben – mit Zustimmung der Patienten – aus medizinischen Daten zu lernen und personenbezogene Daten zielgerichtet zu erheben. Eine gesellschaftliche Akzeptanz für den Umgang mit Gesundheitsdaten könnten Medizin und Datenschutz nur gemeinsam schaffen. Es müsse dabei aber auch offen über Risiken und Maßnahmen zur Minimierung derselben kommuniziert werden, so das Plädoyer des Autors zur Digitalisierung im Gesundheitssektor.
Smartes Personal als größtes Kapital?
Es werden weitere wichtige Verbesserungspotenziale in dem Werk erörtert: Smartes Personal als größtes Kapital - Welche Anforderungen sind an das Krankenhauspersonal von Morgen zu stellen und wie lassen sich diese besonders in Zeiten von Personalmangel akquirieren? Aktuell wird ununterbrochen über „KI“ beziehungsweise künstliche Intelligenz als die Lösung für die Zukunft gesprochen. Smarte Assistenz: Wie Roboter, künstliche Intelligenz und Co. das Personal unterstützen sollen, wird schwärmerisch thematisiert. Natürlich darf in einem solchen Werk das Finanzierungsdebakel und die Kosten für Arzneimittel nicht fehlen. Hier fragt sich der aufmerksame Leser sicher: Wer soll das alles finanzieren? Auch hier zeigt der Autor prägnante Lösungsansätze auf. Er widmet sich dem besonders heiklen Thema, den Krankenhausschließungen. Denn in Europa liegt Deutschland mit durchschnittlich knapp acht Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner in der absoluten Spitzengruppe. Die Probleme des DRG-Vergütungssystems werden auch kurz skizziert und neue Anpassungen aufgezählt. Ein interessanter und neuer Ansatz des zukünftigen Smart Hospital ist es, nicht nur Verantwortung für Patienten und Mitarbeiter zu tragen, es müsse auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, so die Forderung des Autors.
Vom Smart zum Green Hospital
So habe das Universitätsklinikum in Essen - als eines der ersten „Smart Hospitäler“ in Deutschland – unmittelbar nach Kriegsausbruch eine Task-Force Ukraine gegründet. Über diese werden zahlreiche Hilfstransporte mit medizinischen Gütern in das Krisengebiet organisiert. Auch der Umweltschutz wird in einem separaten Kapitel „Vom Smart zum Green Hospital“ beleuchtet.
Zusammenfassend: Dem Buchherausgeber, Prof. Dr. med. Jochen A. Werner, ist es mit seiner wegweisenden und progressiven Monografie in beeindruckender Weise gelungen, aufzuzeigen, wie das Krankenhaus von Morgen aussehen könnte. Hier muss aber betont werden, dass ein solcher zukunftsweisender Prozess besonders begeisterte und hoch motivierte Berufsgruppen zur Bereitschaft der Veränderung braucht. Das Buch kann allen Berufsgruppen im medizinischen Sektor und darüber hinaus auch allen anderen Berufsgruppen in einem Krankenhaus uneingeschränkt empfohlen werden. Wünschenswert wäre, wenn das Buch auch in der Allgemeinbevölkerung großen Anklang finden würde. Gerade Ängste, die die Digitalisierung in der Medizin betreffen, könnten abgebaut werden. Eine Voraussetzung, wenn wir zukünftig gerade im Digitalsektor international mithalten wollen. Dem digital unterstützten Krankenhaus von Morgen mit seinen vielen Möglichkeiten in Diagnostik, Therapie, Pflege und Nachsorge steht der leidende Mensch - intensiver denn je - im Mittelpunkt aller Bemühungen. |
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