„Reisemitbringsel“ der besonderen Art

Leishmaniosen
Ludwig Zahn
Weibliche Phlebotomus sp. Sandfliege
Weibliche Phlebotomus sp. Sandfliege, ein Vektor der Leishmaniose WHO
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Die Leishmaniose zählt in Deutschland bisher eher zu den unbekannten Krankheiten. Es handelt sich um eine parasitäre Erkrankung, die durch einen Vektor übertragen und von einem obligat intrazellulären Erreger herbeigeführt wird.

Alle Formen der Leishmaniose werden durch dämmerungs- und nachtaktive Schmetterlingsmücken bzw. Sandfliegen der Gattungen Phlebotomus, in Südamerika der Gattung Lutzomiya übertragen. Bei Reisen in gefährdete Regionen ist somit der Schutz vor Insektenstichen sehr wichtig. Sonst kann es zu unerwünschten „Reisemitbringseln“ kommen.

Die Krankheit ist schon lange bekannt. Die Erwähnung in historischen Dokumenten reicht weit zurück. So stammen die ersten Berichte zur Erkrankung aus der ersten ägyptischen Dynastie. Der 20 m lange Papyrus Ebers, der heute in der Universitätsbibliothek Leipzig aufbewahrt wird, zählt zu den frühesten medizinischen Dokumenten überhaupt. Die Aufzeichnung erfolgte wahrscheinlich im 16. Jh. v. Chr. Dort wurde schon über eine Hautkrankheit berichtet, bei der es sich vermutlich um den ersten Nachweis einer Hautleishmaniose gehandelt haben dürfte.

Im Jahr 650 v. Chr. berichtete ein Priester am Hof König Assurbanipal von Assyrien von einer Hautkrankheit, die ebenfalls an Leishmaniose erinnert. Aber auch die Schleimhautleishmaniose grassierte wohl bereits im ersten Jahrhundert n. Chr. in Peru und Ecuador. Dafür sprechen zahlreiche Skulpturen, die Hautläsionen und starke Gesichtsdeformationen darstellen. Dies ist typisch für die auch heute noch in dieser Region verbreiteten Form der Leishmaniose.

Die erste klinische Beschreibung einer Hautleishmaniose der Neuzeit wurde von Alexander Russell 1756 verfasst. Er beschrieb in Indien eine Krankheit eines Patienten, der unter der „Aleppo Beule“ litt. Hier findet sich der erste Hinweis, dass auch Hunde von dieser Krankheit heimgesucht werden. 1885 identifizierte dann D. D. Cunningham Parasiten in Hautbiopsien. Buchner hatte 1886 Cunninghams Entdeckung auch in Deutschland publiziert. In einem Wiener Krankenhaus fand Gustav Riehl ebenfalls 1886 einen „Micrococcus“ als Ursache der „Aleppo Beule“. In Untersuchungen von bioptischem Material der Beule beschrieb er das ausschließlich endoplasmatische Vorkommen von „vollkommen kugeligen Coccen mit einem Durchmesser von 0,9 bis 1,1 µm“ in den Wirtszellen eines Patienten, der sich die „Aleppo Beule“ in Ofra (Indien) zugezogen hatte. 1903 hatte dann William B. Leishman kleine, intrazelluläre Körperchen beschrieben. Er fand sie in der Milzpulpa eines an Fieber gestorbenen Soldaten. Leishman und auch Charles Donovan hatten den neu entdeckten parasitären Erreger als einzelligen enkaryoten Organismus (Länge: 2 bis 4 µm, Breite: 1,5 bis 2 µm) beschrieben. In durch Milzpunktion erhaltenem frischen Blut eines 12-jährigen indischen Jungen fand Donovan identische Körperchen. Er bewies damit, dass seine und Leishmans beobachtete Körperchen keinen postmortalen Veränderungen unterlagen. 1903 prägte dann Ronald Ross den Namen für den neu entdeckten parasitären Erreger:

Leishmania donovani.

Dennoch gebührt vermutlich der Verdienst für die Entdeckung des Parasiten, der für die kutane Form in der Alten Welt verantwortlich ist, dem Amerikaner James Homer Wright (1903).

Der erste Nachweis, dass die Sandmücken die Vektoren von Leishmanien sind, findet sich erst 1912 bei C. M. Wenyon. Er fand in sezierten Sandmücken aus Aleppo (Indien) Herpetomonas, die der Kulturform von Leishmania ähnelte. Sergent E. D. et al. konnten dann schließlich 1921 experimentell zeigen, dass die Sandmückenart Phlebotomus papatasi der Vektor der Hautleishmaniose ist. Das Team homogenisierte Sandmücken und inokulierte das Homogenat auf Freiwillige, die sich dann infizierten.

Leishmaniose tritt in Abhängigkeit von den Erregerreservoiren und Vektoren in allen Kontinenten auf und nimmt in vielen Gebieten noch zu. Lt. RKI liegen die Endemiegebiete in der Regel zwischen den Breitengraden 45° Nord (südliche Staaten der GUS) und 30° Süd (Argentinien). Epidemien treten häufig in Regionen auf, die schwer zu erreichen sind, wie z. B. Libo Kemkem (Äthiopien 2005-06), Wajir (Kenia 2008) und oberer Nil (Süd-Sudan 2009). Mangelernährung ist dabei ein bekannter Risikofaktor. Epidemien brechen oft bei Hungersnöten, Unruhen und Massenbevölkerungsbewegungen aus. Mit der Klimaänderung finden die Mücken aber zunehmend auch in Deutschland passende Lebensbedingungen und erste autochthone Fälle wurden auch hierzulande schon berichtet.

Die klinische Symptomatik wird bestimmt von der Leishmanien-Spezies und ist stark abhängig von der jeweiligen Immunantwort des Patienten. Bei der kutanen Leishmaniose der Alten Welt, auch Orientbeule genannt, beträgt die Inkubationszeit zwei bis acht Wochen. Nach dem Stich entwickelt sich nach einigen Wochen, manchmal aber auch erst nach Monaten, eine kleine, blaurote erhabene Papel, die sich langsam vergrößert. Nach einigen Monaten kann die Papel einen Durchmesser von einigen Zentimetern erreichen. Nach drei bis vier Monaten entwickelt sich meistens ein schmerzloses, flaches Ulkus mit erhabenem Randwall. Dieses kann auch krustig bedeckt sein. Selbst multiple Ulzera sind durchaus möglich. Da Stiche die Ursache sind, finden sich die Läsionen meistens an unbedeckten Körperteilen. Nach etwa neun bis 15 Monaten kommt es zur Abheilung, allerdings mit Narbenbildung.

Bei der kutanen und mukokutanen Leishmaniose der Neuen Welt kann das klinische Erscheinungsbild verschiedenste Hautläsionen (von kleinen, trockenen Herden bis hin zu großen Ulzera) umfassen. Teilweise können hornartige Vegetationen entstehen. Diese ähneln dann Neoplasien. Sehr selten kann es bei der diffusen, kutanen Form der Leishmaniose zu einem generalisierten Hautbefall kommen. Die mukokutane Form, die durch Leishmania brasiliensis verursacht wird, führt meist ebenfalls zu einem Ulkus. Nach der Abheilung kann es jedoch zu einem Befall der Schleimhäute des Nasenrachenraumes kommen. Dies kann zu ausgedehnten Zerstörungen und damit Verunstaltungen führen. Zusätzliche Infektionen sind zudem oftmals zu beobachten.

Die gefährlichste Form der Leishmaniose ist die viszerale (Kala-Azar). Dabei sind vor allem Lymphknoten, Milz, Leber und Knochenmark betroffen. Hohes Fieber ist die Folge. Da das blutbildende System befallen ist, kann es zu Anämien, Leukopenien und Thrombozytopenien kommen. Eine erhöhte Infektanfälligkeit und Blutungsneigung sind dann möglich. Später kann es auch zu Ulzerationen im Darm kommen. Die mitunter zu beobachtende fleckige, dunkle Haut gab dieser Form der Leishmaniose den Namen (Kala-Azar bedeutet schwarze Haut). Unbehandelt endet sie oft letal. Die meisten Patienten sterben an Hämorrhagien, den Anämiefolgen oder an den oft auftretenden Sekundärinfektionen. Eine möglichst frühzeitige Therapie verbessert die Prognose deutlich.

Bei der viszeralen Leishmaniose bildet der Mensch auf dem indischen Subkontinent das Erregerreservoir. Daneben sind dies Nager, Hunde, Wölfe und Füchse. Eingeführte Hunde aus Endemiegebieten, zu denen auch Mittelmeerländer gehören, können deshalb infiziert sein. Viszerale Leishmaniose kann große Epidemien mit hohen Letalitätsraten verursachen. Beispielsweise gab es im Sudan von 1984 bis 1994 eine große Epidemie. Da dies der erste Ausbruch in der Region war, war die Bevölkerung sehr anfällig. Einige Studien haben geschätzt, dass die Krankheit zu 100.000 Todesfällen in der westlichen Region des Landes geführt hatte. In einigen Dörfern starb mehr als die Hälfte der Bevölkerung.

Literatur

1. Naucke; Torsten J.: Sandmücken und Leishmaniose Infopage; www.leishmaniose.de/index.html; Zugriff am 28.1.2014.

2. Naucke; Torsten J.: Leishmaniose – Einzug in Deutschland; Tierärztl. Umschau; 62: 495-500 (2007).

3. Riehl, Gustav: Zur Anatomie und Aetiologie der Orientbeule; Vierteljahresschrift für Dermatologie und Syphilis; 1886, Volume 18, Issue 1: 805-824, zitiert bei: Naucke; Torsten J.: Sandmücken und Leishmaniose.

4. Robert Koch-Institut (Hrsg.); Leishmaniosen (Kala-Azar; “Orientbeule”; Espundia); in: Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten, Berlin; 2011; S. 130-132.

5. Ross; Ronald: Note on the bodies recently described by Leishman and Donovan; Br Med J.; 1903 November 14; 2 (2237): 1261–1262.

6. Schraut; Bettina: Paläopathologische Untersuchungen von parasitären Erkrankungen mit molekularer Analyse von aDNA zum Nachweis von Plasmodien und Leishmanien; Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilian-Universität zu München, 2009.

7. ul Bari; Arfan: Chronology of cutaneous leishmaniasis: An overview of the history of the disease, Journal of Pakistan Association of Dermatologists; 2006; 16: 24-27.

8. World Health Organization; www.who.int/leishmaniasis/epidemic/response_more/en/index.html; Zugriff am 28.1.2014.

9. Wright; JH: Protozoa in a Case of Tropical Ulcer („Delhi Sore“); The Journal of medical research 12/1903; 10(3):472-482.7.

Entnommen aus MTA Dialog 3/2014

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