Das digitale Programm startete am 1. März und lief bis 22. Juni, der reale Austausch in Hessen fand vom 8.–10. Mai statt. Unter dem gemeinsamen Motto „Radiologie in Transformation“ trafen vor Ort Radiologinnen und Radiologen, Ärztinnen und Ärzte weiterer Fachrichtungen und MTR einander, um sich fortzubilden und auszutauschen, da die gemeinsame Zeit im stressigen Alltag häufig fehlt.
Das Fach, wie die Medizin insgesamt, ist sehr in Bewegung. Das betonte in Wiesbaden Prof. Dr. Johannes Wessling, Präsident des Röntgenkongresses. Die Herausforderungen seien vielfältig – etwa KI mit ChatGPT, Gesundheitspolitik mit der Krankenhausreform und New Work. Dies waren die Beweggründe der DRG für das Kongressmotto „Transformation“. Wohin bewegt sich also die Disziplin?
Radiologinnen und Radiologen werden sich immer mehr vom Bild lösen, sagte Wessling voraus. Sie werden immer mehr durch das Bild hindurchschauen und Dinge erkennen, die sich dem bloßen Auge nicht erschließen. Es gelte aber auch, links und rechts vom Bild zunehmend Informationen zu sammeln, die in Bezug auf die Gesamtinterpretation des jeweiligen Patientenfalles von Bedeutung seien. Kommunikation sei die weitere Anforderung; Radiologen sollten immer das Gespräch mit den Patienten suchen, als Gatekeeper und primärer Ansprechpartner fungieren und Vorgaben für das weitere Patientenmanagement bieten. Informations-, Daten- und Kommunikationsexpertise seien daher die wichtigen Stichwörter auf dem Kongress. Mehr Informationen im Video: tinyurl.com/2v3e7pzh.
Dass auch die MTR hier einbezogen sind, zeigten verschiedenste MTR-Workshops in Wiesbaden. „Remote Control“ und „Remote Support“, der Einsatz ihrer Kompetenz zur Unterstützung anderer Teammitglieder bei verringertem Personaleinsatz, standen hier ebenso auf der Tagesordnung wie „Sich besser ärgern“ oder „Resilienz“. MTR unterstützten die Vernetzung in Kliniken und darüber hinaus, betonte Wessling.
In den Ausstellungshallen
Im lichtdurchfluteten Kongresszentrum gelang der Austausch gut; die Ausstellung in den zwei Hallen punktete zwar nicht mit Tageslicht, jedoch mit kulinarischen Highlights und Neuheiten der Hersteller. Die meisten Anbieter von Geräten und Software waren hier vertreten, daneben gab es Start-ups und kleinere Stände, unter anderem von Verbänden. Am DVTA-Stand fand die Marie-Kundt-Preisverleihung statt (Video: https://tinyurl.com/4abreac9). Wie auch die DRG-Preise für MTR zeigte diese langjährige Auszeichnung, dass die Wertschätzung für den Berufsstand der MTR – wohlverdient – gestiegen ist: Sie erhielten Preise für ihre herausragenden Leistungen.
Zum ersten Mal in der Ausstellung vertreten war in diesem Jahr das ehemalige französische Start-up Doctolib, das in den letzten zehn Jahren enorm wachsen konnte. Onlineterminbuchungen ohne Personalbindung werden im Rahmen der Digitalisierung immer wichtiger. Stefanie Franz, Sales Nord-Ost, sagte, das Telefonaufkommen werde durch die Onlinefunktionen um ein Drittel reduziert, neu hinzugekommen seien mehrfache Terminvereinbarungen, Absagefunktionen und eine Warteliste mit Terminvorschlägen.
Die Gesellschaft für Qualitätssicherung in der Medizin, GQmed, gibt es seit 30 Jahren. Mittlerweile hat die Tochter des Gründers, Katharina Karschin, das Unternehmen übernommen und ausgebaut. Heute fokussiert die Gesellschaft Strahlenschutz-Kurse, die in zehn Varianten online oder in Präsenz für die Ärzteschaft, MFA oder MTR durchgeführt werden. Eine der 100 Dozentinnen ist MTR Helga Meinert: Als eine der wenigen Festangestellten liebt sie die vielfältige Kursarbeit, die von ihr unter anderem in Blended-Learning-Einheiten oder unterhaltsam in Geschichtsform angeboten wird. So können trockene Themen trotzdem Spaß machen. Aktuell geht es häufig um die Novelle des Strahlenschutzgesetzes von 2019, daneben um die immer wieder aktualisierten Richtlinien. Zufrieden versicherte Meinert: „Bei mir ist noch keine Teilnehmerin durchgefallen.“
Künstliche Intelligenz
Wo im Workflow sollten KI-Ergebnisse zur Verfügung gestellt werden – insbesondere für die klinischen Kollegen? Hier gehe es um eine kritische Frage, betonte Prof. Dr. Matthias May, Leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Erlangen und Vorsitzender der DRG-Arbeitsgruppe Informationstechnologie. Er sieht Stolpersteine: „Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten auf Station und erhalten ein KI-Ergebnis, bevor der Radiologe den Befund erstellt hat. Wenn die KI eine Hirnblutung festgestellt hat, wird gegebenenfalls umgehend eine Aktion ausgelöst – ohne eine Freigabe.“ Ein unkontrolliertes Einspeisen könne somit zu falschen Handlungen führen.
Eine Integration der KI in den Alltag müsse zum einen ohne erhöhten Zeitaufwand stattfinden, zum anderen aber Sicherheit gewährleisten. Generell habe die Turnaroundzeit der KI kurz zu sein und die Darstellung auf ein und demselben Monitor zu erfolgen – als Overlay, als integriertes Objekt, mit der Möglichkeit der Nachbearbeitung und Nachfreigabe. Hersteller müssten hier Lösungen bieten.
Neben der Diagnoseunterstützung beinhalteten die Potenziale der KI auch Workflow-Optimierung etwa für MTR sowie die Abrechnung, mit den Controllern als Zielgruppe. Mehr Informationen im Video: https://tinyurl.com/bddy7ffa.
Nachhaltigkeit
Ein Miteinander sei gewünscht, eine nachhaltige Kundenbetreuung – so fasste Dr. Isabelle Redenius die Podiumsdiskussion mit Herstellern zur Nachhaltigkeit zusammen. Die Industrie sollte auf die Radiologen zugehen und sie auf Optionen etwa bei der Energieeinsparung aufmerksam machen, fügte die Fachärztin Radiologie beim Evidia MVZ Braunschweig und Sprecherin des Netzwerkes Nachhaltigkeit der DRG hinzu. An die MTR, an alle im Gesundheitswesen gerichtet unterstrich sie, Kleinvieh mache auch Mist: Ob das Ausschalten von Großgeräten durch MTR oder des Flurlichts durch die MFA – auch hierin stecke ein großer Impact. „Lasst uns mit Mythen aufräumen“, forderte sie auf: Auch Großgeräte dürften ausgeschaltet werden, und in den meisten Fällen rechne sich das in unter einer Stunde. Hersteller böten auch hierbei Gewährleistung.
Das Energieeinsparpotenzial in der Radiologie sei enorm, stellte auch Dr. Kerstin Jungnickel fest. Rund 3.000 CTs und 3.000 MRTs seien hierzulande in Betrieb. Allein das Ausschalten nachts oder in längeren Pausen bringe 20 bis 30 Prozent und so viele Tausend Euro an Einsparungen für jede Klinik, sagte die Medizinphysik-Expertin am Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie am Klinikum Magdeburg. Hersteller sollten Stand-by-Betrieb beziehungsweise einen Energiesparmodus anbieten; bei der Anschaffung sollte man nach diesen Funktionen fragen. Wie PD Dr. Tobias Heye vom Unispital Basel betonte – „ausschalten, ausschalten, ausschalten“. Ausgenommen sei hierbei nur die Notaufnahme. Mehr Informationen im Video: tinyurl.com/bdh92z9w.
Andreas G. Schreyer, Radiologe aus dem Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel, stellte die US-Kampagne „Choosing wisely“ vor, die im Jahr 2012 mit neun Fachgesellschaften gestartet war und die Überversorgung reduzieren sollte. Die Fachgesellschaften hatten die Aufgabe, Negativlisten zu erstellen und unnötige Untersuchungen auszuweisen. Doch nach zwei Jahren kannten rund 60 Prozent der Ärzteschaft die Kampagne noch nicht, weil die Kommunikation unübersichtlich und ohne klare Filterung war. In Deutschland gibt es die Initiative „Klug entscheiden“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) mit Negativ- und Positivlisten zur Unter- beziehungsweise Überversorgung, allerdings sind hier keine Radiologen beteiligt. Eine weitere Initiative „Gemeinsam klug entscheiden“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) ermittelte in einer Umfrage, dass Ärzte in 40 bis 50 Prozent unnötige Untersuchungen durchführten. Warum? Möglicherweise führt die Angst vor Behandlungsfehlern und Klagen sie dazu. Zusammenfassend sei „Choosing wisely“ prinzipiell eine smarte Sache im Sinne der Nachhaltigkeit, sagte Schreyer, die kluge gemeinsame Entscheidungen brauche. Häufig fehle die Evidenz, insbesondere bei Negativlisten. Er sieht hier eine hohe persönliche Verantwortung und die Fachgesellschaften in der Pflicht. Dr. Kerstin Westphalen, Chefärztin am Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie der DRK-Kliniken in Berlin-Köpenick, bekräftigte seine Aussagen: Alles müsse man nicht machen, die hohe Erwartungshaltung der Patienten stehe dem jedoch entgegen.
Die Radiologin Dr. Susanne Engelbrecht-Schnür referierte über die Ressourcennutzung von Kontrastmitteln. Sie adressierte die Bereiche „6) Wasser schützen“ und „14) Leben unter Wasser schützen“ aus den 17 Zielen der Nachhaltigkeitsagenda. Zur mittlerweile erreichten Halbzeit wurden die Ziele kaum eingehalten; Gründe seien Kriege, Coronapandemie et cetera. Sie stellte anschaulich dar, wie Gadolinium ins Trinkwasser gelangt, toxisch auf die Zellmembran von Wasserlebewesen wirkt und die Fotosynthese von Pflanzen stört, vor allem, wenn das Kontrastmittel in Ionenform vorliegt. Da es nicht von dreistufigen Kläranlagen zurückgehalten wird, empfahl sie einen vorsichtigen und schonenden Einsatz. So sollten Reste nicht ins Abwasser geschüttet, sondern gesammelt und fachgerecht entsorgt werden. Zudem gehöre Gadolinium zu den seltenen Erden laut Brundtland-Bericht, so Engelbrecht-Schnür, der die Erhaltung natürlicher Rohstoffe fordere. Daher sei ein Recycling angebracht und sinnvoll. Da durch den Urin der Patienten bereits zahlreiche Stoffe wie Jod, Medikamente und hormonähnliche Substanzen ins Trinkwasser ausgeschieden werden, sollten Kontrastmittel mit Bedacht eingesetzt werden. „Using wisely“ helfe auch hier, denn in etlichen Fällen könne eine gut durchgeführte Sonografie den Einsatz von CT und MRT ersetzen. Ferner sei die Aufrüstung der Kläranlagen eine Lösung.
MTR Florian Fuchs vom Universitätsklinikum Leipzig erläuterte das Dilemma zwischen Nachhaltigkeit und Hygiene. So plädierte er dafür, die Entscheidungsfindung umzustrukturieren, weil der CO2-Ausstoß und das Aufkommen von Plastikmüll im Gesundheitswesen enorm hoch seien. Ziel sei es, ein Gleichgewicht zwischen ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit zu finden. Weil ein hoher Hygienestandard in Krankenhäusern nötig sei, solle man gegebenenfalls alte Regelungen überdenken und neue verabschieden. Dazu müssten die Leitungsebenen mit den Hygienebeauftragten und Einkäufern ins Gespräch kommen, um gemeinsame Lösungen umzusetzen. In Leipzig wurden zahlreiche Projekte durchgeführt, unter anderem die Aufbereitung von Abdecktüchern, Kitteln und Gebrauchsgegenständen inklusive waschbaren personalisierten Hauben, Masken und sterilisierbare Beutel für das OP-Besteck.
Pädiatrische Radiologie
Der Kinderanteil an den gesamten CT-Untersuchungen liege bei etwa 1,5 Prozent, so Dr. Georg Stamm, Strahlenschutzexperte am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Universitätsmedizin Göttingen. Die Zahlen seien rückläufig. Laut Untersuchungen steige bei mehr als einer CT-Untersuchung das Risiko an, durch Strahlenexposition eine maligne Erkrankung zu erleiden. Untersuchungen ließen sich durch eine strenge Stellung der Indikation reduzieren; beim notwendigen CT-Einsatz lasse sich die Dosis optimieren. Können MTR hier einen Beitrag leisten? Sie müssen mit ins Boot, unterstrich Stamm; die gesamten Teams sollten Verantwortung übernehmen – Mediziner, MTR, Medizinphysiker und auch die Applikationsspezialisten der Gerätehersteller. Mehr Informationen im Video: tinyurl.com/cke32ps3.
Einen Erfahrungsbericht zur künstlichen Intelligenz in der Frakturdetektion bei Kindern lieferte Dr. Irmhild Altmann-Schneider vom Universitäts-Kinderspital Zürich. Vorteile für den KI-Einsatz seien die Vermeidung von Fehldiagnosen, Kosteneinsparungen und Unterstützung außerhalb der regulären Arbeitszeit, Nachteile: eine mögliche Überbehandlung, höhere Kosten und mehr Zuweisungen. Eine retrospektive Studie sollte die diagnostische Genauigkeit der Software BoneView untersuchen. In 52 Prozent der Fälle fand die KI die Fraktur, bei Elle und Speiche funktionierte die Suche deutlich besser, Biegungsfrakturen oder Gelenkergüsse wurden dagegen oft nicht erkannt. So lautete das Fazit der Oberärztin aus der Abteilung Bilddiagnostik: Insgesamt sei der Einsatz vielversprechend, geeignet etwa für Kinderärzte und Hausärzte, wenn man die Stärken und Schwächen kenne. Eine prospektive Studie läuft aktuell noch.
Forensik
Die CT bietet in der Forensik einen großen Wert, so der Tenor einer Sitzung der DRG-Arbeitsgruppe Forensisch-Radiologische Bildgebung. Anhand von Beispielen mit Projektilwegen wurde die Rolle bei der kausalen Rekonstruktion von Tathergängen gezeigt, wie die Potenziale bei der Darstellung etwa der Strukturen des ungeöffneten Gehirns bei länger zurückliegenden Taten.
Krankenhaus der Zukunft
In der Session „Wie stellen wir uns das Krankenhaus der Zukunft vor?“ gab es einen Bericht zur New-Work-Lage im deutschen Raum von PD Dr. Julian Luetkens aus Bonn; ferner wurden Wunschzettel für MTR durch Martin Küper aus Potsdam beziehungsweise für Radiologen durch Robert Rischen aus Münster vorgestellt. New Work beschreibt eine philosophisch-soziologisch geprägte Auseinandersetzung mit der Frage, wie Menschen sich in der Arbeit selbst verwirklichen und selbstbestimmt arbeiten können. Darunter befinden sich arbeitszeitbezogene, strukturelle und organisatorische Ansätze und das Thema Diversität. Eine Umfrage zur Weiterbildung und Arbeitszeitzufriedenheit in der Radiologie durch das DRG-Forum Junge Radiologie zeigte ein eher gleichlautendes Bild bei MTR und Ärzten: Die wöchentliche Arbeitszeit ohne Mehrarbeit betrage 38,3 Stunden, die wöchentlichen Überstunden lägen bei 5,6 Stunden, dokumentiert würden davon 3,5 Überstunden. Insgesamt gab es mehr zufriedene als unzufriedene Befragte. MTR seien durch Teilzeit weniger benachteiligt, weil sie sich anders weiterbilden könnten als Fachärzte.
Dr. Peter Gocke, Leiter der Stabsstelle Digitale Transformation in der Berliner Charité, erläuterte eine organisatorische Form von New Work: „Die Charité reorganisiert ihre IT-Abteilung und hat schon durch die Wahl des neuen Standortes – ein ehemaliges umgebautes Hotel – damit angefangen, umzugestalten und New-Work-Bedingungen zu konzipieren. So sitzen das IT-Fachpersonal und das Projektmanagement, auch aufgrund enger Zusammenarbeit, künftig fußläufig zur Charité in einem anderen Gebäude. So werden bei uns neue Formen der Arbeit ausprobiert.“
Fazit
In Transformation befindet sich die gesamte Medizin, oft ist die Radiologie ein Vorreiter aufgrund der weitreichend erfolgten Durchdringung mit KI-Lösungen insbesondere in der Diagnostik. Nachfragen bei MTR, die zum ersten Mal den Röntgenkongress besuchten, brachten ein positives Bild: Sie zeigten sich begeistert und wollen auf jeden Fall wieder kommen. Das Programm empfanden sie als „interessant und vielfältig, wir haben auch in Ärztethemen und andere Sessions reingeschaut, so etwas hilft für unseren Alltag. Wir hätten uns gern noch mehr MTR-Programm gewünscht … und eine umfangreichere Kommunikation im Vorfeld“. So haben sie beispielsweise nicht gewusst, dass man sich für Workshops vorher anmelden musste und diese nicht spontan besuchen konnte. So heißt es: den Termin für 2025 bereits jetzt vormerken und frühzeitig um beliebte Sessions und Workshops kümmern! Vom 28.–30. Mai 2025 ist der Kongress vor Ort erneut in Wiesbaden geplant.
Entnommen aus MT im Dialog 7/2024
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