Phasenkontrastmikroskopie und Zernike-Polynome
Mithilfe der Lichtmikroskopie (Hellfeldmikroskopie) bringt man etwa Bakterien zur Darstellung. Lebende Bakterien sind allerdings wenig kontrastreich und bei 1.000-facher Vergrößerung, der Leistungsgrenze eines Lichtmikroskops, auch in ausreichender Zahl von 104–105 Keimen pro Milliliter nicht gut sichtbar. Eine Möglichkeit, Bakterien im Hellfeld zu erkennen, ist ihre Färbung. Dabei werden sie abgetötet, in dünner Schicht auf einem Objektträger aufgebracht, luftgetrocknet und fixiert. Man unterscheidet Einfachfärbungen, etwa mit Methylenblau, und Differenzialfärbungen, etwa nach Gram oder Ziehl-Neelsen. Doch man kann die Erkennbarkeit von Mikroorganismen auch mit optischen Methoden verbessern. Hierzu zählen die Dunkelfeld- und die Phasenkontrastmikroskopie. Das Prinzip der ersteren beruht darauf, dass Objekte Licht nicht nur absorbieren, sondern einen Teil des Lichtstrahls ablenken. Wenn man die Beleuchtung so einstellt, dass die direkten Lichtstrahlen am Objektiv des Mikroskops vorbeigehen, sieht der Betrachter nur das abgelenkte Licht und die Strukturen, die man beobachten will, heben sich vor einem dunklen Hintergrund hell ab. Damit werden lebende, durchsichtige und kontrastarme Objekte ohne Färbung gut sichtbar. Dunkelfeldmikroskopie ist demnach geeignet für im Wasser lebende Kleinstorganismen, Bakterien, Hefen, Zellen in Gewebekulturen und Protozoen. Auch Mineralien, chemische Kristalle und Kolloidpartikel kann man damit gut erkennen. Bei der Phasenkontrastmikroskopie nutzt man den Umstand, dass sich nicht nur die Amplitude, sondern auch die Phase von Lichtwellen beim Durchtritt durch ein Medium verändert, und zwar abhängig von dessen Lichtbrechungsindex. Der niederländische Physiker Frits Zernike entwickelte das Verfahren Anfang der 1930er-Jahre. Wie die Dunkelfeldmikroskopie ermöglicht es, Strukturen mit nur geringem Eigenkontrast ohne Färbung darzustellen, und hat sich in vielen Wissenschaften, vor allem in der Medizin, als sehr nützlich erwiesen.
Frühes Interesse für Naturwissenschaften
Zernike wurde 1888 als Zweiter von sechs Geschwistern in Amsterdam geboren. Sein Großvater stammte aus Mehrow östlich von Berlin und ließ sich in Amsterdam nieder, beide Eltern waren Mathematiklehrende. Früh interessierte Zernike sich für Naturwissenschaften. Zunächst studierte er in Amsterdam Chemie, Mathematik und Physik, 1913 wurde er Assistent von Jacobus Kapteyn an der Universität Groningen. Kapteyn war Astronom, beschäftigte sich mit der Eigenbewegung von Sternen und entdeckte die Rotation der Milchstraße, die zwei Astronomen bereits vorausgesagt hatten. Zernike promovierte 1915 über „Kritische Opaleszenz“. Opaleszenz meint die Farbigkeit mancher Stoffe, die durch Streuung und eventuell Interferenz des Lichts an kleinen Partikeln in dem Stoff hervorgerufen wird. Meistens verwendet man den Begriff, um eine besondere Trübung in sogenannten Kolloiddispersionen (Teilchen oder Tröpfchen mit einer Größe zwischen einem Nanometer und einem Mikrometer) zu beschreiben. Die Partikel in dem Stoff sind kleiner als die Wellenlänge des Lichts, daher erfolgt die Streuung abhängig von der Wellenlänge. Kurzwelliges, höherfrequentes Licht wird stärker gestreut und erscheint blau, etwa das Blau des Himmels während des Tages. Längerwelliges Licht mit niedrigerer Frequenz wird weniger stark gestreut und erscheint rot, etwa die rötliche Sonne während der Dämmerung. Wenn eine Stoffmischung aus zwei koexistierenden fluiden Phasen besteht, zum Beispiel flüssig und gasförmig, tritt am sogenannten „kritischen Punkt“ durch Fluktuationen der Dichte „kritische Opaleszenz“ auf. Das heißt, dass Teile der Stoffmischung ständig zwischen flüssigem und gasförmigem Aggregatzustand hin und her wechseln.
Geschichte der Mikroskopie
Die Geschichte der Mikroskopie beginnt in der Antike. Zuvor im Zweistromland gefundene plankonvex geschliffene Bergkristallstücke dienten wohl eher als Schmuck und Brenngläser und nicht als Vergrößerungshilfe. Diese Nutzung beschrieb der römische Staatsmann und Philosoph Lucius Seneca. Er beobachtete, dass Buchstaben vergrößert erscheinen, wenn eine mit Wasser gefüllte Glaskugel über sie gehalten wird. Der persisch-arabische Gelehrte Alhazen (965–1039) entdeckte die Bedeutung von gewölbten Glasoberflächen für Lichtbrechung und Vergrößerung. Der englische Naturphilosoph Roger Bacon (circa 1214–1292) schliff erstmals ovale Linsen und verwendete sie als Sehhilfe. Der italienische Arzt und Naturforscher Girolamo Fracastoro (1478–1553) schaltete Linsen hintereinander und konnte kleine Objekte bis zur zweifachen Vergrößerung darstellen. Das 17. Jahrhundert, verbunden mit Namen wie Galileo Galilei, Johannes Kepler, Athanasius Kircher und Robert Hooke, brachte entscheidende Neuerungen. Hooke war auch Sekretär der Royal Society und förderte den holländischen Amateur Antoni van Leeuwenhoek (1632–1723), der als Pionier der Mikroskopie gilt. Mit einem selbst gebauten Mikroskop untersuchte er das Leben im Wassertropfen und sah dort Bakterien, die er „Animalcules“ (Tierchen) nannte. 1683 beschrieb er die verschiedenen Mikroorganismen im Zahnbelag. Ende des 19. Jahrhunderts begründeten Ernst Abbe, Carl Zeiss und Otto Schott die moderne Optik. Abbe erkannte, dass der kleinste Abstand, den man mit dem Mikroskop auflösen kann, von der Beugung des Lichts abhängt, entwickelte seine Theorie der Bildentstehung im Mikroskop und berechnete das mit dem Mikroskop maximal erreichbare Auflösungsvermögen. Die nach ihm benannte Zahl charakterisiert die Dispersionseigenschaften von optischen Gläsern. Als Dispersion bezeichnet man die Zerlegung von Licht in seine Spektralfarben, wenn es auf Glas trifft. Beim Mikroskopieren resultieren daraus störende Farbsäume. Otto Schott entwickelte Borosilikatglas, das die Qualität von optischen Gläsern erheblich verbesserte. Abbe baute einen Beleuchtungsapparat für Mikroskope (Abbescher Kondensor) und weitere optische Geräte. Seine Theorie des Mikroskops war so vollständig, dass erst Zernike eine substanzielle Neuerung gelang.
Neben der Färbung kann man den Kontrast erhöhen, indem man die Irisblende des Beleuchtungsapparats verengt. Der Nachteil: Die Bildauflösung wird deutlich kleiner. Auch mit anderen optischen Strategien lässt sich der Kontrast erhöhen. Die einfacheren unter ihnen (Schrägbeleuchtung, Dunkelfeld) sind dem Phasenkontrastverfahren jedoch hinsichtlich Empfindlichkeit und Deutlichkeit unterlegen. Die besseren, etwa interferometrische Methoden, sind umständlich und kostspielig (H. Wolter). Man unterscheidet sogenannte Amplituden- und Phasenobjekte. Bei Ersteren erscheinen Objektteile einer Probe, die sich in ihrer Lichtabsorption unterscheiden, im Bild gut sichtbar. Bei Phasenobjekten unterscheiden sich die Objektteile in ihrem Lichtbrechungsindex. Nahezu alle biologischen Proben sind Phasenobjekte. Das Phasenkontrastverfahren ist also „ein optisches Verfahren zur verdeutlichten Abbildung nicht absorbierender Objekte; es macht kleine Brechungsindexdifferenzen zwischen zwei Gegenständen oder zwei Stoffen sehr deutlich sichtbar, insbesondere auch bei kleinsten Mengen (...)“ (H. Wolter). Das Auflösungsvermögen wird dabei kaum verringert.
Erste Phasenkontrastmikroskope ab 1941
Der Begriff „Phase“ hat in der Physik verschiedene Bedeutungen. Im Wort „Phasenkontrastverfahren“ steckt der Phasenbegriff im Zusammenhang mit einer Schwingung. Doch auch Phasenänderungen im thermodynamischen Sinn, etwa Niederschlagsbildung, Tröpfchen- oder Blasenbildung, sind vor allem mit Änderungen des Lichtbrechungsindex verbunden. Hier und bei der Untersuchung etwa der Feinstruktur von kolloidalen Lösungen, Gelen und Faserstoffen bietet ein Verfahren Vorteile, das Brechungsindexdifferenzen empfindlich anzeigt. Zudem lassen sich viele Vorgänge, die keine Phasenänderungen im thermodynamischen Sinne zur Folge haben, etwa Konzentrationsänderungen, optisch oft nur aufgrund der Brechungsindexänderungen verfolgen. In seiner Nobelpreisrede berichtete Zernike von seiner Entdeckung: „‚Phasenkontrast‘ wurde nicht bei der Arbeit am Mikroskop entdeckt, sondern bei der Beschäftigung mit einem anderen Gebiet der Optik. (…) Etwa 1930 hatte unser Labor ein großes Konkavgitter erhalten und in einer Runge-Paschen-Aufstellung (verbreitete Spektrometeraufstellung bei Polychromatoren, Anm. d. Verf.) montiert. Bald sah man die Streifen auf der Oberfläche. In einer Entfernung von sechs Metern richtete ich nun ein kleines Teleskop auf das Gitter. Da geschah das Unerwartete. Die Streifen waren klar sichtbar, aber sie verschwanden, wenn ich das Teleskop exakt auf die Oberfläche des Gitters richtete! Mit weiteren Experimenten und Berechnungen konnte ich das Phänomen bald erklären. Im Rückblick bin ich beeindruckt, wie beschränkt der menschliche Geist doch ist. Wie schnell lernen wir, nachzumachen, was andere zuvor getan oder gedacht haben. Und wie langsam verstehen wir die tieferen Zusammenhänge. Am langsamsten sind wir darin, neue Zusammenhänge zu entdecken oder alte Ideen auf ein neues Gebiet anzuwenden. In meinem Fall war wirklich neu, dass die ‚Geister‘ sich hinsichtlich ihrer Phase vom Hauptlichtstrahl unterschieden. (…) Der vollständige Name des neuen Verfahrens müsste etwa lauten: ‚Phasen-Streifen-Methode zur Beobachtung von Phasenobjekten in gutem Kontrast‘. Ich habe das zu Phasen-Kontrast-Verfahren verkürzt.“ „Gitter“- oder „Rowland-Geister“ sind bei Spektrografen unerwünschte Beugungsmaxima, die aufgrund periodischer Abweichungen der Furchenform des Beugungsgitters von der Idealen entstehen. Sie liegen nahe den Spektrallinien. Die von Zernike beschriebenen Streifen werden nach H. S. Allen (1902) durch Interferenz zwischen dem Hauptlichtstrahl und seinen „Geistern“ verursacht. 1932 ging Zernike zu Zeiss in Jena, um seine Entdeckung vorzuführen: „Sie wurde nicht so begeistert aufgenommen, wie ich erwartet hatte. Am schlimmsten von allen war einer der ältesten Wissenschaftler, er sagte: ‚Wenn das irgendeinen praktischen Nutzen hätte, hätten wir es längst selbst erfunden.‘ Längst, in der Tat! Alle großen Errungenschaften auf dem Gebiet der (…) Mikroskopie stammten von ihrem berühmten Chef Ernst Abbe und datierten auf die Zeit vor 1890.“ Schließlich fand Zeiss doch Gefallen an der neuen Methode und stellte ab 1941 die ersten Phasenkontrastmikroskope her. Die nach ihm benannten Zernike-Polynome sind orthogonale Funktionen, die vor allem in der Wellenoptik eine Rolle spielen. Man nutzt sie, um Abbildungsfehler, das heißt Abweichungen von der idealen Abbildung durch ein optisches System, quantitativ zu erfassen, etwa in der Optometrie und Augenheilkunde. Zernike lehrte in Groningen mathematische Physik, von 1920 bis zu seiner Emeritierung 1958 war er dort Professor. Er starb 1966 im Krankenhaus in Amersfoort.
LITERATUR (Auswahl)
1. Eberhard M: Die Geschichte der Mikroskopie unter besonderer Berücksichtigung der Entdeckungen des Antoni van Leeuwenhoek als Vorreiter der modernen mikrobiologischen Parodontologie. Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2024.
2. Wolter H: Das Phasenkontrastverfahren und seine Anwendbarkeit auf chemische Untersuchungen. In: Fischer FG, et al. (Hrsg.): Fortschritte der chemischen Forschung. Berlin: Springer 1954.
3. Zernike F: Beugungstheorie des Schneidenverfahrens und seiner verbesserten Form, der Phasenkontrastmethode. Physica 1 (1934): 689–704.
4. Zernike F: How I discovered phase contrast. Nobel Lecture, December 11, 1953. Online, letzter Zugriff am: 11.12.2024.
Entnommen aus MT im Dialog 2/2025
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