Paul Langerhans (1847–1888)

Entdecker der Langerhans’schen Inseln und Langerhans-Zellen
Heike Schwardt-Conradt
Titelbild des Beitrags zu Leben und Werk von Paul Langerhans
Die Langerhans Familie: Paul Langerhans mit seinem Vater Paul senior und seinen Stiefbrüdern Robert (links) und Richard (rechts). © Copy photograph, ca. 1960 (?) after the original photograph, 1884, Wellcome Collection, Public Domain
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Paul Langerhans hat der Nachwelt berühmte Entdeckungen sowie eine bekannte Abhandlung hinterlassen. Zum einen war er der Entdecker der Langerhans’schen Inseln und Langerhans-Zellen, deren Bedeutungen jedoch erst nach seinem Tod erkannt wurden. Ebenso war sein Werk „Handbuch für Madeira“ ein durchschlagender Erfolg. Dieses Werk ist der erste Reiseführer über Madeira, und wird von vielen heutigen Reiseführern gerne als Quelle genutzt.

Da die Bedeutung seiner Entdeckungen erst nach seinem Tod klar wurde, hat Langerhans nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die andere Mediziner bereits zu Lebzeiten erfahren durften. Dies kann darüber hinaus dazu beigetragen haben, dass es nicht viele Quellen über Paul Langerhans gibt und sein Lebenslauf Lücken aufweist. Viele Daten sind außerdem im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 verloren gegangen.

Paul Wilhelm Heinrich Langerhans erblickte am 25. Juli 1847 das Licht der Welt. Er wurde in eine gut gestellte und in Berlin sehr bekannte Familie geboren. Er hatte unter anderem Stadträte als Taufzeugen. Langerhans trat in die Fußstapfen seines Vaters, der ebenso ein angesehener Mediziner gewesen ist. Den frühen Tod seiner Mutter Anna, die mit 29 Jahren an Tuberkulose gestorben war, musste er im Alter von nur sieben Jahren zusammen mit seinen beiden jüngeren Schwestern verkraften. Der Vater litt sehr unter dem Tod der Mutter. Im Jahre 1865 schrieb Langerhans in seinem Lebenslauf, dass der Verlust seiner Mutter durch die erneute Heirat seines Vaters vollständig kompensiert worden war. Paul wurde von seiner Stiefmutter Louise Sophie Clara Komitsch großgezogen, und es wurden noch zwei weitere Halbbrüder geboren.

Langerhans hatte ein sehr enges Verhältnis zu seiner Großmutter Auguste Keibel. Es tauchen immer wieder, teilweise sehr persönliche, Briefe an sie auf. Er berichtete ihr über seine Lebensabschnitte und seine Erlebnisse auf seinen Reisen. Die Beziehung zu seiner Großmutter wird als besonders herzlich überliefert. Vermutlich begann 1853 Pauls Schulunterricht. 1856 erhielt er zwei Privatlehrer, die ihn auf das Gymnasium „Zum Grauen Kloster“ vorbereiten sollten, das schon sein Vater besucht hatte. Später würden auch seine beiden Halbbrüder dieses Gymnasium besuchen. Ab dem Jahr 1858 fiel er dort mit besonders guten Leistungen auf. 1860 wurde Langerhans erstmalig zum besten Schüler seiner Altersklasse. Er erhielt hierfür einen Buchpreis. Bei der Versetzung in die Obertertia wurde Paul zum ersten Mal Klassenprimus.

Das Gymnasium „Zum Grauen Kloster“ wurde im Jahre 1574 von Kurfürst Johann Georg gestiftet. Ursprünglich handelte es sich um ein Franziskanerkloster, das sich schnell zu einer „Latein“- und „Gelehrten“-Schule entwickelte. Viele weitere Verwandte Langerhans’ absolvierten an dieser renommierten Schule ihre Examina.

Schon im Alter von 14 Jahren stand fest, dass Paul ein Studium der Medizin anstreben würde. Am 11. April 1865 bestand er sein Abitur. Aufgrund seiner hervorragenden Leistungen wurde er sogar vom mündlichen Teil der Abiturprüfung befreit.

Von 1865 bis 1870 studierte er in Jena und Berlin. Er verfasste als stud. med. 1868 seine erste wissenschaftliche Arbeit. Dabei beschrieb er bis dato unbekannte Zellen in der Haut (Langerhans-Zellen). Über ein Jahrhundert gaben sie Rätsel auf. Es handelt sich um Antigen-präsentierende Zellen der Haut. Das Studium der Medizin verlief für Paul völlig problemlos. Im Laufe seines Studiums entwickelte er eigenständig ein besonderes Interesse für den Pankreas. In den Semesterferien widmete sich Paul Langerhans seiner zweiten Leidenschaft – dem Reisen. Er reiste unter anderem nach Thüringen und Meran und wurde dabei finanziell von seiner Großmutter unterstützt oder sogar von ihr begleitet.

 

Die Langerhans’schen Inseln

1868/69 machte Paul Langerhans eine weitere für die Medizin bedeutende Entdeckung: die nach ihm benannten Langerhans’schen Inseln. Diese große Entdeckung gelang ihm noch als Student in seiner Dissertation. Rudolf Virchow überließ ihm das Thema „Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der Bauchspeicheldrüse“. Im Jahre 1869 schloss er sein Studium mit „cum laude“ ab. Eigentlich hätte er sich jetzt eine Auszeit mit Reisen gönnen können. Stattdessen arbeitete er im pathologischen Institut.

Das Pankreas besteht aus einer Ansammlung von unterschiedlichen Zelltypen, die inselförmig angeordnet sind. Später bekamen diese Zellen den Namen „Langerhans’sche Inseln“. Diese Ansammlung besteht aus circa 2.000 bis 3.000 Zellen und sie machen etwa zwei bis drei Prozent der Gesamtmasse des Pankreas aus. Man unterscheidet zwischen vier endokrinen Inselzelltypen:

  • B-Zellen: Bildung von Insulin

  • A-Zellen: Bildung von Glucagon

  • D-Zellen: Bildung von Somatostatin, das wiederum die Sekretion von Insulin und Glucagon hemmt

  • PP-Zellen: Bildung von Pankreas Peptid, ein Hormon des Magen-Darm-Trakts, das die Enzym- und Hydrogencarbonatproduktion des Pankreas und somit die Beweglichkeit des Darms und des Gallenflusses reguliert.

Die Zellen tragen vermutlich den Beinamen „Inseln“, weil einerseits diese Ansammlungen inselförmig sind und andererseits sein Entdecker Paul Langerhans längere Zeit auf Inseln gelebt hatte. In der Literatur kommt es hin und wieder mal zu Verwechslungen mit Theodor Langhans (1839–1915), der die „Langerhans’sche Zellen“ entdeckt haben soll (er hat jedoch die „Riesenzellen“ mit wandständigen Kernen in den Tuberkeln entdeckt). Zum Zeitpunkt seiner Entdeckung der später als „Langerhans’schen Inseln“ bezeichneten Zellen rechnete Paul Langerhans nicht damit, dass seine entdeckten Zellen erst sehr viel später zu einem wichtigen Teil der Diabetesforschung werden sollten. Das Staatsexamen legte er 1870 ab. Im Deutsch-Französischen Krieg (19. Juli 1870–10. Mai 1871) diente Paul Langerhans dann als Feldarzt. Nach der Militärzeit arbeitete er als pathologischer Assistent in Leipzig und danach als Prosektor in Freiburg. Dort habilitierte er sich 1871 für Pathologische Anatomie.

Begeisterung für Zoologie und Botanik

Paul Langerhans hatte ebenfalls großes Interesse an der Zoologie und Botanik. Die Natur übte auf ihn eine große Faszination aus. Er fertigte Aquarelle von den Landschaften an, die er bereiste. Es folgten erneut eine Anzahl von Reisen – unter anderem nach Kairo. Dort widmete er sich in einigen Studien der Lepra. Mittels Obduktionen erhoffte er sich, Näheres über diese Erkrankung herauszufinden. Langerhans hielt schließlich die Armut, verdorbene Lebensmittel und schlimme Lebensumstände für die Ursache der Erkrankung.

Nachdem er im Mai 1871 nach Berlin zurückgekehrt war, wollte er eigentlich wieder an der Berliner Universität praktizieren. Dies wurde ihm allerdings verwehrt. Der Grund ist nicht bekannt. Stattdessen begab er sich mit einem befreundeten Kollegen, Karl Kupffer (Professor für Anatomie und Histologie), auf eine Reise, diesmal nach Norwegen. Dort entdeckten sie die Ascidia intestinals, die auch Seescheiden oder Manteltiere genannt werden. Diese erforschten sie gemeinsam.

Nach der Rückkehr aus Norwegen arbeitete er einige Zeit als Privatdozent in Freiburg. Im Frühjahr 1872 reiste Paul nach Capri, um dort die „Meeresbiester“ zu erforschen. Mit einem befreundeten Kollegen setzte er bei einem Thema an, das ihn bereits im Studium gefesselt hatte, nämlich die Nerven in der Haut bei Menschen und Tieren. Zum Beginn des Sommersemesters 1872 unterrichtete er als Privatdozent in Freiburg in drei Fächern:

  • Vergleichende Anatomie

  • Histologie

  • Osteologie und Syndesmologie (die Lehre der Bänder)

Im Herbst reiste Paul nach Schweden und Norwegen. Dort traf er auf Friedrich Siegmund Merkel, der ihm einen Lehrstuhl in Rostock anbot. Im Wintersemester unterrichtete Paul somit in Rostock in den Fächern Osteologie und Syndesmologie sowie Secirübungen.

Diagnose Lungentuberkulose

Im Frühjahr 1873 kehrte er wieder zurück nach Freiburg und widmete sich neben den Vorlesungen seinem Studium der „Architectur der Knochen“. Im Juli – kurz nach seinem 27. Geburtstag – wurde er zum „außerordentlicher Professor“ ernannt. Der September 1874 war ein Tiefpunkt in Langerhans’ Leben. Sein Freund Notnagel diagnostizierte bei ihm eine Lungentuberkulose. Unter Fieberschüben und Blutspucken litt er schon länger, er wollte diese Symptome jedoch nicht wahrhaben, da seine Mutter an dieser Erkrankung in jungen Jahren verstorben war. Paul war sehr besorgt. Zusammen mit seinen Freunden überlegte er, wo er die kälteren Monate verbringen und sich gleichzeitig auskurieren könnte. An der Universität ließ er sich zunächst für ein Semester beurlauben, wobei er seine Krankheit verschwieg. Er reiste nach Capri und konnte aufgrund immer wiederkehrender Fieberschübe nicht arbeiten. Lange ließ sich die Krankheit jedoch nicht verschweigen, da die Nachricht über seine schwere Erkrankung auch Berlin erreichte. Als er relativ stabil war, reiste er von Capri nach Neapel, um dort zu überwintern und hoffentlich zu genesen. Dort entschied er, in Rücksprache mit seinen Freunden, weiter nach Madeira zu ziehen. Er stellte einen erneuten Antrag zur Beurlaubung an der Universität.

Reise nach Madeira

Es kam zu einem vorerst letzten Treffen mit der Familie – vermutlich am 4. Oktober 1875. Die Reise nach Madeira war zu dieser Zeit ohnehin schon sehr beschwerlich und der Gesundheitszustand von Langerhans war sehr schlecht, was die Reise zusätzlich erschwerte. Der Aufenthalt auf der Insel wurde, wie all seine Reisen, von seiner großzügigen Großmutter unterstützt. Im Januar 1877 zog Paul in die „Quinta Palmone“. Am 28. Oktober 1877 starb seine Großmutter, seine engste Vertraute innerhalb der Familie und Financier seiner Reisen. Ihr Tod traf ihn schwer. Im Dezember ging es ihm gesundheitlich besser. Sein Zustand war stabil. Während seines kompletten Aufenthaltes auf Madeira, der über 30 Monate andauerte, erforschte er die Insel. Er studierte die Flora und Fauna der wunderschönen Landschaft und fertigte eine Vielzahl von Zeichnungen und Schriftstücken an.

Im Mai 1878 trieb ihn die Sehnsucht nach Deutschland. Dort durchlebte er einen gesundheitlichen Rückschlag. Er beschloss, Deutschland den Rücken zu kehren. An der Universität beendete er seine Tätigkeit. Er reiste im Januar 1879 zunächst nach Teneriffa, um dort seine Entdeckungen auf Madeira zu ergänzen. Im Juli desselben Jahres traf er wieder auf Madeira ein. Auf der Insel stabilisierte sich sein Gesundheitszustand und er konnte eine Praxis als praktischer Arzt eröffnen und somit seinen Lebensunterhalt verdienen. In der Freizeit verbrachte er viel Zeit mit dem Studium über „seine“ Insel.

Im Oktober besuchte ihn Alfred Ebart, ein Freund der Familie Langerhans, der ebenfalls lungenkrank war. Er begab sich bei Paul Langerhans in Behandlung und erhoffte sich eine Genesung oder zumindest eine Verbesserung seines Zustandes. Alfreds Lungenerkrankung schritt jedoch weiter fort, er starb im April 1883. Seine Frau Margarethe und die sechsjährige Tochter Frieda kehrten nach Deutschland zurück. Bevor Margarethe nach Hause reiste, gab sie Paul Langerhans jedoch ein wichtiges Versprechen: Nach Beendigung der Trauerzeit sollten Paul und Margarethe – die Witwe seines Freundes – heiraten. Paul Langerhans blieb alleine in Funchal. Im Mai 1884 begannen die Vorbereitungen für die Hochzeit.

Am 13. Juni 1885 heirateten Paul und Margarethe in der „Neuen Kirche“ in der Lindenstraße in Berlin. Pauls Familie, enge Freunde und Vertraute waren anwesend. An der anschließenden Hochzeitsreise nahm die kleine Frieda ebenfalls teil. Im September kehrten die drei als Familie zurück nach Funchal. Die Praxisräume wurden verlegt in die „Rua dos Nettos“. Die glückliche Ehe blieb kinderlos – aus Vernunft und Angst, seine zukünftigen Kinder könnten ebenfalls an Tuberkulose erkranken.

Im Jahre 1885 erschien sein Werk „Handbuch für Madeira“. Es beinhaltete Ergebnisse seiner jahrelangen Erforschung der Insel, wie Flora und Fauna, Hotels und Unterbringung, Krankenversorgung oder Landwirtschaft. Die glückliche Zeit der kleinen Familie dauerte leider nicht allzu lange. Bereits an Weihnachten 1886 ging es Paul sehr schlecht. Im Mai 1887 reiste die Familie gemeinsam zu ihren Verwandten und Freunden nach Deutschland. Im Herbst 1887 kehrten Paul, Margarethe und Frieda wieder nach Funchal zurück. Am 20. Juli 1888 starb Paul Langerhans, fünf Tage vor seinem 41. Geburtstag. Sein Grab hatte Paul schon einige Zeit vorher ausgesucht. Sein Tod traf nicht nur Margarethe, Frieda und seine Familie schwer, sondern auch die Inselbewohner. Vom Tod des berühmten Paul Langerhans wurde in portugiesischer und englischer Sprache berichtet.


Literatur

1. Hausen BM: Die Inseln des Paul Langerhans. Eine Biographie in Bildern und Dokumenten. Ueberreuter Wissenschaft 1988.

2. Psyschrembel, klinisches Wörterbuch, 258 Auflage.

3. Patientenleitlinie: Bauchspeicheldrüse. www.krebshilfe.de/infomaterial/Patientenleitlinien/Bauchspeicheldruesenkrebs_Patientenleitlinie_DeutscheKrebshilfe.pdf.

4. Wikipedia: Langerhans-Inseln. de.wikipedia.org/wiki/Langerhans-Inseln.

5. TKT: Die Historie: Der Hauptmann von Köpenick. tkt-berlin.de/kultur/der-hauptmann-von-koepenick/.

6. Wikipedia: Paul Langerhans (Mediziner, 1847). de.wikipedia.org/wiki/Paul_Langerhans_(Mediziner,_1847).

7. Meyer B: Hoffnung der Diabetiker, Opfer der Tuberkulose. Edition Luisenstadt, 1997.

8. Koehler U, Conradt R, Hildebrandt W: Langhans’sche oder Langerhans’sche Zellen? – Das Problem des Eponyms. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147 (24/25): 1590–5, DOI: 10.1055/a-1884–7518.


Entnommen aus MT im Dialog 5/2023

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