„Pap-Test“ zur Früherkennung des Zervixkarzinoms
Dabei entfallen 90 Prozent der Todesfälle auf Länder mit geringem Einkommen. In Deutschland rangiert der Gebärmutterhalskrebs an achter Stelle der Krebserkrankungen bei Frauen und nach dem Endometriumkarzinom an zweiter Stelle der weiblichen Genitalkarzinome. Noch Anfang der 1970er-Jahre war das Zervixkarzinom unter den weiblichen Genitalkarzinomen das häufigste, mehr als 4.000 Frauen starben jährlich daran. Heute verzeichnet die Statistik weniger als 2.000 Sterbefälle pro Jahr und einen Rückgang der Inzidenz um bis zu 70 Prozent, der in den letzten Jahren nahezu konstant blieb. Ein spektakuläres Ergebnis, das dem zytologischen Screening mit dem Pap-Test zu danken ist – der griechische Pathologe George Papanicolaou hat das Verfahren 1928 auf einem Kongress erstmals seinen Kollegen vorgestellt und publiziert. Bis heute gilt der Pap-Test als erfolgreichste Krebsfrüherkennungsuntersuchung und hat vielen Frauen das Leben gerettet. Sein Erfinder wurde fünfmal für den Nobelpreis nominiert, doch er ging jedes Mal leer aus. Wie kam er auf seine Methode?
Forschung in den USA
George Nicholas Papanicolaou wurde 1883 in Kymi auf der Insel Euböa geboren. Sein Vater war Arzt. Nach der Schule ging er nach Athen und schloss mit nur 21 Jahren sein Medizinstudium ab. Anschließend studierte er in Deutschland Biologie und wurde 1910 an der Münchener Universität promoviert. Zurück in Athen heiratete er die Laborantin Andromachi „Mary“ Mavrogeni, die er seit seiner Kindheit kannte. Mary war für ihn alles in einer Person – Köchin, Laborassistentin, Versuchsperson, Beraterin und Sekretärin. Die Ehe blieb kinderlos, das Paar widmete sich ganz der Arbeit und soll deshalb auf Kinder verzichtet haben. Weil die beiden in den USA die besten Bedingungen für wissenschaftliche Arbeit vorzufinden hofften, zogen sie 1913 nach New York. George arbeitete zunächst als Teppichverkäufer und Journalist und hatte dann eine Stelle als Pathologe im New York Hospital. Ab 1916 forschte er an der Cornell University in New York.
Papanicolaous zytologisches Werk ist weithin bekannt. Weniger bekannt ist jedoch, dass seiner Entdeckung Studien über den Sexualzyklus von Mensch und Tier vorausgingen. Bereits 1917 erschien im „American Journal of Anatomy“ eine Arbeit von Papanicolaou und Charles Stockard, die dann als wesentlicher Beitrag zur Anatomie und Physiologie der Fortpflanzung galt. Heute scheint klar, dass Papanicolaou diese Arbeit allein durchführte. Stockard stellte ihm als Chairman am Cornell Medical College lediglich die Mittel für seine Forschung zur Verfügung. Auf Wunsch Papanicolaous verzichtete Stockard ab 1922 bei Veröffentlichungen auf die Nennung seines Namens, förderte Papanicolaous Arbeit aber weiterhin.
Nutzung des Abstrichs
Zunächst beschäftigte sich Papanicolaou mit der Geschlechtsbestimmung und den Chromosomen bei Meerschweinchen. Diese erforderten schließlich eine Methode, mit der sich bei den weiblichen Tieren möglichst einfach der Zeitpunkt der Ovulation bestimmen ließ. Dazu fertigte er regelmäßige Abstriche aus der Vagina an, untersuchte sie zytologisch und konnte so einen Zyklus des desquamierten (= abgestoßenen) vaginalen Epithels nachweisen. Den Zeitpunkt der Ovulation bestimmte er mittels der Vaginalabstriche. Andere Forscher griffen sein Verfahren auf und kamen bei Ratten und Mäusen zu ähnlichen Resultaten.
Wie verhielt es sich aber mit menschlichem Vaginalepithel? Verändert es sich ebenfalls während des Zyklus? Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte Albert Döderlein abgestoßenes Vaginalepithel beobachtet. Fritz Lehmann veröffentlichte 1921 „Zur Frage der diagnostischen Verwertbarkeit des Scheidenabstrichs, ein Beitrag zum Mikrobismus der Scheide“. Sie wurden danach häufig zitiert, auch von Papanicolaou. Doch diese und andere Arbeiten, etwa von Hans Thaler 1925, beschrieben die morphologische Beschaffenheit der Epithelzellen vor allem unter bakteriologischem Aspekt, das heißt als Substrat für eine mögliche Entzündung. Der Gedanke eines vaginalen Zyklus fehlte ihnen (H. Simmer). Papanicolaou interessierte sich dagegen nicht für die Aufklärung entzündlicher Prozesse, sondern für die unterschiedlichen Funktionszustände der Vagina. 1925 wies er in einer kurzen Notiz darauf hin, wie man den vaginalen Abstrich nutzen konnte, um früh eine Schwangerschaft festzustellen.
Unterdessen erschienen erste Arbeiten zu zyklischen Veränderungen der menschlichen Vaginalschleimhaut, den Anfang machte der Anatom Hermann Stieve. Er beschrieb hinsichtlich des Vaginalepithels bei nicht schwangeren Frauen erhebliche individuelle Schwankungen. Ein gewisser Zyklus existiere wohl, aber im Vergleich mit Nagern ließen sich „keine auch nur einigermaßen ähnliche Vorgänge feststellen“. Er schrieb: „Der immer wieder erwähnte Ausspruch Eppingers, ‚die Scheide sei das variabelste Organ des ganzen Körpers‘, ist nur zu richtig und mahnt uns bei allen solchen Feststellungen zur Vorsicht.“ (1925) Klaas Dierks, Mitarbeiter am Freiburger Pathologischen Institut, fiel zwei Jahre später angesichts des gesicherten Vaginalzyklus bei Tieren auf, „dass die Frage nach der Existenz periodischer Wandlungen im Bau der menschlichen Vaginalschleimhaut während des mensuellen [sic!] Zyklus bisher unbeantwortet blieb“. Wo Stieve lediglich prämenstruell eine stärkere Durchblutung und eine größere Dicke der Vaginalschleimhaut festgestellt hatte, fand Dierks nun während des Zyklus regelmäßig wiederkehrende Auf- und Abbauvorgänge. Luigi Puccioni kam im selben Jahr in Florenz unabhängig von Dierks zu den gleichen Schlussfolgerungen.
Diskussionen über den Zyklus
In den folgenden Jahren untersuchten viele Gynäkologen das Vaginalepithel histologisch. Sie bestätigten die Befunde von Stieve, Dierks und Puccioni, veränderten oder verwarfen sie. Stieves Skepsis, es handele sich nicht um Regelmäßigkeiten, sondern lediglich um Abnutzungseffekte, blieb die vorherrschende Lehrmeinung. Erschwerend kam hinzu, dass die endokrine Ovarialfunktion nicht abschließend geklärt war. 1928 konnte Dierks bei einer Patientin nach bilateraler Ovarektomie (= Entfernung beider Eierstöcke) die atrophische Schleimhaut mit einem östrogenhaltigen Präparat wieder aufbauen. Sogar die typische Dreischichtung der Schleimhaut ließ sich wiederherstellen. Im selben Jahr berichteten mehrere Frauenärzte von ihren missglückten Versuchen, einen Zyklus zytologisch nachzuweisen. Zugleich erschienen Arbeiten, die Papanicolaous Annahme zyklischer Veränderungen der Vaginalschleimhaut stützten (Rudolf Dyroff, Eliseo Ramírez). Die Situation war „verwirrend“ (Simmer), auch Anfang der 1930er-Jahre lehnten manche einen vom Ovar ausgelösten Zyklus noch grundsätzlich ab.
Nach 1928 wurde einige Jahre lang keine Untersuchung mehr publiziert, die sich ausschließlich mit dem Vaginalabstrich beschäftigte. Die Frage nach einem Zyklus abgestoßener Vaginalzellen schien endgültig verworfen worden zu sein. Das änderte sich durch Papanicolaous Arbeit aus dem Jahr 1933 grundlegend. Mit täglich entnommenen 1.000 Abstrichen von dreizehn gesunden Frauen begründete er die vaginale Zytodiagnostik des weiblichen Zyklus und seiner Störungen. Neben seiner Frau stellten sich Angestellte des Women’s Hospital als Probandinnen zur Verfügung. In weiteren Untersuchungen fand Papanicolaou, dass man den Abstrich vor dem Trocknen fixieren muss, denn sonst sind die charakteristischen Zellveränderungen nicht mehr zu erkennen. Vorherige Untersuchungen waren vermutlich an diesem Umstand gescheitert. Zudem färbte er seine Abstriche zusätzlich zur HE-(Hämatoxylin-Eosin-)Färbung mit Methylenblau, was eine bessere Differenzierung der Zellen erlaubt.
1928 stellte Papanicolaou sein Verfahren erstmals vor, doch die Fachwelt konnte damit nicht viel anfangen. Auch eine Publikation blieb ohne Resonanz. Wann Papanicolaou bei seinen Zyklusstudien zum ersten Mal auf Karzinomzellen stieß, ist nicht bekannt. Ab 1939 widmete er sich intensiv der Karzinomzytologie, 1943 verfasste er zusammen mit dem Gynäkologen Herbert Traut die Monografie „Diagnosis of Uterine Cancer by the Vaginal Smear“. Der äußere Muttermund wird von mehrschichtigem, unverhorntem Plattenepithel ausgekleidet, während der Gebärmutterhals von Zylinderepithel bedeckt ist. Der Pap-Test unterteilt die Abstriche von Muttermund und Gebärmutterhals nach der Münchener Nomenklatur III in Gruppen von Stadium eins (Normalbefund, unauffällig) bis Stadium fünf (eindeutige Tumorzellen). Man kann Aussagen über den Hormonstatus und die Zyklusphase machen sowie Entzündungen, Krebsvorstufen und Zervixkarzinome nachweisen. Die Sensitivität des Tests beträgt nur etwa 50 Prozent. Sie lässt sich auf 90 Prozent erhöhen, wenn der Test drei Jahre hintereinander erfolgt. Wenn man sich zusätzlich noch auf Humane Papillomviren (HPV) testen lässt, kommt man auf 98 Prozent. Die Spezifität des Pap-Testes beträgt 98 Prozent.
Harald zur Hausen beschrieb erstmals, dass HPV Zervixkarzinome verursachen – ein Meilenstein in der Krebsforschung und -therapie. Zwischen 1982 und 1984 isolierte seine Arbeitsgruppe das Erbgut der gefährlichsten Papillomvirus-Typen HPV16 und HPV18. Sie rufen etwa 70 Prozent aller Gebärmutterhalstumoren sowie deren Vorstufen hervor. Dabei liegen meistens lange Latenzphasen zwischen der Infektion mit high-risk HPV und der Tumorentstehung. Doch mehr als 90 Prozent der von einer HPV-Infektion betroffenen Frauen beseitigen dysplastische Veränderungen selbstständig mit ihrem Immunsystem. Seit 2006 ist ein Impfstoff zugelassen, der zuverlässig gegen eine Infektion mit den HPV-Typen 16 und 18 sowie vor den Vorstufen des Zervixkarzinoms schützen kann.
Nach der bis dahin größten klinischen Präventionsstudie in der Geschichte der Krebsforschung, bei der 1952 im US-Bundesstaat Tennessee etwa 150.000 Frauen abgestrichen und über einen längeren Zeitraum begleitet wurden, wurde der Pap-Test 1961 in den USA eingeführt. Seit 1971 haben Frauen ab dem 20. Lebensjahr in Westdeutschland ein Recht auf die zytologische Früherkennungsuntersuchung, seit 1989 auch die Frauen im Osten Deutschlands. Die Dünnschichtzytologie ist eine neuere Methode zur Entnahme und Aufbereitung des Abstrichs. Damit kann das Abstrichpräparat besser beurteilt und die Sensitivität erhöht werden. Eine zervixkarzinomfreie Gesellschaft (Ziel der WHO) ist dennoch nicht in Sicht. Dazu ist die HPV-Impfrate bisher zu niedrig – 2018 waren in Deutschland lediglich 50 Prozent der 18-jährigen Frauen vollständig geimpft. Und 80 Prozent der Frauen in ärmeren Ländern haben noch nie einen Abstrich bekommen (V. Schroeder).
Literatur (Auswahl)
1. Papanicolaou G: Note on diagnosis of the female genital tract. Proc Race Betterment Conf 1928; 3: 528–534 sowie umfangreicher: Am J Anat 1933; 52: 519–637.
2. Papanicolaou G, Traut H: Diagnosis of Uterine Cancer by the Vaginal Smear. New York: The Commonwealth Fund, 1943.
3. Schroeder V: Von Mary und George. In: Süddeutsche Zeitung 4. November 2023.
4. Simmer H: Die Auffindung eines Zyklus im desquamierten menschlichen Vaginalepithel. In: Habrich C, Marguth F, Wolf J (Hrsg.) unter Mitarbeit von Renate Wittern: Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Heinz Goerke zum 60. Geburtstag. München: Werner Fritsch Verlag 1978: 341–356.
5. Stockard C, Papanicolaou G: The existence of a typical oestrus cycle in the Guinea pig – with a study of its histological and physiological changes. Am J Anat 1917; 22: 225–283.
Entnommen aus MT im Dialog 10/2024
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