Optogenetische Cochlea-Implantate als Alternative

Schnelle Lichtkanäle befeuern das Hören
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optogenetisches Implantat
Herkömmliches Cochlea-Implantat mit Elektroden zur Stimulation der Nervenzellen in der Hörschnecke (links) und optogenetisches Implantat (rechts) mit kleinen Lichtquellen zur optischen Reizung. Institut für Auditorische Neurowissenschaften, Universitätsmedizin Göttingen
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Mit optogenetischen Cochlea-Implantaten könnten taube Menschen möglicherweise eines Tages Musik hören.

Künstliche Hörhilfen – sogenannte Cochlea-Implantate – stimulieren den Hörnerv mittels kleiner Elektroden und können so zumindest einen Teil des Hörvermögens wiederherstellen. Allerdings ist das Hörvermögen der Betroffenen mit diesen Cochlea-Implantaten durch die reduzierte Information über die Tonhöhen eingeschränkt. Eine Alternative zu den herkömmlichen Implantaten könnten in Zukunft optogenetische Implantate sein wie sie derzeit am Göttingen Campus entwickelt werden. Dabei müssen den Hörnervenzellen im Ohr „molekulare Lichtschalter“ – sogenannte Kanalrhodopsine – eingesetzt werden.

Kanalrhodopsine mit besonders kurzen Öffnungszeiten

Ein Forscherteam aus Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt, des Göttingen Campus und des Frankfurter Max-Planck-Instituts für Hirnforschung hat Kanalrhodopsine mit besonders kurzen Öffnungszeiten entwickelt und diese in Nervenzellen des Gehirns und des Ohrs von Mäusen eingesetzt. Damit gelang es den Forschern, das Feuern von Nervenimpulsen in verschiedenen Nervenzelltypen mit roten Lichtpulsen bis nahe an das physiologische Limit der jeweiligen Zellen „zu treiben“. Die Kanäle werden mittels Genfähren gezielt in den Hörnerv des Ohrs eingebracht – eine wichtige Voraussetzung für die verbesserte Verarbeitung von Tonfrequenzen. Optogenetische Cochlea-Implantate könnten stark schwerhörigen Menschen damit eines Tages sogar den Genuss von Musik ermöglichen.

 

Ein Gespräch auf der Straße, der Besuch eines Konzertes - alltägliche Dinge sind für Menschen mit Hörbehinderung häufig nicht mehr möglich. Ursache ist in den meisten Fällen ein Verlust der Sinneszellen in der Hörschnecke (Cochlea) des Ohres. Die Zellen wandeln den akustischen Reiz in elektrische Signale um. Diese werden dann durch die Hörnerven an das Gehirn weitergeleitet.

Herkömmliche Cochlea-Implantate reizen die Hörnervenzellen in der Cochlea mit zwölf bis 24 Elektroden und umgehen so die defekten oder verlorenen Sinneszellen. Obwohl die Elektroden der Implantate klein sind, stimuliert jede von ihnen einen großen Frequenzbereich. Dies erschwert es dem Gehirn jedoch, akustische Signale mit ähnlichem Frequenzgehalt voneinander zu unterscheiden. Träger von Cochlea-Implantaten können daher zwar in der Regel Sprache verstehen, dies gelingt aber nur in ruhiger Umgebung. Die Melodien in Sprache und Musik sind ihnen kaum zugänglich. Wenn es gelänge, die Hörnervenzellen räumlich präziser zu stimulieren und damit die Unterscheidung von Frequenzen zu erleichtern, ließe sich das Hörvermögen erheblich verbessern.

Ionenkanäle als Lichtschalter

Das relativ junge Gebiet der Optogenetik erlaubt es Neurowissenschaftlern seit einigen Jahren, einzelne Nervenzellen mittels Licht gezielt an- und auszuschalten. Zum Einschalten der Zellen wird der ursprünglich aus einzelligen Algen stammende lichtempfindliche Ionenkanal – das sogenannte Kanalrhodopsin – mithilfe eines Virus in die Zellmembran eingebracht.

In einer Studie hatten Tobias Moser von der Universitätsmedizin Göttingen, Ernst Bamberg vom Max-Planck-Institut für Biophysik zusammen mit Kollegen 2014 herausgefunden, dass die verfügbaren Kanalrhodopsine wahrscheinlich zu langsam für die Zellen des Hörnervs sind - ein gravierendes Hindernis auf dem Weg zum optogenetischen Cochlea-Implantaten.

Maximale Feuerrate

Bamberg und seine Mitarbeiter haben basierend auf der Kanalrhodopsin-Struktur mehrere Molekültypen mit unterschiedlichen Absorptionswellenlängen durch geeignete Punktmutationen zu besonders schnellen „molekularen Lichtschaltern“ umgewandelt. Je schneller die Schaltgeschwindigkeit der Ionenkanäle, desto größer ist die Rate, mit der Nervenzellen elektrische Nervenimpulse abfeuern können. Diese schnellen Lichtschalter haben großes Potenzial für das „Hören mit Licht“ aber auch für die Nutzung in vielen anderen Bereichen des Nervensystems – so etwa für besonders schnell operierende hemmende Neurone, wie sie von Johannes Letzkus am Max-Planck-Institut für Hirnforschung untersucht werden.

Rotes Licht durchdringt lebendes Gewebe besonders gut

Einige der von den Frankfurter Forschern entwickelten Kanäle wurden zunächst in Zellkulturen getestet, ob sie auch für rasch feuernde Nervenzellen schnell genug sind. Für die Versuche im Innenohr der Maus erwiesen sich zwei durch rotes Licht anregbare Varianten mit hoher Schaltgeschwindigkeit als besonders geeignet. Anders als die durch blaues Licht aktivierbaren Kanäle werden die als f(fast)-Chrimson bezeichneten Kanäle durch rotes Licht aktiviert – eine wichtige Eigenschaft, denn rotes Licht durchdringt lebendes Gewebe auf Grund der geringen Lichtstreuung besonders gut. Zudem schädigt es Zellen weniger als blaues Licht.

„Unsere Versuche mit Nervenzellen des Gehirns und des Hörnervs von Mäusen zeigen, dass die Kanäle elektrische Impulse mit einer Frequenz von bis zu 600 Hertz auslösen können. Das entspricht in etwa der maximalen natürlichen Erregungsrate – und das bei geringer Lichtintensität“, sagt Bamberg.

Anwendung eines molekularbiologischen „Tricks“

Da Nervenzellen die Kanalrhodopsine nicht natürlicherweise produzieren, müssen die Wissenschaftler einen molekularbiologischen Trick anwenden. Die Forscher nutzen dafür harmlose Viren als Genfähren, um das Gen in die Nervenzellen zu bringen. Die Göttinger Forscher konnten zeigen, dass Zellen des Hörnervs nach einer Virusinjektion in die Hörschnecke von Mäusen große Mengen der Kanalproteine produzieren. Laserblitze, die durch eine 50 Mikrometer dicke Glasfaser in die Hörschnecke geleitet wurden, lösten daraufhin elektrische Impulse im Hörnerv und im Hirnstamm der Tiere aus. Auch in alten Tieren mit verringertem Hörvermögen konnten die Forscher mit den Laserblitzen eine Antwort des Hörsystems mit guter zeitlicher Auflösung nachweisen.

Durch die zeitlich präzise Stimulation der Nervenzellen und höhere Frequenzauflösung versprechen optogenetische Cochlea-Implantate im Vergleich zu elektrischen eine deutlich verbesserte Hörqualität. Stark schwerhörige Patienten könnten damit vermutlich Sprache in lauter Umgebung verstehen und Musik genießen. „Bis optogenetische Implantate in der Praxis eingesetzt werden können, sind jedoch noch weitere Studien nötig“, erklärt der Hörforscher Tobias Moser, der die Entwicklung des optischen Cochlea-Implantats am Göttinger Campus leitet.

Einsatz im Auge

Welches Potenzial optogenetische Methoden für die Medizin haben, zeigt neben dieser Studie vor allem ihr Einsatz in der Netzhaut des Auges. Derzeit wird eine Behandlung mit Kanalrhodopsinen an Patienten getestet, die an einer fortschreitenden Zerstörung der Lichtsinneszellen der Netzhaut leiden, der sogenannten Retinitis pigmentosa. „Erste Ergebnisse zeigen, dass die Patienten wieder auf Lichtreize reagieren können“, sagt Bamberg.

Für die drei Projektleiter Bamberg, Moser und Letzkus ist die Studie ist ein schönes Beispiel, wie die fachübergreifende Zusammenarbeit von Biophysikern, Neurophysiologen und Biomedizinern zum Erfolg eines komplexen Projekts führen kann. (idw, red)

Literatur:

Thomas Mager, David Lopez de la Morena, Verena Senn, et al.: High frequency neural spiking and auditory signaling by ultrafast red-shifted optogenetics. Nature Communications, Volume 9, Article number: 1750 (2018), DOI: 10.1038/s41467-018-04146-3.

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