Morphologische Blutzelldifferenzierung – digital unterstützt

Buchrezension
Emma Giroud
Abbildung des rezensierten Buchs
© De Gruyter
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Im Laufe der vergangenen zehn Jahre wurden für den DVTA und die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin verschiedene Mikroskopiekurse und Leukozytendifferenzierungsseminare für die Hämatologie organisiert. Es war der Wunsch der Biomedizinischen Analytiker (BMA)/MTL, diese Kurse in einer Fallsammlung zu einem Buch zusammenzustellen.

Die BMA/MTL sind in der hämatologischen Stufendiagnostik die ersten, die im Labor die Entscheidung für die Dignität eines Befundes treffen. Die Universitätskrankenhäuser von Rostock, Leipzig und Dresden sowie die SLK-Kliniken in Heilbronn, die Medizinische Diagnostische Institut (MDI) GmbH in Berlin und das Labor Osnabrück stellten die Blutbilder für die Fallsammlung zur Verfügung.

In acht verschiedenen Kapiteln werden die Grundkenntnisse aufbauend, mit vielen Fallbeispielen an Blutbildern, behandelt. Im Kapitel Beschaffenheit des Kernchromatins und Kernkonfigurationen wird die wichtige Rolle des Kernchromatins (vom feinkörnigen/feinretikulären bis hin zum scholligen Chromatin) beschrieben. Das Kapital acht ist den Neugeborenen und Kinderblutbildern gewidmet. Es wird sehr umfassend behandelt. Bis jetzt war mir kein Hämatologie-Buch bekannt, das mit diesem Thema wertvolle Informationen und Abbildungen über normale und unauffällige kindliche Lymphozyten liefert, die sehr oft missinterpretiert werden. Der Screenshot von atypisch, vermutlich reaktiv veränderten Lymphozyten eines zweijährigen Jungen zeigt, wie „bunt“ die Lymphozyten bei Vorhandensein einer infektiösen Mononukleose sein können.

Über 200 in Blöcken abgebildete, digitalisierte, mikroskopische Bilddokumentationen prägen diese Ausgabe. Die Zellen werden unter der Verwendung von Algorithmen, durch ein neuronales Netzwerk und mithilfe von rechnerischen Analysen präklassifiziert und zugeordnet. Die Technologie beruht auf einer hochauflösenden digitalen Kamera und einem Mikroskop mit zwei Objektiven (1:10 und 1:100). Durch einen speziell eingebauten Faktor werden alle Blutbilder in drei Vergrößerungen (1:10, 1:50 und 1:100) durch das digitale System fotografiert und digitalisiert. Von einer Zelle werden über 350 Merkmale erfasst und können einer Zelllinie zugeordnet werden. Zehn bis 30 Blutbilder können pro Stunde personalunabhängig bearbeitet werden.

Wenn man von der konventionellen Mikroskopie kommt, ist es gewöhnungsbedürftig, sich mit diesen Abbildungen auseinanderzusetzen. Das Kernchromatin, aber auch das Zytoplasma, geben mir den Eindruck, „gemalt“ zu sein. In vielen Kameras (oder auch Monitoren) werden die Bilder nicht möglichst naturgetreu wiedergegeben, sondern bearbeitet. Das rote Blutbild erscheint sehr rötlich (May-Grünwald-Giemsa-Färbung, MGG). Vielleicht sind diese Abbildungen aber auch durch den Druck entstanden. Was für mich positiv ist, sind die mit dem Diffmaster erzeugten Zellsortierungen in Blöcken. Auf diese Weise kann man beispielsweise bei einem Blutbild einer akuten myeloischen Leukämie verschiedene Blasten in der Darstellung als Zellblöcke ansehen. Mit der konventionellen mikroskopischen Blutbilddifferenzierung kann man eine solche Darstellung nicht erreichen. Es ist spannend zu sehen, wie heterogen die Zellen sein können, vermutlich durch das sehr nahe zoomen (digitale Lupe) durch die bildgebende informationstechnisch unterstützte Mikroskopie. Diese Aufnahmen geben den Zellen (Kernchromatinstruktur) eine andere Sichtweise im Vergleich zur konventionellen mikroskopischen Blutbilddifferenzierung.

Auch beim roten Blutbild wird das künstliche neuronale Netzwerk für die Beurteilung von Größe, Rundung der Zelle, Ausmaß und Form der zentralen Aufhellung sowie der Einkerbung eingesetzt. Der festgelegte Ausstrichbereich wird 35-mal gescannt. Die auffälligen Erythrozyten werden markiert beziehungsweise hervorgehoben und mit der Zellerkennungssoftware in 21 morphologisch unterschiedliche Kategorien klassifiziert und in unterschiedliche Morphologiespalten zusammengefasst und quantifiziert, sogenannte cell recognation. Die konventionelle mikroskopische Differenzierung ist sehr personalbindend, zeitaufwendig und sehr teuer.

Dieses Fachbuch ist ein handliches, spannendes und interessantes Hilfsmittel mit vielen Fallbeispielen aus der digitalisierten mikroskopischen Bilddokumentationswelt. Die Abbildungen in Zellblöcken unterstützen die digitale Mikroskopie in der Praxis. Wichtig scheint für mich auch zu sein, dass die Kameraparameter so angepasst werden, dass die Blut- wie auch Knochenmarksbilder keinem Kunstwerk gleichen, sondern den Bildern der konventionellen Mikroskopie entsprechen. Durch den Fachkräftemangel überlegen sich viele Laboratorien, in Zukunft auch die Mikroskopie zu automatisieren. Das menschliche Auge wird jedoch weiterhin die entscheidende Rolle für die Dignität eines Befundes sein. Die durch die automatisierte Mikroskopie abgearbeiteten Differenzierungen von „normalen“ beziehungsweise „einfacheren“ Blutbildern soll dem hämatologischen Laborpersonal mehr Zeit geben, sich mit den komplexeren, außergewöhnlichen und speziellen Blutbildern mittels konventioneller Mikroskopie zu beschäftigen.

Morphologische Blutzelldifferenzierung – Digital unterstützte Mikroskopie in der Praxis
Von: Peter Schuff-Werner, Krystyna Märkl, Angela Gropp, unter der Mitarbeit von Katrin Dreißiger und Monika Puls, De Gruyter, 2021, ISBN: 978–3–11–066237–5, Preis: 59,95 Euro

 

Entnommen aus MT im Dialog 4/2023

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