Mein Patient, mein Freund

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PD Dr. Jens Ulrich Rüffer
PD Dr. Jens Ulrich Rüffer atp Verlag
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Der Onkologe PD Dr. Jens Ulrich Rüffer hat gemeinsam mit seinem Freund und ehemaligen Patienten Michael Lohmann ein Buch veröffentlicht, in dem Ärztinnen und Ärzte von besonderen Patientenbegegnungen berichten.

Herr Dr. Rüffer, Sie haben gemeinsam mit Michael Lohmann das Buch „Wenn eine Begegnung alles verändert – Ärztinnen und Ärzte erzählen“ herausgegeben. Wie ist die Idee zu diesem Buch entstanden?

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Die Idee ist tatsächlich aus der Arzt-Patienten-Geschichte entstanden, die mich mit meinem Freund Michael verbindet. Wir haben uns 1991 kennengelernt, als ich Hodgkin-Studienarzt war und er seinen ersten Rückfall als Hodgkin-Patient hatte. Aus dieser Begegnung hat sich eine gute Freundschaft entwickelt. Durch die Therapie und spätere gemeinsame Projekte sind wir bis heute eng verbunden. Wir haben beispielsweise an der Kölner Uniklinik 1998 gemeinsam das Haus LebensWert gegründet, das Krebspatienten und deren Angehörige psychosozial unterstützt – das war Michaels Idee. Und in vielen Gesprächen hatten wir dann die Erkenntnis, dass unsere Freundschaft für uns beide den Blick auf das Leben verändert hat. Und dann haben wir uns gefragt, ob so eine enge Arzt-Patienten-Freundschaft einzigartig ist – oder ob es das öfter gibt. Daraufhin haben wir dann unsere Kollegen gefragt.

Was haben Sie da für Rückmeldungen bekommen?

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Das war ganz erstaunlich und hat uns selbst überrascht. Wir haben für das Buch jetzt die Geschichten von 25 Kolleginnen und Kollegen zusammengetragen. Das war ein sehr fruchtbarer Prozess, weil viele von ihnen dadurch auch noch mal intensiver über diese besonderen Beziehungen nachgedacht haben. Ein Arzt hat beispielsweise einen krebskranken Jugendlichen betreut, der leider verstorben ist. Wegen des Buches ist er noch mal zu den Eltern des Jungen gegangen – die Geschichte von damals lief wie in einem Film vor ihm ab. Mit unserer Frage haben wir also bei unseren Kollegen einiges ausgelöst.

Konnten denn alle, die Sie gefragt haben, so eine Geschichte erzählen?

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Es gab auch einige Kolleginnen und Kollegen, die ihre Geschichte nicht erzählen wollten, weil es ihnen zu intim war. Spannend war, dass fast niemand so etwas noch nie erlebt hatte. Jeder Arzt und jede Ärztin kennt offenbar das Gefühl, dass man sich bestimmten Patienten besonders nahe fühlt. Und auch jetzt bekommen wir auf das Buch viel positive Resonanz. Wir hören von vielen Ärzten, denen bei dem Thema spontan auch eigene Geschichten einfallen. Dazu gibt es also noch viel zu erzählen.
 
Ihre eigene Geschichte ist die von Ihrer Freundschaft zu dem Mitherausgeber Michael Lohmann. Wie haben Sie sich damals kennengelernt?

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Michael hat sich 1991 bei mir, dem damaligen Studienarzt der Hodgkin-Studie, als Patient vorgestellt. Wir haben schnell gemerkt, dass wir uns beide für Musik interessieren – wir waren gleich bei ganz anderen Themen, und seine Erkrankung trat dabei in den Hintergrund. Später haben wir dann zusammen die Selbsthilfegruppe Morbus Hodgkin, die erste SHG dieser Art in Deutschland, gegründet. Dann haben wir uns ein paar Jahre aus den Augen verloren – aber 1995 hatte er wieder einen Rückfall, der dann nur noch durch Hochdosistherapie behandelt werden konnte. Michael hatte sein Leben damals schon aufgegeben – ein anderer Arzt hatte ihm gesagt, dass er nicht mehr geheilt werden könne. Ich habe ihm zugesagt, ihn durch die Therapie zu begleiten und an seiner Seite zu bleiben. Da hat er dann wieder Vertrauen gefasst – vor allem, weil ich ihm versprochen habe, dass er die Therapie auch jederzeit abbrechen kann. Diese Therapie haben wir dann tatsächlich zusammen durchgestanden, bis Michael wieder tumorfrei war. Das hat uns noch einmal sehr eng verbunden.

Was macht aus Ihrer Sicht einen Patienten aus, zu dem man als Arzt so eine besondere Beziehung aufbaut?

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Das ist ja wie im normalen Leben. Wir lernen zwar in der ärztlichen Ausbildung, dass man professionell sein und seine persönlichen Gefühle von den beruflichen Begegnungen trennen muss. Ich glaube auch, dass das grundsätzlich richtig ist. Aber trotzdem sind wir natürlich Menschen – und da ist es völlig normal, dass einige Menschen an uns vorbeigehen, ohne dass wir sie richtig wahrnehmen, während aus anderen Freunde werden. Das ist für Ärzte und Patienten auch nicht anders – da gibt es einfach Begegnungen, die einen aus irgendeinem Grund berühren. Man kann bei seinen Freunden ja auch nicht immer sagen, wie diese Nähe genau entstanden ist. Wenn man in der Arzt-Patienten-Beziehung diesem Impuls nachgibt und sich darauf einlässt, dann entstehen diese Geschichten. Dann schaffen wir es auch als Ärzte, in die Schuhe des Patienten zu schlüpfen und aus dieser Perspektive auf das Gesundheitssystem zu blicken. So entsteht ein spannender Perspektivwechsel – und man erkennt auch als Arzt eher, wenn etwas schiefläuft.

Sie haben Ihren Freund Michael ja damals auch durch eine ziemlich extreme Lebenssituation begleitet. Welche Rolle spielt das Extreme bei einer besonderen Arzt-Patienten-Beziehung?

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Es trägt sicher einen Teil dazu bei. Aber wichtig ist vor allem die persönliche Beziehung. Bei Michael und mir war es eher die Musik – dass wir uns für die gleiche Art Musik interessiert haben. Das hat im Zusammenspiel mit der Extremsituation vermutlich die richtige Mischung ausgemacht.

Wie gelingt es Ihnen, als Arzt objektiv und professionell zu bleiben, wenn Sie das Schicksal eines Patienten auch persönlich so berührt – wenn es zum Beispiel Ihrem Freund schlecht geht?

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Das ist ein Punkt, den ich von außen schwer beurteilen kann. Ich bemühe mich natürlich immer um Professionalität. Mein Bedürfnis ist es, in solchen Situationen nah bei meinen Freunden zu sein – im Zweifel auch als Therapeut. Ich kenne dessen Wünsche und Präferenzen und habe eine andere Gesprächsebene als ein fremder Arzt. So kann ich besser herausfinden, was meinem Freund als Patienten wichtig ist. Dabei versuche ich als Mediziner, immer objektiv und professionell zu bleiben. Ob mir das gelungen ist, müssen andere beurteilen.

Gibt es in dem Buch Geschichten, die Sie persönlich besonders berührt haben?

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Das ist wirklich schwer zu sagen. Toll ist beispielsweise die Geschichte von Dr. Valeria Milani, bei deren Patientin Verliebtheitsgefühle eine deutliche Verbesserung des Blutbildes ausgelöst haben – ganz ohne Therapie. Oder die Geschichte von Dr. Jürgen Strenger: Da geht es um eine Rheumapatientin, die einfach ihr Leben genießt, obwohl sie unglaubliche Beschwerden hat. Er als Arzt bemerkt dabei auf einmal, dass er etwas ganz Besonderes miterleben darf. Das sind nur zwei Beispiele – aber es fällt mir schwer, da zu gewichten.

Wird es denn eine Fortsetzung geben? Geschichten zu dem Thema gibt es ja sicher noch genug.

PD Dr. Jens Ulrich Rüffer: Wir überlegen tatsächlich, ob wir eine Fortsetzung machen. Nach den ersten Resonanzen auf das Buch glaube ich wirklich, dass wir davon vermutlich 20 Bände herausgeben könnten. Mit dem Buch wollen wir den Lesern – unseren potenziellen Patienten – auch zeigen, was sich hinter dem weißen Kittel verbirgt. Wie tickt dieser Mensch mit dem weißen Kittel, was bewegt ihn? Natürlich bewegen uns Ärzte auch die Schicksale unserer Patienten. Das ist für die Patienten vielleicht wichtig, weil sie dann mehr aus dieser Arzt-Patienten-Beziehung schöpfen können. So kann sich ein entspannteres Verhältnis und mehr Verständnis füreinander entwickeln. Das macht es für uns alle einfacher, und den Patienten geht es damit dann sicher auch besser.
 

Buchtipp:

Michael Lohmann und Jens Ulrich Rüffer: Wenn eine Begegnung alles verändert – Ärztinnen und Ärzte erzählen
atp Verlag, 2020
260 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-943064-20-9
Preis: 19,80 Euro








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