Medizintechnik erlebbar machen

Das Museumslabor RöLab am Deutschen Röntgen-Museum
Anna-Katharina Kätker*, Uwe Busch*
Foto des Deutschen Röntgen-Museums
Abb. 1: Das Museumslabor RöLab ist Teil des Deutschen Röntgen-Museums am Geburtsort Wilhelm Conrad Röntgens in Remscheid-Lennep. © Deutsches Röntgen-Museum
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Vor allem Berufszweige im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich sind heutzutage besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen.

Dies mag zum einen an der unzureichenden Nachwuchsförderung von Schülerinnen und Schülern in diesen Bereichen liegen, zum anderen aber auch an der nur eingeschränkten öffentlichen Wahrnehmung von den vielfältigen Möglichkeiten, die die zugehörigen Berufsfelder zu bieten haben. Das Museumslabor „RöLab“ am Deutschen Röntgen-Museum hat sich dieser Problematik angenommen und versucht durch spannende Experimente in den Bereichen Naturwissenschaften, Medizin und Technik einen erweiterten Zugang zu diesen Themenschwerpunkten für unterschiedliche Zielgruppen zu ermöglichen – getreu Wilhelm Conrad Röntgens eigenem Motto „Ich fühle mich nur wohl, wenn ich experimentieren kann“.

Die Angebote des RöLabs richten sich insbesondere an Schüler/ -innen, Auszubildende und Studierende, aber auch an die interessierte Öffentlichkeit. Sie sollen in erster Linie Spaß und Empathie für Natur- und Ingenieurwissenschaften, Medizin und Medizintechnik vermitteln und damit einen Beitrag zur Allgemeinbildung und MINT-Förderung leisten. Zudem soll der Berufsfindungsprozess junger Menschen durch die Angebote unterstützt werden, indem unterschiedliche Anwendungsfelder beleuchtet und ein Bewusstsein für die entsprechenden beruflichen Möglichkeiten geschaffen wird. Darüber hinaus ermöglicht die Ausstattung des RöLabs auch Experimente, die die Aus- und Weiterbildung entscheidend unterstützen können. Dies betrifft im Besonderen die Ausbildung der Medizinischen Technologinnen und Technologen in der Radiologie (MTR) und die der Studierenden der Medizin beziehungsweise der Mediziner/-innen in der Facharztausbildung.

Thematisch liegt der Schwerpunkt der Angebote, neben physikalischen Grundlagenexperimenten für jüngere Kinder, auf ionisierender Strahlung und ihrer Anwendung in Medizin und Technik sowie allgemein auf Medizintechnik. Jeder Mensch ist im Laufe seines Lebens Strahlung ausgesetzt. Sei es durch natürliche Quellen, wie der kosmischen und terrestrischen Strahlung, oder durch künstliche Quellen, wie unter anderem in der medizinischen Diagnostik und Therapie. Daher und auch unter Einbeziehung gesellschaftspolitischer Themen, wie etwa der Energiegewinnung durch Kernspaltung und Kernfusion, ist ein Grundlagenverständnis von ionisierender Strahlung wichtig für einen wissenschaftlich fundierten individuellen Meinungsfindungsprozess. Durch Experimente zum Thema Umweltradioaktivität können grundlegende Kenntnisse an Schüler/-innen ab der neunten Klasse und an Auszubildende vermittelt werden. Der Fachverband für Strahlenschutz hat das RöLab bei der Anschaffung entsprechender Arbeitsplätze unterstützt, die unter anderem großflächige Geiger-Müller-Zählrohre beinhalten. Mit ihnen können die Schüler/-innen und Auszubildenden beispielsweise verschiedene Salze wie Natriumchlorid oder Diätsalz und handelsüblichen Dünger auf ihre Radioaktivität hin überprüfen. Speziell für Schulen zugelassene Knopfstrahler, bei denen es sich um Freigrenzpräparate von Uran-238 handelt, ermöglichen die Herleitung des Abstandsgesetzes und die Untersuchung des Abschirmungsvermögens verschiedener Materialien. Somit werden zugleich auch wesentliche Grundlagen des Strahlenschutzes vermittelt. Mit einem besonderen Experiment kann auch das radioaktive Gas Radon in der umgebenden Luft festgestellt werden. Hierfür werden Luftballons aufgeblasen, elektrostatisch geladen und anschließend an verschiedenen Orten im Museum aufgehängt. Auf ihrer Oberfläche sammeln sich nun Staubpartikel aus der Umgebungsluft, an denen sich wiederum Zerfallsprodukte des Radon-222 angelagert haben. Diese können anschließend mit den Geiger-Müller-Zählrohren sehr eindrucksvoll gemessen werden.

 

Das Grundlagenpraktikum Umweltradioaktivität wird für die Oberstufe und im speziellen für MTR-Auszubildende durch insgesamt sechs Arbeitsplätze zum Thema Gammaspektroskopie ergänzt. NaI-Szintillationsdetektoren ermöglichen nicht länger nur die Feststellung, dass etwas „strahlt“, sondern auch die eindeutige Bestimmung des jeweiligen Radionuklids. Durch einen Vergleich der Spektren von Radium-226 und von dem zuvor aufgehängten Luftballon, kann Radon-222 in der Umgebungsluft nun auch experimentell eindeutig nachgewiesen und bestimmt werden. Die beiden Nuklide haben dieselbe Zerfallsreihe und somit das gleiche Spektrum – bis auf den Übergang von Ra-226 zu Rn-222. Darüber hinaus können anhand der Spektren von Cobalt-60, Cäsium-137 und Natrium-22 die charakteristischen Wechselwirkungen von Gammastrahlung mit Materie verdeutlicht werden. Hierzu zählen Photoeffekt, Compton-Effekt und Paarbildung. Es besteht zudem die Möglichkeit, Lebensmittelproben von Waldpilzen, Tee und Wildfleisch in zwei Bleikammern unter Abschirmung der Umgebungsstrahlung auf eventuelle Cäsium-Kontaminationen hin zu untersuchen. Die Absorptionskoeffizienten verschiedener Materialien können durch Abschirmungsversuche bestimmt werden. Das Praktikum zur Gammaspektroskopie wird derzeit insbesondere auch in Zusammenarbeit mit MTR-Schulen mit besonderem Fokus auf dem Themenbereich Nuklearmedizin stetig weiterentwickelt. Ermöglicht wurde die Anschaffung der Arbeitsplätze durch die Klaus Tschira Stiftung und die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V.

Zu den Angeboten des RöLabs zählen natürlich auch Versuche mit Röntgenstrahlen. Insgesamt vier Vollschutz-Schulröntgengeräte dienen unter anderem für „den Blick ins Innere“ und machen Unsichtbares sichtbar. Mithilfe von Speicherfolien aus der Dentalmedizin und dem entsprechenden Laserscanner werden klassische Röntgenaufnahmen von Objekten gemacht und digital ausgelesen. Hierbei können zum Beispiel Fische, Fledermäuse, aber auch das eigene Handy durchleuchtet werden. Ein hochleistungsfähiger Bildsensor basierend auf der CMOS-Technologie ermöglicht in Verbindung mit einem Drehtisch zudem CT-Aufnahmen von kleinen Objekten, beispielsweise von Überraschungseiern oder von einem Frosch. Röntgenspektren verschiedener Anodenmaterialien können mittels der Drehkristallmethode (Bragg-Beugung) aufgenommen werden. Die Variation von Parametern, wie die der Beschleunigungsspannung oder die Änderung des Beugungskristalls, sind ebenfalls möglich und erlauben den Schülerinnen und Schülern, ihr bisher zumeist theoretisch erlerntes Wissen durch praktisches Ausprobieren zu festigen. Ein weiteres Röntgengerät ist für Materialanalysen mithilfe der Röntgenfluoreszenz ausgestattet. Hierbei liefert ein Röntgenenergiedetektor (XRED) in Verbindung mit einem Vielkanalanalysator das komplette Röntgen-Energiespektrum des untersuchten Materials. Anhand der charakteristischen Röntgenlinien kann dann auf die elementare Zusammensetzung geschlossen werden. Neben dem an sich schon spannenden Anwendungsfeld – so ist es beispielsweise auch möglich, den eigenen Schmuck auf Echtheit zu überprüfen – werden in diesem Versuch gleichfalls anwendungsbezogen Grundlagen zur Atomstruktur und deren Wechselwirkung mit ionisierender Strahlung vermittelt.

 

Das Thema Ultraschall nimmt in den Lehrplänen der MTR-Schulen neuerdings einen größeren Stellenwert ein und wird in umfangreichen Experimentiermöglichkeiten auch im RöLab aufgegriffen. In den Versuchen werden zunächst die physikalischen Grundlagen von Ultraschallwellen vermittelt. So kann untersucht werden, mit welcher Geschwindigkeit sich die Schallwellen in unterschiedlichen Medien ausbreiten oder wie sich die Dämpfung und das Auflösungsvermögen in Abhängigkeit von der Frequenz der Ultraschallwellen verhalten. Dafür stehen unterschiedliche Probenkörper und Sonden zur Verfügung. Daraus ergibt sich ein schrittweises Verständnis, wie die Bildgebung mittels Ultraschall funktioniert. Auch auf technische Einstellungen, beispielsweise auf Time-Gain-Compensation (TGC), wird eingegangen. Ergänzt werden die physikalisch-technischen Grundlagen von der Möglichkeit, an klinischen Ultraschallgeräten medizinische Phantome untersuchen zu können. Dazu zählen unter anderem ein Embryo-, ein Torso-, ein Brustmodell mit Zysten und ein Gallenblasenmodell. Zudem sind auch Versuche zur Doppler-Sonografie möglich. In dem Workshop „Bildgebende Verfahren“ des RöLabs werden diese Versuche zu Ultraschall mit den bildgebenden Versuchen an den Röntgengeräten sinnvoll kombiniert.

 

 

Mit den Outreach-Projekten des Deutschen Röntgen-Museums sollen die Angebote des RöLabs auch Personen oder Gruppen zur Verfügung gestellt werden, die andernfalls von deren Nutzung ausgeschlossen sein könnten. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf Schulen, für die ein Besuch im RöLab aus organisatorischen oder finanziellen Gründen nicht möglich ist, beispielsweise aufgrund fehlender infrastruktureller Anbindung im ländlichen Raum. In diesem Zusammenhang stand 2020 ein ganz besonderes Projekt an: Zu dem 125-jährigen Jubiläum der Entdeckung der Röntgenstrahlen und dem 175. Geburtstag ihres Entdeckers Wilhelm Conrad Röntgen startete das „X-PERIMENTE“-Mobil seine Tour durch ganz Deutschland. Ein umgebauter Sprinter – unter dem Motto „das Unsichtbare sichtbar machen“ – dient als rollendes Experimentierlabor, um bei Schülerinnen und Schülern die Faszination für Naturwissenschaften, Medizin und Technik zu wecken. Die Experimente orientieren sich entlang des elektromagnetischen Spektrums und greifen insbesondere auch die experimentellen Angebote des RöLabs zu ionisierender Strahlung und Medizintechnik auf. Diese Kooperation des Deutschen Röntgen-Museums und der Reiss-Engelhorn-Museen (rem) in Mannheim wurde von der Klaus Tschira Stiftung finanziell ermöglicht. Ab dem Sommer 2023 steht das „X-PERIMENTE“-Mobil am Deutschen Röntgen-Museum in Remscheid-Lennep und wird dann spezielle Grundschulen im ländlichen Raum von NRW anfahren. Dafür wurden neue Konzepte entwickelt.

 

Unter dem Aspekt Outreach stehen ebenfalls die E-Learning-Kurse des DRM zu ionisierender Strahlung: Wilhelms Kurse (bisher für die 9. Klasse, Oberstufe und MTR(A)-Ausbildung). Diese wurden maßgeblich in Kooperation mit der Firma ccm-Campus, Leverkusen, entwickelt. In mehreren Modulen werden kurze Wissenschaftsfilme und interaktive Aufgaben geboten – hierbei eignen sich die Schüler/ -innen ihr Wissen eigenständig an. In einem anschließenden Besuch im RöLab kann dieses erworbene theoretische Grundgerüst durch die entsprechenden Experimente gefestigt und ausgebaut werden. Für die kostenfreien Kurse ist eine vorherige Anmeldung notwendig. Ganze Schülerklassen können von ihren Lehrenden für die Teilnahme an den Experimenten registriert werden, aber auch einzelne Schüler/ -innen können Zugangscodes beantragen. Das RöLab steht allen Interessierten zur Verfügung. Zur Evaluation der Konzepte wurden mit einigen Schulen im Bergischen Land und darüber hinaus Kooperationsverträge geschlossen. So kann die jeweilige schulpädagogische Perspektive in die didaktisch-methodischen Überlegungen mit einfließen. In diesem Zusammenhang besteht auch eine enge Zusammenarbeit speziell mit MTR-Schulen, die das Ziel hat, das schon umfangreiche Angebot des RöLabs sinnvoll zu ergänzen. Die Workshops im RöLab können zudem mit einer Führung durch das Deutsche Röntgen-Museum oder auch durch das Geburtshaus Wilhelm Conrad Röntgens verbunden werden. Momentan wird auch an einer interaktiven iPad-Rallye speziell für MTR-Auszubildende im ersten Jahrgang gearbeitet. Durch diese können die Inhalte des Museums und speziell der Ausstellungsbereich zu „Moderne Medizin“ spielerisch im Team erarbeitet werden. Durch diese vielseitigen und thematisch breiten Angebote wird der Besuch des RöLabs in Remscheid-Lennep zu einem besonderen Erlebnis für alle, die auf Röntgens Spuren wandeln möchten.

* Deutsches Röntgen-Museum Remscheid-Lennep

 

Entnommen aus MT im Dialog 11/2023

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