Krankmachende Erreger siegen über Antibiotika
Viele Jahre waren Antibiotika ein Wundermittel zur Therapie von Infektionen, die zur Reduktion der Sterblichkeit bei Infektionserkrankungen beigetragen haben. Inzwischen wird ein nachteiliger Effekt durch den Einsatz der Antibiotika deutlich, da deren zum Teil unkritische Anwendung zunehmende Resistenzen provoziert und es damit zur Unwirksamkeit von Antibiotika kommt. „Deshalb brauchen wir Strategien zum rationalen Einsatz von Antibiotika, ein sogenanntes Antibiotic Stewardship, um zukünftig weiter wirksame Antibiotika zur Behandlung von Infektionen bei unseren Patienten zu haben“, so Dr. Heising, klinischer Infektiologe und Krankenhaushygieniker der Krankenhaus Düren gem. GmbH.
„Gerade für den Intensivbereich erscheint es dringend notwendig, lokale Leitlinien zur Optimierung der Antibiotikaanwendung festzulegen, da eine deutlich alarmierende Resistenzentwicklung gegen die aktuell verfügbaren Antibiotika festzustellen ist“, ergänzt Prof. Schröder, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Krankenhaus Düren. Im intensivmedizinischen Kontext konnte gezeigt werden, dass lokale Leitlinien zum Einsatz von Antibiotika mit Vorgaben der Substanzwahl entsprechend der lokalen Resistenzsituation mit Angaben zur Dosis, Applikationsart und Anwendungsdauer zu einer Verbesserung des individuellen Patienten-Outcomes bei gleichzeitiger Reduktion der Mortalität führt. Gleichzeitig konnten unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die Dauer der Beatmung und des Intensivaufenthaltes sowie die Gesamtkosten reduziert werden. Dabei kann der Biomarker Procalcitonin (PCT) unterstützen, die Antibiotikatherapiedauer deutlich zu verkürzen, ohne das Outcome nachteilig zu beeinflussen.
Wichtig ist lokales Protokoll
„Wichtig ist jedoch die Anwendung gemäß einem lokalen Protokoll mit repetitiven PCT-Messungen im Verlauf, um die Kinetik der Messwerte zu erfassen“, führt Oberarzt Schütte, Sektionsleiter der operativen Intensivmedizin am Krankenhaus Düren, aus. „Für die klinische Praxis ist es daher entscheidend, die Kinetik und die Limitation des Parameters zu kennen sowie die gemessenen Werte im Kontext mit der aktuellen klinischen Situation des Patienten zu interpretieren. PCT ist ein Baustein für ein rationales Antibiotika-Management (Antibiotic Stewardship) für eine optimierte Versorgung und Sicherheit der Patienten. Dies beinhaltet auch lokale Leitlinien zum standardisierten Einsatz von Antiinfektiva auf der Basis der Bewertung der lokalen Erreger- und Resistenzstatistik“, führt Schütte weiter aus. Prof. Schröder ist überzeugt, dass begleitende Fortbildungen infektiologisches Wissen vertiefen und die Behandlungsqualität deutlich verbessern. Infektiologische Visiten am Intensivbett ermöglichen proaktives und zielgenaues Management des Antibiotika-Einsatzes. Analysen von Antibiotikaverordnungen helfen Verbesserungspotentiale zu erkennen. Dafür ist die multidisziplinäre Zusammenarbeit von Intensivmedizinern, Pflegenden, klinischen Infektiologen, Hygienikern und Apothekern die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung eines Antibiotic Stewardship, so dass jeder Intensivpatient profitieren kann.
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Symposium zur Antiinfektivatherapie
Deshalb haben die Dürener Spezialisten am 21.09.2016 zum dritten Mal in Folge ein Symposium zur Antiinfektivatherapie mit dem diesjährigen Titel „Prophylaxe und Therapie schwerer nosokomialer Infektionen“ angeboten. Im Rahmen eines Praxisworkshops auf den Intensivstationen des Krankenhauses wurden spezielle infektiologische Fragestellungen bei ausgewählten Intensivpatienten hinsichtlich mikrobiologischer Befunde, Laborparameter und der Antibiotikatherapie mit Teilnehmern und eingeladenen externen Referenten diskutiert. Hierbei wurden auch krankenhaushygienische Fragestellungen, wie beispielsweise der adäquate Umgang von Patienten mit multiresistenten Erregern, thematisiert.
Im Anschluss an die klinische Visite fand im Konferenzzentrum am Krankenhaus Düren das infektiologische Nachmittagssymposium statt. Sechzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Medizin, Pflege, Infektiologie, Hygiene und Pharmazie waren angereist, um sich fortzubilden und auszutauschen. Prof. Lemmen, Krankenhaushygieniker vom Universitätsklinikum Aachen, führte aus, dass in bis zu 70 % der Fälle in Deutschland die perioperative Antibiotikaprophylaxe falsch durchgeführt wird. Auf Wunsch der Operateure wird gelegentlich die Antibiotikaprophylaxe auf 3, 5 oder 7 Tage postoperativ ausgedehnt. In vielen vergleichenden Studien korrelierte eine über die Zeitdauer der Operation verlängerte Prophylaxe jedoch nicht mit einer geringeren Infektionsrate, sondern erhöhte vielmehr die Rate von Nebenwirkungen, Resistenzentwicklung und der Entstehung einer Infektion mit Clostridium difficile, so Prof. Lemmen zusammenfassend.
Therapiebündel gegen Pneumonien
Frau Prof. Heininger, Infektiologin aus dem Universitätsklinikum Heidelberg, führte in ihrem Vortrag aus, dass die beatmungsassoziierte Pneumonie eine der häufigsten und kostenintensivsten nosokomialen Infektionen auf der Intensivstation darstellt. Zur Vermeidung dieser Pneumonien sollten sogenannte Therapiebündel implementiert werden, empfahl Prof. Heininger. Diese beinhalten konsequente Händehygiene, Mundpflege, subglottische Absaugung, regelmäßige Überprüfung des Cuff-Druckes, Oberkörperhochlagerung sowie Protokolle zur Sedierung, Entwöhnung vom Beatmungsgerät und Ernährung, die alle zur Reduktion der Pneumonierate, der Beatmungsdauer und der Intensivaufenthaltsdauer beitragen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, welche Maßnahmen bereits im intensivmedizinischen Alltag konsequent umgesetzt werden konnten und für welche Maßnahmen die Umsetzung verbessert werden soll. Die fortlaufende Erfassung und Dokumentation von beatmungsassoziierten Pneumonien dient dazu, Schwachpunkte in der Beatmungspflege aufzudecken und den Erfolg von Präventionsmaßnahmen einzuschätzen.
Vernetzen und Querdenken ist nötig
Im dritten und letzten Referat der Vortragsreihe fokussierte Privatdozent Vehresschild, Infektiologe und internistischer Hämato-/Onkologe vom Universitätsklinikum Köln, noch einmal auf Antibiotic Stewardship. „Wir müssen uns berufsgruppenübergreifend vernetzen und querdenken, um ein erfolgreiches Antibiotic Stewardship auf breiter Basis zeitnah erfolgreich implementieren zu können. Ansonsten drohen die krank machenden Erreger über die Antibiotika zu siegen und zwar mit der Gefahr der Entstehung einer Situation wie vor der Penicillin-Ära“, resümierte Vehresschild. (Hardy-Thorsten Panknin, Berlin)
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