Interview mit Schulleiter Michael Rohloff

Dialog
Die Fragen stellte Ludwig Zahn.
Interview mit Schulleiter Michael Rohloff
Michael Rohloff mit den Lehrerinnen Anja Armbrecht (li.) und Julie Jackisch (re.) Für alle: © M. Rohloff/BBG
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Michael Rohloff ist Schulleiter der Schule für Medizinisch-technische Radiologieassistenz an der Berliner Bildungscampus für Gesundheits‧berufe gGmbH, die am 1. April 2021 mit den ersten Auszubildenden an den Start ging. Wir haben ihn unter anderem zu den Herausforderungen der Gründung in Coronazeiten gefragt.

Herr Rohloff, am 1. April 2021 hat die Schule für Medizinisch-technische Radiologieassistenz an der Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH den ersten Ausbildungskurs begrüßt. Was gab den Ausschlag, die neue Schule zu gründen? Wie viele Auszubildende starten in ihr erstes Jahr?

Wie wir es alle jeden Tag erleben, besteht in den Gesundheitsfachberufen und daher auch im Bereich der Medizinisch-technischen Radiologieassistenz ein nationaler Fachkräftemangel. Die Absolventen/-innen der bestehenden MTRA-Schulen in Deutschland können den Mangel nicht mehr kompensieren. Viele fragen sich daher: Warum bilden die Schulen nicht einfach mehr aus? Der Bedarf besteht, und die Bewerbungszahlen steigen stetig an. Doch auch die Schulen haben bestimmte Kapazitätsgrenzen und an diesem Punkt seien auch gesetzliche Vorgaben betont. So müssen natürlich entsprechend ausreichende Praxisplätze vorliegen. Zudem gibt es einen gesetzlichen Lehrenden-Auszubildenden-Schlüssel, welcher erfüllt sein muss. Wenn man sich nun vorstellt, dass es einen Mangel an MTRA gibt, ist es nur logisch, dass die Anzahl an MTRA mit pädagogischer Qualifikation, wie sie für hauptamtliche Lehrkräfte erforderlich ist, noch geringer ist.

Zusammengefasst ist es nicht ganz so einfach, die Auszubildendenzahl einer Schule zu erhöhen. Da der Fachkräftemangel auch in Berlin und Brandenburg herrscht, freue ich mich, dass die MTRA-Bildungslandschaft in dieser Region nun um eine weitere Schule ergänzt wird. Natürlich sehen wir MTRA-Schulen uns keinesfalls als Konkurrenz oder Ähnliches, denn letztlich haben wir alle ein gemeinsames Ziel: Den Fachkräftemangel entspannen und hoch qualifiziertes Fachpersonal auszubilden.

Die Schule für Medizinisch-technische Radiologieassistenz ist eine von 13 Schulen unter dem Dach der Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH. Die „BBG“ bietet insgesamt neun Ausbildungsrichtungen im Bereich der Medizinalfachberufe an: Pflegefachfrau/Pflegefachmann, Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/-in, Logopäde/-in, Physiotherapeut/-in, Diätassistent/-in, Anästhesietechnische/r Assistent/-in, Operationstechnische/r Assistent/-in und seit 1. April nun auch Medizinisch-technische/r Radiologieassistent/-in. Unser Aprilkurs startete planmäßig mit 20 Auszubildenden.

Neue Röntgenanlagen mit digitaler Bildverarbeitung

Und wie viele Auszubildende könnten maximal ausgebildet werden? Wie sehen die Planungen aus? Denken Sie, dass Sie alle angedachten Plätze auch besetzen können?

Wir werden perspektivisch sechszügig laufen mit insgesamt 120 Auszubildenden. Das heißt, wir starten zwei Mal im Jahr jeweils im April und im Oktober mit jeweils 20 Auszubildenden. Ich bin sehr davon überzeugt, dass die Plätze besetzt sein werden. Der jetzige Aprilkurs war bereits im Dezember voll belegt. Der Oktoberkurs dieses Jahres ist bereits jetzt schon mehr als zur Hälfte besetzt. Momentan haben wir circa fünf Bewerbungen auf einen Ausbildungsplatz.

Wer ist Träger des Bildungscampus?

Die Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH ist eine Fusion aus zwei erfahrenen und bewährten Bildungsinstituten zweier großer Unternehmen: der Gesundheitsakademie der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Instituts für berufliche Bildung im Gesundheitswesen der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH. Am 1. Januar 2020 wurden diese Bildungseinrichtungen zusammen in die BBG überführt. Vivantes und Charité sind somit auch die Träger der BBG und gleichzeitig bei der MTRA-Schule auch die Träger der praktischen Ausbildung. Damit einhergehend sind unsere Auszubildenden ab dem ersten Tag Angestellte, entweder der Charité oder bei Vivantes. Die Bewerber/-innen entscheiden selbst, bei welchem Träger sie sich zur Ausbildung bewerben möchten. In jedem Kurs werden zehn Auszubildende über Vivantes und zehn über die Charité aufgenommen. Das Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst bietet unseren Auszubildenden ebenso den großen Vorteil, eine monatliche tarifliche Ausbildungsvergütung zu erhalten. Die Chancen, nach der Ausbildung von den Trägern übernommen zu werden, sind sehr gut.

Auszubildende, erster Jahrgang

Können Sie den Leserinnen und Lesern etwas zum Schulcurriculum sagen?

Natürlich sind auch wir an die geltende Ausbildungs- und Prüfungsverordnung des MTA-Gesetzes von 1994 beziehungsweise 1993 gebunden. Entsprechend überalterte Inhalte muss ich an dieser Stelle, glaube ich, nicht noch mal anbringen, die sind uns wohl zur Genüge bekannt. Daher freue ich mich natürlich auch über die Reform unseres Berufsgesetzes der medizinischen Technologie-Berufe. Nun muss aber auch die entsprechende Ausbildungs- und Prüfungsverordnung im Auge behalten werden. Dazu müssen die Schulen zusammenarbeiten und mitwirken, um eine zeitgemäße, bedarfs- und zukunftsorientierte Ausbildung auch gesetzlich zu verankern. Die Neugestaltung der Regelungen der aufsichtsführenden Behörden auf Landesebene, in welchen zum Beispiel nähere Angaben zur Ausbildungsdurchführung, räumliche und personelle Voraussetzungen der Schulen und Weiteres geregelt werden, sollten ebenfalls beachtet und unter Einbindung der Schulen umgesetzt werden. Jetzt haben die Schulen und die Praxisakteure die Möglichkeit, elementare Grundlagen der Ausbildung unserer künftigen Kollegen/-innen mitzugestalten. Wenn man sie denn lässt.

Wir haben selbstverständlich versucht, die benannten Aspekte der Bedarfs- und Zukunftsorientierung, bei der Gestaltung des Schulcurriculums im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben miteinfließen zu lassen. Die Fächerstruktur der MTA-APrV haben wir modularisiert – sprich: Aus den 22 vorgegebenen Fächern haben wir 43 Module konstruiert. Das ermöglicht den Auszubildenden eine praxisorientierte, greifbare und inhaltlich vernetzte Kompetenz- und Inhaltsvermittlung.

Unter den Modulen finden sich natürlich die Standardinhalte wie Fachenglisch und Psychologie wieder, allerdings werden zum Beispiel Stunden dieser beiden Fächer in einem Modul „Interkulturelles und interprofessionelles Arbeiten“ zusammengefasst. Auch Module wie „Radiologie im internationalen Vergleich“, „Geschichte der Medizin“, „Entwicklungen in Medizin und Technik“ oder „Fehler- und Qualitätsmanagement in der Radiologie“ stehen auf dem Stundenplan. Wir versuchen also, die überholten Vorgaben der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung einzuhalten und parallel zeitgemäß auszubilden. Deutlich wird das beispielsweise auch an dem vorgeschriebenen Fach „Bildverarbeitung in der Radiologie“, in welchem die Entwicklung von Röntgenfilmen primär vermittelt werden soll. Wir haben noch ein paar Stunden Radiologische Diagnostik, EDV und Physik dazugesetzt und das Modul „Bildentstehung damals und heute“ entwickelt, in welchem auch die Detektortechnik und die entsprechende digitale Bildverarbeitung angesiedelt sind.

Natürlich haben wir auch ein Praxiscurriculum konstruiert. Neben den gesetzlich vorgesehenen Praktika in der Röntgendiagnostik gehen unsere Auszubildenden vier Wochen in die Computertomografie und ebenfalls vier Wochen in den MRT-Bereich. Generell haben wir in unserem Schulcurriculum weitestgehend davon abgesehen, Lehr- oder Lernziele zu formulieren, sondern haben entsprechende Zielkompetenzen definiert. Auch für die Bewertung von Testaten, Prüfungen und so weiter erstellen wir zurzeit kompetenzorientierte Bewertungscluster.

Und wie sieht es mit der Ausstattung der Schule aus?

Um die beschriebenen Kompetenzen, welche in der heutigen Radiologietechnologie benötigt werden, auch zu entwickeln, benötigen die Auszubildenden ein entsprechendes Setting. Wie kann ich die notwendigen Handlungsmuster und das Fachwissen im Lernbereich Schule und damit auch am Lernort Training und Transfer, also dem fachpraktischen Unterricht, vermitteln? Diese Frage stellt sich jede Schule im Gründungsprozess. Es gibt auch eine Vielzahl an interessanten Geräten und Ausstattungen. Aber man muss dazu auch erwähnen, dass die medizinisch-technischen Berufe sehr kostenintensiv sind. Gerade im MTRA-Bereich arbeiten wir mit medizinischen Großgeräten. Daher freue ich mich sehr, unseren Auszubildenden einen modernen und praxisorientierten Unterricht in unseren eigens für die Schule umgebauten Skill-Räumen anbieten zu können. In unserem Röntgen-Skill haben wir zwei werksneue digitale Röntgenanlagen inklusive jeweils Bucky-Tisch und Rasterwand-gerät. Hier arbeiten die Auszubildenden jeweils mit mobilen WLAN-Detektoren, wie es auch in der radiologischen Praxis inzwischen der Standard ist. Die Röntgenaufnahmen führen die Schüler/-innen an zwei neuen Ganzkörper-Echtknochen-Puppen sowie weiteren Echtknochen-Phantomen durch. Ich freue mich auch sehr, dass wir zudem eine Knochendichtemessung vorhalten können.

Unsere Schule verfügt zudem über ein schuleigenes PACS-System und einen Betrachtungs-Skill-Raum. Hier stehen den Auszubildenden PC-Arbeitsplätze sowie ein Befundungsmonitor zur Verfügung, an welchen sie im PACS-System ihre erstellten Bilddaten analysieren und interpretieren können. Über dieses System können auch entsprechende Röntgenanforderungen erstellt werden, welche dann auf der Worklist an den Röntgenanlagen erscheinen. Somit haben wir die Möglichkeit, eine Anamnese der/des Patienten/-in einzupflegen, eine Fragestellung zu formulieren und eine Röntgenanforderung einzutragen. Das bietet natürlich für die pädagogische und didaktische Vielfalt eine tolle Grundlage, zum Beispiel für Rollenspiele oder praktische Testate in der Schule. Für den Fachbereich Strahlentherapie haben wir ebenso einen eigenen Skill. Hier stehen den Schülern/-innen sowohl Kombiboards für die gegenseitige strahlentherapeutische Lagerung als auch ein Warmwasserbad für die Herstellung von Stereotaxiemasken aneinander zur Verfügung. Dadurch können sich die Auszubildenden in die Lage der speziellen Patientenklientel einer strahlentherapeutischen Abteilung hineinversetzen.

Im Fachbereich Nuklearmedizin haben wir unseren Skill-Bereich gemäß einem modernen Heißlabor ausgestattet. An zehn Arbeitsplätzen mit Pipetten, Spritzen, Kanülen, Monovetten und so weiter sowie einer Bleiburg und zwei Laminar-Flow-Benches (Sicherheitswerkbänken) erlernen die Auszubildenden die notwendigen Kompetenzen für das verantwortungsbewusste und ordentliche Arbeiten mit Radioaktivität in der Nuklearmedizin. Wir simulieren die Aktivität mit Kochsalzlösung. Außerdem steht uns an der Charité – Universitätsmedizin Berlin eine Gammakamera für den praktischen Unterricht zur Verfügung. Natürlich wird auch der Bereich Strahlenphysik, Dosimetrie und Strahlenschutz praktisch vermittelt. Dafür haben wir zwei vollausgestattete Konstanzprüfmittelsets, mit welchen die Konstanzprüfung an den Schulröntgenanlagen sowie weitere dosimetrische Messungen durchgeführt werden können.

Unsere hellen und frisch renovierten Unterrichtsräume auf der fünften Etage bieten nicht nur einen traumhaften Blick über die Dächer Berlins, sondern sind auch klimatisiert und verfügen jeweils über ein Smartboard. Alle Mitarbeitenden und Auszubildenden verfügen über einen Microsoft-Office-365-Account. Dadurch können sowohl sämtliche Unterrichtsdokumente als auch weitere Unterlagen der Auszubildenden online gespeichert und von jedem Ort der Welt abgerufen werden. Das Programm MS-Teams wird nicht nur bei den Mitarbeitenden als Standard inzwischen für Meetings und Absprachen genutzt, sondern bietet auch den Lernenden eine technische Grundlage für den Austausch untereinander. Also auch hier sind wir technisch sehr gut ausgestattet.

Erster Kurs MTRA A 21 im digitalen Unterricht

Wie arbeiten Sie aktuell an der Schule unter den Coronabedingungen? Hat die Pandemie auch die Planungen für die neue Schule beeinflusst?

Gerade in diesem Zusammenhang hilft unsere IT-Struktur am BBG enorm. Jegliche Kommunikation findet seit einiger Zeit überwiegend digital statt. Auch die Unterrichtsdurchführung kann komplett in der digitalen Welt ablaufen. Als zertifiziertes Bildungsunternehmen haben wir ein funktionierendes Qualitätsmanagement, welches momentan auf Hochtouren läuft, um sämtliche Prozesse regelmäßig zu überprüfen und zu optimieren. Natürlich hat durch die Corona-Pandemie daher auch die Schulgründung in vielen Punkten sehr dynamische Prozesse und Improvisation gefordert. Vorwiegend bei der Suche nach pädagogischem Personal für die Positionen der hauptamtlichen Lehrkräfte an der MTRA-Schule. Die Pandemiezeit wird von vielen als temporär unsicher für einen Jobwechsel angesehen. Das zusammen mit dem beschriebenen Fachkräftemangel, den hohen Anforderungen an Lehrkräfte an MTRA-Schulen (pädagogische Qualifikation) und dem Umstand, dass die Schule sich noch im Gründungsprozess befand, hat die Suche nicht wirklich vereinfacht. Ich habe im August 2020 meine Tätigkeit am BBG aufgenommen und mit dem Gründungsprozess begonnen. Im Februar 2021 ist meine erste Kollegin als Lehrerin gestartet. Im März dann die zweite. Wir suchen auch weiterhin noch motivierte Lehrkräfte für unsere Schule.

Zu jeder Schulgründung gehört der behördliche Prozess der staatlichen Anerkennung bei der Schulaufsichtsbehörde – in Berlin das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo). Die staatliche Anerkennung als Schule im Gesundheitswesen ist Grundvoraussetzung für die Aufnahme des Ausbildungsbetriebes. Insgesamt hat das LAGeSo von mir über 700 Seiten Antragsunterlagen erhalten, daneben Grundrisse, Raumbeschreibungen, Inventardefinitionen, Kaufbestätigungen von Gerätschaften, entsprechend qualifiziertes Personal sowie das gesamte vollständige Schulcurriculum und eine dreijährige Ausbildungsplanung. Jegliche Kommunikation erfolgte aufgrund der aktuellen Situation ausschließlich per E-Mail oder Telefon. Selbst die Anhörung mit der Behörde zum Gründungsprozess fand online statt.

Der Unterricht läuft auch bei uns seit April ausschließlich virtuell. Wir nutzen also Teams für Online-Seminare, stellen unseren Auszubildenden darüber hinaus auch Dokumente und Arbeitsaufträge zur Verfügung, führen Tests darüber durch und können die virtuellen Teams-Räume außerdem für Gruppenarbeiten nutzen oder den Auszubildenden die virtuellen Räume für den individuellen Austausch und für Aufgabenbearbeitungen zur Verfügung stellen – es muss nicht immer eine Lehrkraft überall dabei sein. Die angehenden MTRA-Kollegen/-innen sollen auch im selbstorganisierten Lernen (SOL) produktiv arbeiten und sich organisieren können. Für eventuelle Praxiseinheiten können wir aber unter Beachtung aller Hygienemaßnahmen und in Kleingruppen auch die Praxisräume der Schule nutzen. Wir haben am BBG CO2-Ampeln, und außerdem werden alle Mitarbeitende und alle Auszubildende, wenn sie vor Ort sind, bis zu zwei Mal pro Woche schnellgetestet. Unsere Auszubildenden bekommen über die Träger zusätzlich alle ein Impfangebot. Auch die Mitarbeitenden haben inzwischen alle eins erhalten.

Wir evaluieren selbstverständlich in regelmäßigen Zeitabständen aufseiten der Lehrenden, aber auch der Lernenden, um schnell Defizite und Probleme zu identifizieren und entsprechend zu intervenieren und optimieren zu können. Bisher muss ich aber sagen, läuft es sehr gut, und alle sind unter Berücksichtigung der besonderen Situation zufrieden.

Kontakt:michael.rohloff@bildungscampus-berlin.de

Entnommen aus MTA Dialog 5/2021

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