Hautveränderungen durch COVID-19

Interview
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Matthias Schmuth
Matthias Schmuth MUI/David Delius
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Bei vielen Viruserkrankungen wie Masern, Röteln, Papillom oder Herpesviren bietet die Haut erste diagnostische Zeichen für eine Infektion. Auch bei COVID-19 entwickelt zumindest ein Teil der Patientinnen und Patienten Hautveränderungen.

Phänomene wie die sogenannten COVID-Zehen werfen Fragen auf. Auch an der Medizinischen Universität Innsbruck wird nach Antworten gesucht. Matthias Schmuth, Direktor der Univ.-Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, gibt einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen.

Sind Hautveränderungen ein Signal für eine COVID-19-Infektion?

Matthias Schmuth: Als die Pandemie vor einem Jahr begonnen hat, gab es relativ schnell Berichte zu Hautveränderungen, die mit der Infektion einhergehen. Diese gingen davon aus, dass zumindest jede fünfte Patientin, jeder fünfte Patient betroffen sei. Aber nach einem Jahr stellt sich heraus, dass voreilig publiziert wurde, dass diese Zahl zu hoch ist und es sorgfältige Registerstudien braucht, um belastbare Daten zu liefern. Es gibt verschiedene Muster, stark vereinfacht ist es so: Eine COVID-19-Infektion kann einerseits Hautausschläge am ganzen Körper verursachen, und andererseits zu Zeichen von Blutungen beziehungsweise Thromboseereignissen der Haut führen. Außerdem geht das mit COVID-19 assoziierte Morbus-Kawasaki-artige Syndrom bei Kindern mit Veränderungen von Haut und Lippen einher.

Ist ein Nesselausschlag ein Hinweis für SARS-CoV-2?

Matthias Schmuth: Ein Nesselausschlag kann ein Warnzeichen sein, das sehen wir bei uns in der Notaufnahme. Dieser kann durch verschiedene Infekte hervorgerufen werden, unter anderem auch als frühes Anzeichen für eine COVID-19-Infektion.

Wie kommt es zu COVID-assoziierten Hautveränderungen?

Matthias Schmuth: Wir wissen, dass SARS-CoV-2 an den ACE-2-Rezeptor in den Zellen bindet. Dieser ist auch in Hautzellen vorhanden, sodass auch diese infiziert werden können. Man hat das Virus direkt in der Haut nachweisen können. Die Infektion erfolgt aber natürlich über den Nasen-Rachen-Raum. Die Ursache für die beobachteten Thrombosen und Mikroblutungen in der Haut ist aber eine andere: Das sind nicht direkte, sondern Folgewirkungen der Infektion. Wir kennen das auch von anderen Organen, hier kann es durch eine COVID-19-Erkrankung zu Verschlüssen von Blutgefäßen und Schädigungen von Gefäßwänden kommen. In der Haut zeigt sich das unter anderem in Form von dunkelvioletten bis schwarzen Verfärbungen - diese nicht selten an Fingerspitzen oder Zehenspitzen bei schweren Verläufen. Hierbei kommt es manchmal auch zu Gewebeuntergang, also einem Absterben von Gewebe.

Was sind die sogenannten COVID-Zehen?

Matthias Schmuth: Das ist ein umstrittenes Phänomen. Seit Beginn der Pandemie kommen oftmals junge Patientinnen in die Ambulanz mit rot-violett verfärbten Zehen, ohne dass ein Gewebeuntergang vorliegt. Ein COVID-19 PCR- oder Antigentest fällt bei ihnen oft negativ aus, häufig auch der Antikörpertest. Trotzdem vermuten manche einen Zusammenhang mit einer COVID-19-Exposition. Eine Hypothese ist, dass insbesondere junge Menschen, die eine SARS-CoV-2 Infektion ohne Symptome durchmachen, die „COVID-Zehen“ im Rahmen einer effizienten Reaktion des angeborenen Immunsystems gegen das Virus entwickeln. Aktuell sammeln wir diese Fälle und schauen uns das systematisch gemeinsam mit anderen Zentren im Rahmen einer Studie an. Wichtig ist, dass wir nicht - wie man das in der Anfangsphase der Pandemie gesehen hat - vorschnelle Rückschlüsse ziehen, sondern mithilfe sorgfältiger, wissenschaftlicher Arbeit Antworten finden. Es mag auch herauskommen, dass die Zehenverfärbungen gar nichts mit COVID zu tun haben.

Sind Hautkrankheiten wie Schuppenflechte oder Neurodermitis Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf?

Matthias Schmuth: Für entzündliche Hauterkrankungen wurden weltweit Register etabliert. Hautärztinnen und Hautärzte haben ihre Daten eingegeben, und es hat sich gezeigt, dass für die meisten dieser Patientinnen und Patienten, wenn sie sich infizieren, keine nachteilige Immunantwort auf das Virus vorliegt. Durch einige Medikamente, die zur Behandlung eingesetzt werden, wie Immunsuppressiva, kann jedoch ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-Verlauf entstehen. Das gilt nicht für Biologika, die zum Einsatz kommen. Es ist jedenfalls gut, seine Ärztin beziehungsweise seinen Arzt zu kontaktieren und nachzufragen, ob ein Medikamentenwechsel unter Umständen sinnvoll ist.

Welchen Einfluss hat die COVID-Pandemie auf Hauterkrankungen?

Matthias Schmuth: Dauerhafter Haarausfall ist bei Long-COVID vermehrt beschrieben, insgesamt ungefähr so häufig wie Kurzatmigkeit. Ein aktuelles COVID-Thema in der Dermatologie sind Handekzeme. Diese treten oft beim Gesundheitspersonal auf, unabhängig davon, ob eine Infektion vorliegt. Die Ursache ist hier natürlich das häufige Händewaschen. Regelmäßiges Eincremen in Zusammenhang mit der Händedesinfektion kann hier vorbeugend wirken. Bei einem manifesten Ekzem sollte dermatologischer Rat gesucht werden.
Ein weiteres Problem ist Hautkrebs. Im letzten Jahr hat die Angst vor einer Corona-Ansteckung zu verspäteten Hautkrebsdiagnosen und größeren Tumordicken mit schlechteren Heilungschancen geführt - und zwar von allen Tumoren am stärksten bei Hautkrebs. Wir appellieren eindringlich an die Bevölkerung, bei Hautveränderungen nicht zu warten, sondern umgehend Hautkrebsfrüherkennungs- und/oder Nachsorgeuntersuchungen wahrzunehmen.

Sind allergische Reaktionen auf die Impfung häufig?

Matthias Schmuth: Unsere Erfahrungen in Innsbruck und die Studien zeigen, dass es nur selten zu einer allergischen Reaktion nach einer Impfung kommt. Auch zeigt sich, dass es nach einer Impfung mit mRNA-Impfstoffen zu einer flächigen, roten Verfärbung des Oberarmes kommen kann. Dem liegt eine verzögerte Immunreaktion zugrunde, die wieder abklingt.

Befeuert die Corona-Impfstoffentwicklung auch die Melanomforschung?

Matthias Schmuth: BionTech hat die mRNA-Impfstoffe initial für die Behandlung des Melanoms entwickelt. Die Technologie wurde für SARS-CoV-2 adaptiert. Die Melanomimpfung wird jetzt umgekehrt durch die Erfolge bei der Corona-Impfung befeuert. Es werden sicher einige neue Therapien aus der mRNA-Schiene entwickelt werden.

Hinweis:

Videos auf der Hautklinik-Webseite bieten Übersichten zu verschiedenen COVID-Themen.

 

Quelle: MUI, 07.05.2021



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