Faszination Mikrobiologie
Die Idee zu den Mikrobiologietagen entstand vor geraumer Zeit, erinnert sich MTL Marianne Vetter-Knoll: „Es gab zwar bei den MTA-Kongressen immer auch einen mikrobiologischen Teil. Allerdings war häufiger die Kritik zu hören, dass nicht ausreichend auf die mikrobiologisch tätigen MT eingegangen werde.“ So diskutierten vor mehr als zehn Jahren Vetter-Knoll und MTL Waltraud Malms-Fleschenberg, wie sich eine zweitägige Fortbildung für MT in der Mikrobiologie überregional organisieren lassen könnte. „Die fachliche Organisation, wie etwa Referentensuche und Themenauswahl, trauten wir uns zu, ehrenamtlich zu stemmen. Der Verwaltungsaufwand, also Registrierung der Teilnehmenden, Hotelbuchungen, Gebühren und so weiter, erschien nur über die DVTA Bildungsgesellschaft umsetzbar.“ Der damalige Vorstand stimmte einem Versuch zu.
„Das bedeutete natürlich ein finanzielles Risiko, denn wir wussten ja nicht, wie das Angebot angenommen würde“, so Vetter-Knoll rückblickend. Da jedoch viele Jahre hindurch die Fachveranstaltung für die histologisch tätigen MT gut angenommen worden war, erschien ein Misserfolg nicht wahrscheinlich. „Wir wählten Berlin für die ‚Probeveranstaltung‘, da ich einige mögliche Referenten und Referentinnen aus unserem Institut in Freiburg kannte, die nach Berlin in die Charité gewechselt waren“, berichtet Vetter-Knoll. „Eine Kollegin aus unserem Institut war bereit, im Organisationsteam mitzuarbeiten. Zu Beginn waren wir also nur zu dritt: Waltraud Malms-Fleschenberg, Rita Engelhard und ich.“
Erfolgreicher Start
Mit 180 Teilnehmenden wurden die ersten Mikrobiologietage im November 2013 zu einem vollen Erfolg. Der Mikroskopierkurs war ausgebucht, und die Workshops waren ebenfalls gut besucht. Sogar die Industrie zeigte Interesse; einige Sponsoren engagierten sich. „Daraus ergab sich die Erwartung, dass die Mikrobiologietage einen festen Platz im Fortbildungsangebot der DVTA Bildungsgesellschaft bekommen würden“, sagt Vetter-Knoll. „Dieser Erfolg ermunterte uns, für 2014 die zweite Ausgabe zu planen – erneut in Berlin. Als weitere Unterstützerin kam Nadja Ewers in unser Organisationsteam. Diesmal hatten wir ein umfangreiches Rahmenprogramm im Angebot. Insbesondere der Sektempfang mit der Bücherlesung von PD Dr. Lothar Beutin fand sehr viel Zuspruch. Die Besichtigungsangebote im Labor Berlin Charité Vivantes GmbH und die Führung durch das medizinhistorische Museum der Charité waren ausgebucht; außerdem gab es noch die Möglichkeit, die Vorführung des BD MAX™ von BD zu besuchen.“
Um die Mikrobiologietage nicht auf Berlin zu beschränken, fand die dritte Ausgabe im Essener Ruhrturm statt – ebenfalls mit einer Industrieausstellung. Nach den Workshops und dem Mikroskopierkurs folgten erneut eine Krimilesung mit Beutin und ein Sektempfang. Die vierte Ausgabe sollte aufgrund des guten Besuches nochmals in Essen stattfinden. Dank seiner unmittelbaren Bahnhofsnähe bot sich das Haus der Technik an. „Wir verlegten die Vortragsveranstaltung auf Freitag und die Workshops inklusive Parasitenkurs auf Samstag, schwerpunktmäßig auf vormittags. Das hat den Vorteil, dass Teilnehmende mit weiter Anreise mit ihrer Rückreise am Samstag flexibler planen können“, sagt Vetter-Knoll. Bedauerlicherweise gab nach dieser Tagung Rita Engelhard ihre Mitarbeit im Organisationsteam aus Altersgründen auf. Vetter-Knoll: „Dafür konnten wir eine junge Kollegin aus München gewinnen: Christina Haese war sofort bereit, bei uns mitzuarbeiten – und hat dann bei der Programmplanung für die fünften Mikrobiologietage mitgewirkt.“
Diese Fortbildung fand im Dresdener Hotel Meliá statt. Rund 150 MT(A) nahmen teil, darunter sogar eine Ausbildungsklasse der MTA-Schule Leipzig. Nach den spannenden Vorträgen lud die Hotelleitung zu Sekt ein; danach gab es die Möglichkeit, die Frauenkirche zu besichtigen. Krönender Abschluss, erinnert sich Vetter-Knoll, war ein gemeinsames Abendessen im historischen Pulverturm. Neben den Workshops am Samstag war ferner ein Besuch des Hygienemuseums möglich. „Teilnehmende waren begeistert von der Stadt wie auch vom gesamten Programm.“
Die sechsten Mikrobiologietage fanden dann in der Barockstadt Fulda statt. Nach der vielseitigen Vortragsveranstaltung im Parkhotel gab es am Freitag zunächst die Möglichkeit, an zwei verschiedenen Stadtführungen teilzunehmen. Es folgten Beutins Lesung aus seinem neuen Wissenschaftskrimi „Muttis Erben“ und ein gemeinsames Abendessen. „Nach Mikroskopierkurs und Workshops am Samstag gingen wir – wie nach jeder Veranstaltung – die Evaluationsbögen durch“, so Vetter-Knoll. „Uns war und ist wichtig, was wir besser machen können, wie auch Fortbildungswünsche für weitere Mikrobiologietage. Diesmal wurde überraschend häufig der Wunsch nach Beibehaltung der Mikrobiologietage geäußert.“ Vetter-Knoll zitiert Beispiele: „Bitte die Mikrobiologietage so beibehalten! Da der MTA-Beruf ja doch sehr breit gefächert und oft sehr speziell ist, sind die Mikrobiologietage immer sehr gute Fortbildungsveranstaltungen …“
Zu den siebten Mikrobiologietagen ging es wieder in das Hotel in Dresden, das bei den Teilnehmenden sehr gut angekommen war. Über 170 MT(A), darunter wieder eine MTA-Schulklasse, folgten der Einladung. „Zum ersten Mal hatte ich ein (mikrobiologisches) Preisrätsel vorbereitet“, sagt Vetter-Knoll. „Die richtige Lösung war für mikrobiologisch tätige MTL nicht schwer – und alle ‚Richtigen‘ kamen in den Lostopf. Die Preise wurden sowohl von einigen Industrieausstellern und unserer Bildungsgesellschaft wie auch von der Hotelleitung gestiftet.“
Die achten Mikrobiologietage sollten eigentlich im November 2020 in Nürnberg stattfinden. Das Programm war fertig und das Hotel ausgewählt; wegen der Pandemie mussten wir leider absagen. Ein Jahr später fanden die achten Mikrobiologietage dann im Best Western Plus Palatin Kongresshotel in Wiesloch statt. Vetter-Knoll: „Immer noch unter Beachtung der Coronaregelungen nahmen wir und rund 120 Teilnehmende, darunter eine Gruppe Auszubildende der MTA-Schule Karlsruhe, diese Herausforderung an.“ Bei den Vorträgen, Workshops und Mikroskopierkurs mussten 2021 Abstandsregelungen eingehalten werden, dadurch war die Teilnehmerzahl eingeschränkt. „Auf ein Rahmenprogramm mussten wir verzichten; immerhin hatte ich wieder ein Preisrätsel vorbereitet, das von sehr vielen richtig gelöst und mit vielseitigen Preisen belohnt wurde.“ Der Hauptpreis war ein großer Geschenkkorb mit badischem Wein, gespendet von der Hotelleitung.
Die neunten Mikrobiologietage konnten 2022 in Nürnberg stattfinden. „Wir übernahmen im ArvenaPark-Hotel am Franken-Center das vorgesehene Programm von 2020 weitgehend und viele der bereits ausgewählten Referenten waren wieder dabei“, erinnert sich Vetter-Knoll. Die DVTA-Präsidentin Christiane Maschek füllte krankheitsbedingte Vortragslücken: Sie berichtete über das neue MT-Berufe-Gesetz, und die Teilnehmenden konnten ihre Fragen und Kritikpunkte vorbringen. Neben den vielseitigen Vorträgen und Workshops gab es erneut ein Preisrätsel mit attraktiven Preisen. Zahlreich waren die Fortbildungswünsche für die folgenden Mikrobiologietage im November 2023.
Die Jubiläumsveranstaltung
Für die zehnten Mikrobiologietage ging es zurück ins Essener Haus der Technik. Grundlagen, neue Trends und – besonders spannend – seltene Diagnosen quer über das Mikrobiologie-Spektrum hinweg standen auf dem Programm. „Aufgegriffen wurden mit dieser Agenda die Anforderungen aus der Befragung der Vorjahresveranstaltung“, erklärte Malms-Fleschenberg: Pilzdiagnostik, Stuhldiagnostik und PCR sowie Resistenzbestimmung und der Parasiten-Mikroskopierkurs. Weitere Themen waren Virologie und Blutkulturen und EUCAST.
Über mehrere seltene, schwierig zu identifizierende Bakterien referierte Dr. Thien-Tri Lam aus Würzburg. Zu seinen spannenden Beispielen zählten Endokarditis verursacht durch Tropheryma whipplei ebenso wie ein Ausbruch von Leptospirose unter Erdbeerpflückern, mit Leptospira interrogans als Verursacher, einem gramnegativen Bakterium. Eine Wundinfektion durch einen Vertreter der Achromobakter-Spezies zeigte ein weiterer Fall. Seine Vorträge richtete Lam fallbezogen aus, weil Raritäten als Einzelfälle auftreten. Wo liegen die Herausforderungen im Alltag? „Es geht darum, an solche Erreger überhaupt zu denken – da ihr Nachweis nicht unbedingt Teil von Routineuntersuchungen ist. Eine umfängliche Differenzialdiagnostik verbunden mit einer guten (Reise-)Anamnese können zielführend sein.“ Es gebe bei den „Seltenen“ auch unterschiedliche Dimensionen – sie reichen, so Lam, von seltenen Spezies über häufige Spezies mit ungewöhnlicher Resistenz hin zu ungewöhnlichen Ausbruchsgeschehen.
Die Stuhldiagnostik sei sehr sensitiv und lasse sich schnell, mit geringer Hands-on-Zeit, umsetzen, erläuterte Prof. Dr. Erik Glocker aus Baden-Baden. „Mit Multiplex-Panels lassen sich mehrere Erreger gleichzeitig nachweisen – Viren, Parasiten, Bakterien“, fuhr der Referent fort. Die Einarbeitungszeit sei kurz. Die Diagnostik im Stuhllabor habe durch die PCR eine deutliche Verbesserung erfahren. Allerdings ergebe sich häufig eine Überdiagnostik – mit einem Beiwerk an wenig relevanten Erregern. Die PCR-Ergebnisse sollten also von Spezialisten eingeordnet werden. „PCR bedeutet nicht das Ende von Kulturen, die etwa für eine Resistenztestung im Zuge der Antibiose nötig sind. Kulturen und PCR – die bislang in niedergelassenen Laboren eher verbreitet sind als an Hochschulen – sollten Hand in Hand gehen.“
Die indirekte Erregerdiagnostik steht für Ewers im Vordergrund. Sie arbeite in der Serologie und sei daher bestrebt, dieses Gebiet im Rahmen der Mikrobiologietage mit voranzubringen. „Die ehrenamtliche Tätigkeit hat für mich einen hohen Stellenwert“ – daher kam sie nach einem arbeitsreichen Freitag am Samstag noch zur Tagung. Der Berufsstand profitiere immens vom Ehrenamtsengagement.
Die Arbeit im klinischen Labor sei gekennzeichnet von einer enormen Vielfalt und hohem Zeitdruck, beschrieb Elke Schernikau den Alltag. Sie hat MT gelernt und im Labor gearbeitet, danach kehrte sie als Fachärztin für Laboratoriumsmedizin und Oberärztin am Klinikum Stuttgart ins Labor zurück. „Die Pandemie brachte Jahre der Höchstleistung für die Mitarbeitenden im Labor“, rief Schernikau in Essen ins Gedächtnis, die aus MT- und Medizinersicht auf das Arbeitsgebiet blickt. „Von null auf hundert haben wir eine umfassende Analytik erstellt – unter Hintanstellung eigener Bedürfnisse. Diese systemrelevante Herkulesarbeit der Testung, Tag und Nacht, fand nie relevante Anerkennung in der Öffentlichkeit – Applaus und Prämien erhielten nur die Kolleginnen und Kollegen.“ Sie sei begeistertes Mitglied im DVTA, der herausragende Arbeit für die Fortbildung und für die Positionierung des Berufsbildes inklusive der angemessenen Berufsbezeichnung leiste. Auch der Schwerpunkt auf die praktische Berufsausbildung in Laboren sei dem Verband zu verdanken.
Eine Fülle von praxisrelevanten Anregungen nehme sie als „Stammgast“ auch diesmal mit von den Mikrobiologietagen. Den Austausch mit Referenten und Teilnehmenden empfand sie ebenfalls als inspirierend, spannend und wertvoll. Ihre Aufforderung an alle, die sich für den Beruf interessieren könnten, lautet: „Werden Sie MTL – trotz der Spät-, Nacht- und Weihnachtsdienste etwa im Krankenhaus. Als MT nimmt man ständig am Fortschritt der wissenschaftlichen Weiterentwicklung teil. Die Laborarbeit ist zu über 70 Prozent der Diagnostik für das Schicksal und das Wohl von Patientinnen und Patienten mitentscheidend – jede MTL weiß um diese hohe Bedeutung ihrer beziehungsweise seiner Aufgabe.“
Eine gelungene Jubiläumstagung
Die Vorträge wurden auch bei der Jubiläumstagung gut angenommen: Ein aufmerksames Publikum mit zahlreichen Fragen beobachtete zum Beispiel Malms-Fleschenberg. Spaß kam durch das mikrobiologische Preisrätsel hinzu, und das nette gemeinsame Abendessen unterstützte das Netzwerken. Bereits angelaufen sei nun die Planung für die Mikrobiologietage 2024, sagte Haese. Sie werden wieder im November stattfinden, in der beliebten Stadt Dresden. Themenwünsche wie Mykobakterien, Pilze, Parasiten, Antibiotika und die Testung von Resistenzen würden ebenso aufgegriffen wie Raritäten.
Die Mikrobiologietage seien ein wichtiges Element im Spektrum der Fortbildungsangebote des DVTA, resümierte Maschek lobend. „Solche kleinen, kompakten Tagungen und Kongresse bieten den MT eine gute Gelegenheit, ihren Wissensstand aufrechtzuerhalten und zu vertiefen.“ Sie ermöglichten ferner den Austausch der Fachkräfte untereinander sowie mit Expertinnen und Experten.
Entnommen aus MT im Dialog 1/2024
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