ETIM 2020

Neue Technologien in der Medizin, künstliche Intelligenz und Microlearning
Mirjam Bauer
ETIM 2020
Das Lehr- und Lernzentrum mit Deichmann-Auditorium auf dem Universitätsgelände Für alle: © M. Bauer
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Das Essener Universitätsklinikum befindet sich mitten in der Transformation zum „Smart Hospital“. Vor diesem Hintergrund findet dort seit vier Jahren immer im Februar das Symposium Emerging Technologies in Medicine (ETIM) statt, auf dem Sprecher aus aller Welt die neuesten digitalen Entwicklungen und vielversprechende Technologien in der Medizin präsentieren. Rund 400 Wissenschaftler und Praktiker folgten Ende Februar den Vorträgen und Diskussionen.

Eines der Schwerpunktthemen ist alljährlich der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) auf Basis von Big Data und maschinellem Lernen; weitere Themen adressierten unter anderem bisher die Robotik, 3-D- und Bioprinting sowie „Tissue Engineering“. In diesem Jahr stand ein neuer Fokus der Aus-, Weiter- und Fortbildung, das E-Learning und hier speziell das Microlearning auf der Agenda.

Diese Lernform ist insbesondere für die neuen digital basierten Medizinprodukte-Anwendungen nutzbringend, um den richtigen Umgang mit solchen Systemen zu schulen. So fanden einige Vorträge passend dazu bereits auf neue Weise statt: Ein Referent übertrug eine „Microlearning-Einheit über das Lernen“ virtuell per Video aus der Schweiz, in einem weiteren Vortrag partizipierten die Teilnehmer interaktiv mit dem Smartphone. Das E-Learning bezeichnet dabei lediglich die Möglichkeit, mit dem PC zu lernen, während das Mobile Learning auf mobilen Devices (also Smartphones, Tablets und so weiter) stattfindet. Der neue Begriff Microlearning bedeutet: Es gibt viele einzelne Lerneinheiten in kompakten, circa 15-minütigen Einheiten, die sich per Video, Text, Podcasts et cetera zeit- und ortsunabhängig in den Alltag einbinden lassen. Dabei ist ein pädagogisches Konzept, das diese Einheiten in eine Gesamtstrategie integriert, die Methodik der Wahl. Sie zeigt, so Linda Zolliker von Connect, in Kombination mit Präsenzphasen vor Ort die besten Lernerfolge.

Begrüßung zum 4. ETIM-Kongress: Prof. Dr. Forsting, Chefradiologe und Prodekan

Besser lernen dank Microlearning

Prof. Dr. Michael Forsting, Chef der Radiologie im Essener Universitätsklinikum und Initiator des ETIM-Kongresses, erklärte: „Microlearning an sich ist kein Novum, nur das Wort ist neu und ‚irgendwie cool‘. Es geht darum, komplexe Lerninhalte in kurze Zeitslots zu packen – anstatt Stunden am Stück zu lernen. Ich kenne viele, die das schon immer so praktiziert haben.“ Auch das Diskutieren in Gruppen oder kurze Workshops sind Micro-learning-Einheiten und für die Mediziner bei Weiter- und Fortbildung genauso gut geeignet wie fürs Studium. „In Essen versuchen wir nun, eine solche Plattform aufzubauen, erst für die eigenen Mitarbeiter – und danach sehen wir weiter“, so der Prodekan der Medizinischen Fakultät. (Video: www.youtube.com/watch)

Diesen Aussagen stimmte Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Essener Klinik, vollends zu: „Nachdem ich das Microlearning erst ein wenig skeptisch sah, habe ich nun das Prinzip verstanden: Wir werden es sicher bald für unsere Studenten nutzen!“

KI: Fokus auf Akzeptanz und Transparenz

Über den Wandel, den der Kongress durchgemacht hat, freut sich PD Dr. med. Felix Nensa, Oberarzt und KI-Spezialist: „Nachdem wir in den vergangenen Jahren hauptsächlich Pilotprojekte vorgestellt haben, sehe ich nun eine Verschiebung in Richtung klinischer Akzeptanz und Verständnis. Ein Arzt muss den Algorithmus verstehen, den er nutzt, und ihm vertrauen. Er sollte eine Art Supervisor sein, nicht zuletzt für den Patienten, der sicher versorgt sein will und gegebenenfalls nachfragt. Wir widmen uns aktuell insbesondere Produktivitäts- und Workflowtools, mit denen man die klinische Routine unmittelbar verbessern kann.“ (Video: www.youtube.com/watch)

„Neu entwickeln wir im Rahmen des Forschungsprojekts ,AutoPiLoT‘ ein Blutproduktemanagement vor dem Hintergrund der sehr beschränkten Haltbarkeit von Blutkonserven. Zu viel wird derzeit von diesem wertvollen Gut weggeworfen! Mit maschinellem Lernen wollen wir vorhersagen, wie viel wir in der nahen Zukunft brauchen werden, um weniger wegzuwerfen und den Workflow in der Transfusionsmedizin zu verbessern“, erläutert der Oberarzt und Radiologe des Essener Universitätsklinikums.

„AutoPiLoT“ soll unter medizinischen, ethischen und ökonomischen Gesichtspunkten einen optimalen Umgang mit Blutspenden ermöglichen. Mit KI-basierten, datengetriebenen Ansätzen für die Unterstützung der leitliniengerechten ärztlichen Indikationsstellung für Transfusionen sollen die Konserven automatisiert und patientenindividuell zugeordnet werden. Außerdem wird so das Logistikmanagement in der Transfusionsmedizin verbessert. Das Universitätsklinikum Essen implementiert dies exemplarisch als Maximalversorger – bis September 2022 ist das Projekt bewilligt. Die Fördersumme aus dem Bundesgesundheitsministerium beträgt 1,8 Millionen Euro.

Vor dem Start-up-Battle: Diskussionen über die digitalen Lösungen

Neben der optimierten Lagerhaltung soll der klinikweite Bedarf an Blutprodukten genauer prognostiziert werden, um die Verfalls-rate zu senken. Dieser Ansatz soll mit einer Smartphone-App kombiniert werden, die idealerweise für die gezielte Mobilisierung von Blutspender/-innen eingesetzt wird.

Der Leiter des Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen (ZusE), Universitätsklinikum Gießen-Marburg, Dr. Jürgen Schäfer, referierte über die Erkrankungen, die weder in Büchern stehen noch im Medizinstudium vorkommen: „IT-Tools wie beispielsweise Orphanet unterstützen uns dabei hervorragend. Diese Algorithmen ermöglichen uns, über Phenomizer seltene Erkrankungen kennenzulernen, von denen wir vorher nie gehört haben. Eine eigene Initiative mit Medizinstudenten hilft der Marburger IT dabei, Suchstrategien zu entwickeln, die später in Diagnose-unterstützende Systeme wie beispielsweise Ada eingepflegt werden.“

Über zwei Tage moderierte das Duo Dr. Anke Diehl und Dr. Daniel Pförringer die Veranstaltung fachlich passend und mit immer wieder kurzweiligen Anekdoten zwischen den fast 20 Vorträgen. Ein Start-up-Battle rundete den ersten Kongresstag ab: Gemeinsame Gewinner wurden die Projekte „Virtueller Pflege-Assistent über ein smartes Armband“ von Microsynetics aus Hamm und die Kommunikations-App Join von Allm EMEA aus Essen.

Prof. Dr. Jochen A. Werners Abschluss-Statement: „Microlearning ist die Zukunft!“

Was können MTA mitnehmen?

Welche Botschaften brachte der Kongress für die MTA? Schluss mit dem Dienst auf Basis bisher gelernter Methoden, forderte der Leitende MTRA der Uniklinik Essen, Anton Quinsten, seine Berufskollegen auf. An Veranstaltungen zu neuen Technologien teilnehmen, diese neuen Ansätze kennenlernen und ihre Umsetzung im eigenen Umfeld mitprägen, „damit wir nicht den Anschluss an die hoch technisierte Entwicklung verlieren“ – so Quinstens Botschaft weiter. MTA sollten nicht nur nach Vorschriften arbeiten, wie sie es gegebenenfalls einmal gelernt haben. Heute komme es vielmehr darauf an, neue Wege zu finden, sich an Entwicklungen anzupassen und lebenslang zu lernen. Vielleicht entwickeln MTA ja spannende eigene Ideen, um das Microlearning auch in ihrem Curriculum zu integrieren.

Der nächste ETIM wird – so der Plan – Ende Februar 2021 im Lernzentrum an der Virchowstraße in Essen stattfinden. Eine Zeitinvestition, die sich lohnt!

Entnommen aus MTA Dialog 5/2020

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