„Endlich“ ein neues MRT-Kontrastmittel

Jahresauftakt: Münchner Radiologiesymposium bietet Update
M Reiter
MRT-Aufnahmen
Abb. 1: Aus Studien zum neuen Kontrastmittel Gadopiclenol: 80-jähriger Patient mit multiplen Metastasen eines Lungenkarzinoms © Bracco Imaging Deutschland GmbH
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Neuer Veranstaltungsort, gleicher Spirit: Aus dem MR/CT Symposium Garmisch ist das Münchner Radiologie Symposium geworden.

Der Umzug ist zeitgemäß, erläuterte der Veranstaltungsmacher Prof. Dr. Jens Ricke. Das Ambiente des 50er-Jahre-Museums kam bei den Teilnehmenden gut an, freute sich der Direktor der Klinik und Poliklinik für Radiologie der LMU: „Das Symposium punktet mit einem wissenschaftlichen und zugleich – als Schwerpunkt – praktischen Programm.“ Das Spektrum der Ausgabe 2024 reichte von der Gastrointestinal-Sitzung über Differenzialdiagnosen bis hin zur strukturierten Befundung. Neuigkeiten bei MRT-Kontrastmitteln standen in der Landeshauptstadt oben auf der Tagesordnung. Gadolinium (Gd) sei als Schwermetall aus der Gruppe Lanthanoide in Reinform hochtoxisch und nur komplexgebunden als Kontrastmittel sicher anwendbar, erinnerte Prof. Dr. Ulf Teichgräber. Lange habe es eine Entwicklung von den sogenannten linearen hin zu den makrozyklischen Kontrastmitteln gegeben, so der Direktor des Instituts für Radiologie am Universitätsklinikum Jena. „Insgesamt hat sich jedoch in den letzten zwei Jahrzehnten im Bereich der MRT-Kontrastmittel aber wenig getan.“

Die Europäische Arzneimittelagentur hatte gefordert, Gadolinium in der geringstmöglichen effektiven Dosis einzusetzen. Vor diesem Hintergrund engagierten sich mehrere Hersteller in der Entwicklung. Einer von ihnen ist Bracco: Gadopiclenol ist mit zwei Bindungsstellen für Wassermoleküle – statt einer – formuliert. Ein größeres Molekül sorgt für höheren Energietransfer durch eine verringerte Rotationsrate, und hydrophile Seitenketten bieten zusätzliche Interaktionsstellen für Wassermoleküle und hierdurch höhere Relaxivität. „Gadolinium zeigt bei einer Curie-Temperatur oberhalb von 20 Grad eine Veränderung von ferro- zu paramagnetischen Eigenschaften, verstärkt durch die Komplexbildner mit Außengruppen“, erläuterte Teichgräber. Dies sei mit dem neuen Kontrastmittel Gadopiclenol gelungen, mit einer Verdoppelung gegenüber Gadobutrol/Gadovist. Die Verdopplung der Relaxivität und Verstärkung des Kontrasts bringe eine Halbierung der Dosis bei besserer Sichtbarkeit mit sich. Der Jenaer Radiologe weiter: „Hiermit leisten wir auch einen wichtigen Beitrag zur planetaren Gesundheit – von der energieaufwendigen Gewinnung von Gadolinium bis hin zur Präsenz im Abwasser.“

Wichtiger Beitrag der Radiologie für die Umwelt

Zu dem hochstabilen Gadolinium-Chelatkomplex wurden zwei Vergleichsstudien durchgeführt mit dem Ziel, eine Nichtunterlegenheit bei halber Dosis gegenüber Gadobutrol zu belegen. Die Phase-III-Studien zeigten eine mindestens gleichwertige Darstellung von Läsionen. Teichgräber betrachtet das neue Kontrastmittel somit als „game changer“, der sich dank der Vorteile auf dem Markt behaupten werde: „Endlich kommt hierdurch ein Innovationsimpuls.“

Während das Produkt die FDA-Zulassung bereits erhalten hat, steht es in Europa kurz vor der Zulassung. Seit Anfang des Jahres ist es bestellbar, avisiert für die Lieferung ab Frühjahr. Jena war eines der Zentren, die an der Zulassungsstudie beteiligt waren. Teichgräber ist nun „erpicht, es auch in der Routine einzusetzen“. Potenzielle Vorteile sieht er etwa in Anwendungsbereichen wie Angiografieprotokollen und Mikrovaskulatur – erste Beispiele hierzu kämen aus den USA.

Die neue Struktur mit einem hochwirksamen Maß an Relaxivität beurteilte in München auch Prof. Dr. med. Thorsten Bley positiv. Die Studien hätten belegt, dass sich klarere und informativere Bilder während einer MRT-Untersuchung generieren ließen, sagte der Leiter des Instituts für Röntgendiagnostik an der Uniklinik Würzburg.

„Weiß auf schwarz“

Bei der Herzbildgebung sei das Zusammenwirken der sich ergänzenden bildgebenden Modalitäten, insbesondere von CT und MRT, unabdingbar, betonte Prof. Dr. Matthias Gutberlet, insbesondere bei der Diagnose der Volkskrankheit Koronare Herzerkrankung. Im Januar habe der G-BA einen Beschluss zur Vergütung der Koronar-CT im Bereich der GKV gefasst, fuhr der Inhaber der Professur für „Kardiologische Bildgebung in der Radiologie“ der Universität Leipzig und Chefarzt der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Herzzentrum Leipzig fort. Dies werde zu einer verstärkten Nachfrage der CT-Untersuchung auch im niedergelassenen Bereich führen. In der zweiten Linie werde sicher die Kardio-MRT folgen – nicht nur für die Koronare Herzerkrankung, sondern vor allem auch für die Differenzialdiagnosen, allen voran für die Myokarditis und Kardiomyopathien sowie weiteren Krankheitsbildern. „Hierfür benötigen wir unbedingt ein zuverlässiges, gutes Kontrastmittel“, das durch das sogenannte „Late Gadolinium Enhancement“ sogar spezifische Muster für verschiedene Erkrankungen bilde.

„Wir feiern bei diesem Symposium 25 Jahre Gadovist (Gadobutrol) von Bayer. Laut den Daten aus dem europäischen Register für kardiovaskuläre Radiologie ist es bislang das am häufigsten angewendete MR-Kontrastmittel für die kardiovaskuläre MRT in Europa“ (https://mrct-registry.org), unterstrich Gutberlet. Bayer habe ebenfalls ein neues Kontrastmittel mit höherer Relaxivität entwickelt; die klinische Studie hierzu laufe aktuell noch unter dem Namen QUANTI OBR, an der die Abteilung von Gutberlet auch beteiligt ist. „Wir gehen von einem deutlichen Effekt des neuen Mittels im Vergleich zum vorherigen aus – von einer geringeren Dosis und, so die Hoffnung, einem noch besseren Bildeindruck auch beim Herz.“ Die Entwicklung sei ähnlich wie bei den Mitbewerbern und verfolge die gleichen Ziele. „Ich erwarte die größten Stärken bei der Differenzialdiagnostik und der Gewebedifferenzierung, wo wir mit anderen Methoden nicht weiterkommen“, erklärte Gutberlet.

Mit einem solchen Kontrastmittel sei man gut vorbereitet, wenn es zur MRT als Kassenleistung bei der Herzbildgebung komme. Wichtig sei für den Patienten vor allem natürlich, dass die Medikamente sicher seien, was die Daten aus dem ESCR-Registry und einer aktuellen Metaanalyse, kürzlich in Investigative Radiology publiziert, eindeutig bestätigen. Bei Belastungsuntersuchungen am Herz zeige die Studie im ESCR-Registry auch, dass die Herzerkrankung per se ein gewisses Risiko für eine physiologische Nebenwirkung wie Atemnot darstelle, dass sich dies durch die Kontrastmittelgabe allerdings auch nicht wesentlich erhöhe. „Die radiologischen Ärzte und MTR müssen also keine Angst vor Belastungsuntersuchungen haben! Die meisten Patienten vertragen die Stressmedikamente und das Kontrastmittel gut“, betonte Gutberlet. Damit auch die radiologischen Ärzte und MTR darauf gut vorbereitet seien, brauche es Veranstaltungen wie das Münchner Radiologie Symposium, bei denen den Kolleginnen und Kollegen das nötige Wissen zur Herzbildgebung vermittelt werde.

 

Keep cool: die schwer verletzte Schwangere

„Wir sollten keine Angst haben vor der CT bei Schwangeren, wenn die Untersuchung indiziert ist“, stellte Dr. Marco Armbruster fest. „Wenn die CT bei einer nicht schwangeren Frau indiziert ist, so brauchen wir sehr gute Argumente dafür, dass sie bei einer Schwangeren nicht indiziert sein soll“, fügte der Radiologe von der Gemeinschaftspraxis Radiologie München hinzu. Das sagten europäische wie amerikanische Guidelines aus. In US-Guidelines sei auch verankert, was den Einsatz von CT-Kontrastmittel angehe – mit ‚B-Approval‘ der FDA, also ohne Kontraindikation jodhaltiger Kontrastmittel. „Bisher sehen wir keine erkennbaren Nebenwirkungen auf das Kind; allerdings gibt es aus ethischen Gründen keine Studien.“ Wiederholungen von CT-Untersuchungen seien viel schädlicher für das Ungeborene als der Einsatz von CT-Kontrastmittel. Bezüglich der Strahlenbelastung sei zu unterscheiden zwischen deterministischen Strahlenschäden ab einem Schwellenwert, der etwa bei modernen Single-phase Polytrauma-Spiral-CTs nicht überschritten werde. Anderenteils gebe es stochastische Strahlenschäden, die bereits ab dem ersten Millisievert auftreten und Krebs und auch geistige Retardierungen bedingen könnten. Bei einer einmaligen CT sei das Risiko allerdings sehr gering – abgeschätzt sei ein bestrahltes Neugeborenes pro 830 Polytrauma-Spiral-CTs betroffen. Armbruster: „Das Wohl der Mutter steht dem Kindeswohl gegenüber. Allerdings ist hierbei zu beachten, wenn es der Mutter schlecht geht, dann geht es in den meisten Fällen auch dem Ungeborenen schlecht.“

Bei der MRT zeigten allerdings Studien, dass Gadolinium-haltige Kontrastmittel die Entstehung rheumatologischer und dermatologischer Erkrankungen beim Kind sowie den Abort erhöhe. „Hier ist Vorsicht geboten“, unterstrich Armbruster. „Die MRT-Untersuchung ohne Kontrastmittel ist bei dringlicher Indikation hierbei in jedem – und somit auch im ersten Trimenon – möglich. Was gut für die Mutter ist, ist ebenfalls gut für das Kind“, wiederholte der Radiologe.

Die essenzielle Rolle der MTR

„Für die technische Unterstützung in der Radiologie sind wir darauf angewiesen, dass die Mitarbeitenden mit Begeisterung und mit wachsendem Spezialwissen engagiert sind“, betonte Ricke. „Auch ohne dies zu forcieren, erleben wir, wie sich Mitarbeitende herausbilden, die für bestimmte Untersuchungen eine hohe Qualifikation haben.“ Als Beispiel nannte er spezielle Untersuchungen wie Herz- oder Leberuntersuchungen in der MRT ebenso wie aufwendige Untersuchungen in der CT. Es bildeten sich Spezialisierungen unter den MT heraus, hinsichtlich Befundungen und Krankheitsbildern. Ricke weiter: „Wir sind an der LMU bestrebt, diese besonderen MT-Qualifizierungen auch in Teams zusammenzuführen – etwa in MSK-Teams, bevorzugt mit entsprechend ausgerichteten MT.“ Leidenschaft bringe Qualität, und so hätten MT ebenfalls ihre bevorzugten Untersuchungen.

Das Symposium bot MT-Sessions etwa zur Fernbedienung von Untersuchungen. Dabei geht es laut Ricke um MRT und ab 2024 auch um CT etwa im Nachtdienst. Hochspezialisierte MT könnten die Untersuchungen aus der Distanz, von einem beliebigen Ort aus, steuern. Sie könnten Geräte bedienen oder weniger qualifizierten Mitarbeitenden Unterstützung bieten. Bei der LMU komme dieser Ansatz etwa zwischen Großhadern und Innenstadt-Standorten zum Tragen. Der Symposiumsverantwortliche weiter: „Dies öffnet das Berufsbild. Der Ansatz ermöglicht eine bessere Aufstellung von Berufs- und Privatleben. Flexibilität macht die MT-Arbeit noch attraktiver. Ich liebe diesen Ansatz – der Mehrwert für die Qualität ist ein totaler Winner.“

Als Jahresauftakt sei dieses Symposium wichtig für das „Tagesgeschäft“ und für die Weiterentwicklung der Disziplin, resümierte Ricke. Die Zukunft der Veranstaltung liege in München. Er zeigte sich erfreut, dass sie mit reger Beteiligung von Fachteilnehmenden und der Industrie gut angenommen werde. Das Symposium sei stärker klinisch orientiert und stärker organbasiert als früher; dies entspreche dem Wandel in der Radiologie, deren Fokus verstärkt Zuweiser- und somit organorientiert sei, etwa hinsichtlich MSK, Onkologie beziehungsweise Herzmedizin. „Diese Spezialisierung und Qualitätsverbesserung prägt die Neuorientierung der Radiologie. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei uns im Klinikum der LMU, mit Qualität im Mittelpunkt. Die gemeinsame ‚Überschrift Radiologie‘ bleibt bestehen, aber Radiologen sollen bei aller Breite der Disziplin eine Spezialisierung anstreben.“ Der Gastrointestinalbereich biete ein Beispiel für diesen hohen Grad an radiologischem Spezialwissen.

 

Entnommen aus MT im Dialog 4/2024

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