(* 21. Mai 1860 † 29. September 1927) Einthoven wurde am 21. Mai 1860 in Semarang (Indonesien) auf Java als drittes von sechs Kindern geboren. Sein Vater Jacob Einthoven war Militärarzt und öffentlicher Gesundheitsbeamter, seine Mutter Louise de Vogel war die Tochter eines für die Kolonien zuständigen Finanzbeamten. Einthoven war der älteste Sohn des Ehepaares. Nach dem Tod von Einthovens Vater im Jahr 1866 kehrte die Familie 1870 nach Utrecht (Niederlande) zurück. 1878 beendete Einthoven die Oberschule. Anschließend immatrikulierte er sich an der Universität Utrecht. Dort widmete er sein Studium der Medizin. Der Anatom Willem Koster lehrte dort die Mechanik der Gelenke und hatte einen prägenden Einfluss auf Einthoven in seiner frühen Studienzeit. In den späteren Studienjahren beeinflussten Einthoven vor allem der Physiologe Franciscus Cornelis Donders und der Ophthalmologe Herman Snellen. Einthoven arbeitete für kurze Zeit als Assistent Snellens.
1885 schloss Einthoven sein Studium mit dem Doktorgrad ab. Thema seiner Doktorarbeit war das Problem der „Farbenstereoskopie“. Er erklärte deren Phänomene aus den unterschiedlichen Wellenlängen des roten und blauen Lichts. 1885 – 1894 beschäftigte sich Einthoven als junger akademischer Lehrer zunächst mit der Physiologie der Atmung. Er formulierte ein neues, revolutionäres Konzept der Mechanismen des Asthma bronchiale (Einthovens Konzept wurde erst nach 1950 experimentell bestätigt). 1886 heiratete Einthoven seine Cousine Frédérique Jeanne Louise de Vogel, mit der er drei Töchter und einen Sohn hatte. Im gleichen Jahr wurde er Professor für Physiologie an der Universität Leiden.
1895 begann Einthoven seine Arbeit mit dem Lippmann-Kapillar-Elektrometer. Im Jahre 1887 hatte bereits der Londoner Physiologe Augustus Désiré Waller erstmals mit Hilfe eines Kapillarelektrometers Herzstromkurven aufgezeichnet. Waller zog damals jedoch keine konkreten Schlüsse. Einthoven hingegen wies unterschiedliche Potenzialkurven bei Normalpersonen und Patienten mit Herzerkrankungen nach. Dieser Nachweis gelang ihm trotz seiner Unzufriedenheit mit der Empfindlichkeit und der Handhabung des Instruments.
In den folgenden Jahren entwickelte Einthoven eine standardisierte Aufzeichnungsmethode von Herzaktionsstromkurven, die er „Elektrokardiogramm“ (kurz: EKG) nannte. Ende 1895 berichtete Einthoven in seinem veröffentlichten Artikel „Über die Form des menschlichen Electrocardiogramms“ von seiner Registrierung der Herzaktion mit folgenden Worten: „Es ist uns nach Aufwand von vieler Mühe und Arbeit gelungen, durch eine besondere Vorrichtung die mechanischen Erschütterungen der Kapillarröhre, welche unsere früheren Experimente so sehr erschwerten, ganz zu beseitigen. Unsere Photogramme zeigen keine Spur von Erschütterungen ...“ In dem entstandenen Kurvenbild machte Einthoven vier Spitzen aus, welche er mit „A“, „B“, „C“ und „D“ bezeichnete. Den tatsächlichen Verlauf musste Einthoven jedoch mathematisch konstruieren, da die Quecksilbersäule des Elektrometers durch ihre Trägheit die erhaltene Kurve verfälschte. Die einzelnen Spitzen („Zacken“) der so von ihm konstruierten elektrischen Potenzialschwankungen belegte er mit den Buchstaben „P“, „Q“, „R“, „S“ und „T“. Die Bezeichnungen sind so auch heute noch in Gebrauch. 1901 entdeckte Einthoven, dass die Messempfindlichkeit gesteigert werden konnte. Er entwickelte zur Verarbeitung der äußerst geringen elektrischen Signalgrößen im Millivolt-Bereich eines EKGs das Saitengalvanometer mit Verbesserungen des Mess- und Anzeigesystems. Im gleichen Jahr berichtete er über seine Ergebnisse und Erfahrungen mit dem neuen Saitengalvanometer. 1903 erfolgte die erste elektrographische Aufzeichnung. Einthoven erforschte systematisch die elektrische Herzaktion am Menschen und auch in Tierversuchen (mehr als 5.000 EKGs).
Seine Arbeiten fanden zunächst jedoch wenig Beachtung. Gleichermaßen wenig Beachtung fand seine Arbeit über die Signalfernübertragung mit der Beschreibung der EKG-Standardableitungen (Extremitätenableitungen; I: Verbindung beider Arme, II: Verbindung rechter Arm/linker Fuß, III: Verbindung linker Arm/linker Fuß). Später griff Norman J. Holter Einthovens Gedanken wieder auf und entwickelte die Methode der Telemetrie. 1907 stellte Einthoven der Öffentlichkeit sein Untersuchungsgerät vor. Dieses registrierte durch unpolarisierte Platten-, Nadel- und Zangenelektroden die abgeleiteten Herzaktionsstromkurven auf einer fotografischen Platte, welche mit 25 mm pro Sekunde fortbewegt wurde. Erst im Jahre 1908 verbreitete sich Einthovens Neuentwicklung in Deutschland, Frankreich, England und den USA. Als Folge dessen kamen Wissenschaftler und Mediziner aus aller Welt nach Leiden. Es dauerte jedoch noch viele Jahre, bis das EKG von den Klinikern als diagnostische Standardmethode akzeptiert wurde.
Die ersten von Willem Einthoven entwickelten Elektrokardiographen waren durch den damaligen Stand der Technik bedingt nahezu zimmergroße, stationäre Maschinen. Sie wogen mit ihren Hilfsaggregaten einige hundert Kilogramm und benötigten mehrere technisch versierte Assistenten zur Bedienung und Auswertung. So erforderte beispielsweise die Untersuchung bettlägeriger Patienten im Leidener Krankenhaus, das Verlegen von bis zu zwei Kilometer langen elektrischen Leitungen, ausgehend von Einthovens Laboratorium, in dem sich die Maschinen befanden. In den Jahren 1905 und 1906 amtierte Einthoven als Rektor der Universität. Neben der Entwicklung des EKG widmete sich Einthoven der Aufnahme und Auswertung der menschlichen Herztöne. Im Jahre 1907 veröffentlichte er einen Artikel über „Die Registrierung der menschlichen Herztöne mittels des Saitengalvanometer“. Er begründete damit eine neue Methode der Aufzeichnung von Herztönen und Herzgeräuschen. Die von ihm entwickelte Phonokardiographie stellt ein Herzschallbild dar. Damit entspricht sie einer Weiterentwicklung der Auskultation (Abhorchen) mit dem Stethoskop. 1913 legte Einthoven die mathematisch-theoretischen Grundlagen der Interpretation kardialer Oberflächenpotenzialkurven fest. Die Beschreibung des „Einthoven-Dreiecks“ entstand somit als Berechnungsgrundlage des EKG. Ebenso beschrieb Einthoven zahlreiche EKG-Veränderungen, wie die Herzkammervergrößerung links bzw. rechts, zahlreiche Arrhythmien, die Herzfrequenz bei Ein- und Ausatmung, die QRS-Morphologie in Ableitung III sowie den Einfluss der Herzlage auf das EKG. Insgesamt publizierte Einthoven 127 Beiträge, welche vorwiegend das EKG behandelten. 1924 erhielt Einthoven für seine Entwicklung des Saitengalvanometers und die Beschreibung des Elektrokardiogramms den Nobelpreis für Medizin. 1925 wurde er Mitglied der Leopoldina. Einthoven verstarb im Alter von 67 Jahren am 29. September 1927 in Leiden (Niederlande). Begraben wurde er auf dem Friedhof der reformierten Kirche in Oegstgeest (Südholland).
Erschienen in der MTA Dialog 10/2015
1. Wikipedia
2. www.onmeda.de
3. www.nobelprize.org
4. geboren.am/person/Willem_Einthoven
5. www.britannica.com/EBchecked/topic/181429/Willem-Einthoven
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