Einige Monate nach seiner Geburt zog die Familie nach Günsbach in der Nähe von Colmar, wo Alberts Vater bis zu seinem Tod als Pfarrer tätig war. Schon früh wurden ungewöhnliche Interessen und Fähigkeiten sichtbar, die für ihn lebensbestimmend werden sollten: Als Fünfjähriger begann er mit dem Klavierspiel, danach erhielt er Orgelunterricht und vertrat bereits mit neun Jahren den Organisten in seiner Heimatkirche. Zudem nahm er lebhaft Anteil an biblischen Geschichten und besuchte mit Freuden den sonntäglichen Gottesdienst seines Vaters. Auch zeigte sich schon früh ein ausgeprägtes Mitgefühl für seine Mitmenschen und für leidende Tiere. Schweitzer besuchte die Volksschule, gefolgt von der Realschule in Münster und danach das Gymnasium in Mühlhausen, wo er am 18. Juni 1893 sein Abitur machte.
Albert Schweitzers Geburtshaus | © Ji-Elle, CC BY-SA 3.0
Von 1893 bis 1898 studierte Schweitzer, wie auch schon sein Vater und Großvater, Theologie und Philosophie in Straßburg, Paris und Berlin. Er war ergriffen von dem Gedanken der Nächstenliebe; sein Werdegang als Gelehrter schien vorherbestimmt. Die Studienzeit wurde 1894 für ein Jahr unterbrochen, da er sein Militärjahr ablegen musste. Bald nach bestandenem theologischen Examen legte er die philosophische (1899) und zusätzlich die theologische Doktorprüfung (1900) ab. 1902 habilitierte er sich in Theologie in Straßburg, wo er danach als Privatdozent tätig war
Von 1903 bis 1906 war er Direktor des Stifts St. Thomas in Straßburg. Neben dem Kirchendienst als Vikar erforschte er vor allem Leben und Lehre von Jesus und Paulus und wurde Universitätsdozent für das Neue Testament. Mit seiner „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“ legte er 1906 ein für die neutestamentliche Forschung bis heute grundlegendes Werk vor. Diesem sollten weitere bedeutende Bücher folgen – die „Geschichte der Paulinischen Forschung“ und sein geradezu genial zu nennendes Werk die „Mystik des Apostels Paulus“. Daneben widmete er sich intensiv der Orgelmusik, vor allem dem Werk Johann Sebastian Bachs.
Ab Oktober 1898 erhielt Schweitzer Musikunterricht (Orgel und Klavier) bei Charles Marie Widor (1844–1937), dem berühmten Pariser Orgelvirtuosen, in Paris. Unter Anleitung von Widor entwickelte sich Schweitzer zu einem der großen Organisten seiner Zeit. Widor war es auch, der Schweitzer zur Neuinterpretation des Orgelwerkes Bachs bewegte. Seine umfangreichen Bücher über Johann Sebastian Bach übertreffen in ihrer Auflagenhöhe alles, was in der Musikwissenschaft je veröffentlicht wurde. Darin erfährt Bach eine völlige Neuinterpretation als „Dichter und Maler in Musik“. Daneben beschäftigte sich Schweitzer eingehend mit dem Orgelbau. Er wurde ein europaweit gefragter Experte für die Renovierung alter und den Bau neuer Orgeln.
Ein Tropenhospital mit Leprastation
Schweitzer hatte früh einen Entschluss gefasst. Nach dem 30. Lebensjahr wollte er seine bürgerliche Existenz als Gelehrter aufgeben und sich um Not leidende Menschen kümmern. „Arzt wollte ich werden, um ohne irgendein Reden wirken zu können.“ Schweitzers Entscheidung passte nicht in die konservative Gesellschaft des Deutschen Kaiserreiches, in die er hineingeboren worden war.
Dennoch entschloss er sich 1905, im Alter von 30 Jahren, Medizin zu studieren; er wollte Missionsarzt werden. Im November 1911 beendete er erfolgreich sein Studium. Unterstützung fand Schweitzer in Helene Bresslau, die er 1912 heiratete. Sie ließ sich zur Krankenschwester ausbilden, um mit ihm nach Afrika zu gehen. Im Februar 1913 promovierte er in Medizin. Trotz glänzender Karriereaussichten als Universitätslehrer und Orgelvirtuose kündigte Schweitzer kurze Zeit später seine Dozentur und ging mit seiner Frau nach Afrika, in den kleinen Urwaldort Lambarene (Gabun, Westafrika).
Dort baute er aus eigenen Mitteln ein Tropenhospital mit Leprastation auf. Es waren bescheidene Anfänge: Ein Hühnerstall wurde zum Behandlungsraum umgewandelt; Afrikaner halfen ihm, Hütten zu bauen. Sein Ziel war es, die Not und Krankheit der dort lebenden Menschen zu lindern. Ferner arbeitete er in den Abend- und Nachtstunden neben seiner umfangreichen Korrespondenz eine „Kulturphilosophie“ aus, in der er seine berühmt gewordene Ethik der Ehrfurcht vor allem Leben begründete. Finanziert wurde das Hospital durch Spenden sowie Schweitzers Publikationen, Vorträgen und Orgelkonzerten in Europa.
Warnung vor der atomaren Weltgefahr
Bei einer seiner Reisen wurden Schweitzer und seine Frau 1917 infolge des Ersten Weltkrieges von den Franzosen inhaftiert. Im Januar 1919 wurde seine Tochter Rhena geboren. Erst 1924 konnte er nach Lambarene zurückkehren und seine Arbeiten fortführen. Aus Platzgründen entschloss sich Schweitzer, ein neues, größeres Hospital zu bauen. Dieses wurde im Januar 1927, unweit des alten, in Betrieb genommen. Es befindet sich noch heute dort. In diesem Hospital wirkte Schweitzer, bis auf einige Unterbrechungen, bis zu seinem Tod. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Einrichtung aufgrund ihrer weltweiten Bekanntheit unzerstört.
Aufsehen lösten 1957 drei vom Rundfunk in Oslo ausgestrahlte Reden aus, in denen er gegen die Kernwaffenversuche auftrat und zur Vernunft angesichts der atomaren Weltgefahr mahnte; sie erschienen als Buch unter dem Titel „Friede oder Atomkrieg“ und wurden in viele Sprachen übersetzt. Schweitzer strebte unaufhörlich nach Wahrheit, Frieden, Freiheit und Menschlichkeit. Er setzte sich für verfolgte und bedrohte Menschen ein. Mit seinen zahlreichen Friedensappellen ächtete er militärische Waffengewalt als Mittel der Politik, weil sie „uns der Unmenschlichkeit schuldig werden lässt“. Er kämpfte auch noch als über 80-Jähriger immer wieder lautstark gegen den Wahnsinn des Wettrüstens sowie gegen Atomwaffenversuche und die Atomkriegsgefahr.
Im Laufe seines Lebens erhielt Schweitzer weltweit zahlreiche Auszeichnungen, Preise und Ehrenpromotionen, unter anderen 1928 den Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main, 1951 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und im Jahr 1952 den Friedensnobelpreis. Außerdem war er Träger des Ordens Pour le mérite.
Nachlass in der Zentralbibliothek Zürich
Am 4. September 1965 starb Albert Schweitzer im stolzen Alter von 90 Jahren. Sein Grab befindet sich in Lambarene direkt neben dem seiner Frau, die im Juni 1957 gestorben war. Drei Monate tanzten Afrikaner immer wieder Totentänze, um den Menschen im Jenseits zu zeigen, was für ein bedeutender Mann zu ihnen kommt. Totentänze dauerten sonst kaum eine Woche.
Der größte Teil des Nachlasses von Albert Schweitzer befindet sich seit den 1960er Jahren als Depositum in der Zentralbibliothek Zürich. Mit finanzieller Unterstützung des Lotteriefonds des Kantons Zürich konnte die Zentralbibliothek im Jahr 2009 den Nachlass für eine Million Franken definitiv erwerben. Er umfasst etwa zwölf Laufmeter mit Werkmaterialien, Notizen, Reden, Manuskripten und anderen Dokumenten, die erschlossen und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nur die Korrespondenz befindet sich zum größten Teil in der Stiftung Albert-Schweitzer-Zentrum in Günsbach, die Zentralbibliothek besitzt davon aber zahlreiche Kopien. Dass von einer Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts der schriftliche Nachlass fast in seiner Gesamtheit an einem Ort aufbewahrt wird, ist ein ungewöhnlicher Ausnahmefall.
Literatur
- www.de.wikipedia.org/wiki/Albert_Schweitzer
- www.einstein-website.de/biographien/schweitzer_inhalt.html
- www.albert-schweitzer-100.de/albert-schweitzer-neu-fuer-sie/biographie/
- www.dahw.de//die-dahw/helfer-vor-ort-ruth-pfau-manfred-goebel-albert-schweitzer/albert-schweitzer-vom-philosophen-zum-weissen-medizinmann
- http://www.heiligenlexikon.de/BiographienA/Albert_Schweitzer.html
Entnommen aus MTA Dialog 12/2016
Artikel teilen