Drohneneinsatz in der Medizin

Schnelle Transportmittel
Mirjam Bauer
Drohneneinsatz in der Medizin
Drohne transportierte Laborproben über den Zürichsee. © Post CH AG
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Seit einigen Jahren befassen sich verschiedenste Berufsgruppen in Deutschland und international damit, Drohnen für medizinische Zwecke zu nutzen.

Neben dem Transport und der Bereitstellung von Defibrillatoren oder als Notfallhilfe in den Bergen stehen insbesondere auch medizinische Labore im Fokus. Denn sowohl Probenmaterial – Urin, Stuhl oder Blut – als auch Medizinprodukte wie Blutkonserven oder Plasma eignen sich aufgrund ihres geringen Gewichtes gut für den schnellen Versand durch die Luft. Für Diagnose wie Therapie wird der Nutzen erkennbar. Allerdings: Durchgesetzt hat sich diese Transportmethode noch nicht. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einer mag dieser sein: In der Drohnenverordnung von 2017 wird für Deutschland der Einsatz von Drohnen im Umkreis von 100 Metern um Krankenhäuser untersagt; Sondergenehmigungen sind jedoch möglich. Andererseits spielen ungeklärte Abstürze und die IT-Sicherheit eine weitere, nicht unbedeutende Rolle. Die Quadrokopter ermöglichen Angriffe auf interne Funknetze, WLAN, kabellose Verbindungen zu Peripheriegeräten und auf IoT-Systeme, die per Funk kommunizieren. Diese Gefahr von oben ist bisher wenigen bewusst.

Drohnen als schnelle Transportmittel für das Labor

Für den Einsatz bei Laborproben gibt es in den deutschsprachigen Ländern bereits einige Beispiele: In den Agaplesion Frankfurter Diakonie Kliniken mit drei Betriebsstätten sollten Drohnen für den raschen Transport von Blutprodukten und Blutproben sorgen. Es blieb bisher jedoch bei den Versuchen im Jahr 2015. Die Luftraumnutzung aufgrund der Nähe zum Frankfurter Flughafen stellte eine besondere Herausforderung dar (siehe MTA Dialog, Heft 12/2016, DOI: 10.3238/MTADIALOG.2016.0686).

Anfang Juni 2018 begann die schweizerische Post mit dem Drohnenhersteller Matternet mit Pilotversuchen zum Transport von Laborproben in der Schweiz: In Bern verband die Drohne im Rahmen eines Pilotversuches das Zentrallabor im Inselspital mit dem Spital Tiefenau. Die Drohnen konnten, im Vergleich zum Kurier auf der Straße, wertvolle Zeit einsparen. Nach der Evaluierung dieser ersten Flugstrecke in Bern mit der Insel-Gruppe prüfte die Post eine weitere Route zwischen dem Hauptlabor des Zentrallabors Zürich (ZLZ) und dem ZLZ-Notfall-Labor in der Hirslanden Klinik Im Park [1].

Ende Juni berichtete die Post schließlich, dass weitere Drohnen erfolgreich Laborproben über den Zürichsee transportierten. Die Flugroute verlief direkt über das Zürcher Seebecken. Der wichtigste Faktor dieses Drohneneinsatzes war die Zeitersparnis, denn das Flugobjekt erreichte sein Ziel in einem Fünftel der Zeit, die der herkömmliche Transport per Kurier um das Seebecken herum benötigte. „Mit dem Drohnentransport sind wir unabhängiger von der Zürcher Verkehrslage. Je schneller die Laborproben bei uns sind, umso zeitnaher sind die Ergebnisse wieder beim Patienten“, erläuterte ZLZ-Geschäftsführer Marco Fischer erfolgskritische Faktoren. Allerdings stürzte eine Drohne, die mit Blutproben unterwegs war, ab und versank im Zürichsee. Die Taucher konnten sie später in 20 Metern Tiefe bergen, der Sicherungsmechanismus per Fallschirm hatte nach Polizeiangaben funktioniert.

Mitte Dezember 2018 führte die Post den Drohnentransport von Laborproben im Auftrag des ZLZ weiter. Die Drohne verband den Standort des ZLZ an der Forchstrasse 454 in Zollikon mit dem ZLZ-Notfalllabor in der Hirslanden Klinik Im Park im Quartier Zürich Enge. Der Landeplatz aufseiten der Hirslanden Klinik wurde auf dem hauseigenen Areal neu eingerichtet [2].

Im Dezember 2018 berichtete das Drohnenjournal, dass in Lugano ein weiteres Fluggerät der Schweizer Post seit einem Jahr zwischen zwei Krankenhäusern erfolgreich im Einsatz sei. Sie übernahm die Aufgaben eines Ambulanzfahrzeugs und transportierte mehr als 2.000 Laborproben zwischen dem Regionalkrankenhaus in Lugano, dem Ospedale Civico und dem Ospedale Italiano. Für die Bewältigung der 1,3 km langen Strecke benötigte das Flugtaxi nur 2,47 Minuten – bei einer Geschwindigkeit von rund 40 km/h. Die Drohne darf Lasten bis zu zwei Kilogramm transportieren; sie erkennt Vögel und besitzt einen Fallschirm sowie eine Hupe, die im Fall eines technischen Problems mit einem akustischen Warnsignal auf sie aufmerksam macht [3].

Im Jahr 2019 ereignete sich jedoch ein weiterer Unfall in Zürich. Dieser Drohnenabsturz auf dem Zürichberg zeigte gravierende Sicherheitsmängel auf. Das Fluggerät befand sich auf dem Rückweg eines Blutprobentransports, löste aus unbekannten Gründen das automatische Flugabbruchsystem aus und leitete eine Notlandung ein. Dabei löste sich der Fallschirm, die Drohne stürzte in den Wald und blieb mit einem Totalschaden am Boden liegen. Den Fallschirm fanden Polizisten in der Nähe der Absturzstelle. Nur durch Glück wurde niemand verletzt, denn auf dem Zürichberg befinden sich auch Wege und Straßen. Die Post rief einen Expertenrat ins Leben, der sämtliche Prozesse inklusive Risiko- und Sicherheitsmanagement durchleuchten sollte. Die Sicherheit der Menschen in den Transportgebieten soll höchste Priorität haben.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) verlangte vom Hersteller Matternet nach dem Absturz zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen. Den meisten dieser Forderungen sei der Drohnenproduzent inzwischen nachgekommen. Offen seien noch einige Fragen beim operativen Betrieb. „Sind diese geklärt“, sagt Bazl-Sprecher Urs Holderegger, „können aus unserer Sicht die Drohnen auch in Zürich wieder in die Luft“. Laut Angaben des Zentrallabors im Mai 2019 pausiert das Projekt jedoch bis heute [4].

Auch in der deutschen Stiftung Kreuznacher Diakonie sollen Tests mit Drohnen stattfinden, die Blutkonserven von der Blutbank zu verschiedenen Krankenhausstandorten transportieren. Diese verantwortet übrigens unter anderem der Krankenhausmanager Dr. Dennis Göbel, der bis 2017 die Agaplesion Diakonie Kliniken in Frankfurt leitete. Drohnen sind sein Hobby. Er brachte sich in Gespräche mit Bund und Ländern ein, um die Drohnenordnung voranzubringen. Testflüge im westfälischen Delbrück standen zum Ende des Jahres 2018 an, 2019 sollten diese auf die Kliniken ausgeweitet werden. Bis heute wurde darüber noch nichts in den Medien bekannt [5].

MATTERNET

Matternet (https://mttr.net/product) beschreibt sich als Entwickler einer führenden Plattform für die On-Demand-Luftversorgung in städtischen Gebieten. Das Unternehmen bietet seine Technologieplattform als Dienstleistung für Unternehmen aus den Bereichen Gesundheitswesen, E-Commerce und Logistik an. Im März 2017 erhielt Matternet als erstes Unternehmen die Zulassung für den Betrieb von Drohnenlogistiknetzen über dicht besiedelten Gebieten in der Schweiz. Im Mai 2018 wurde Matternet mit der Durchführung der ersten Drohnenlogistik für US-Krankenhäuser im Rahmen des Drohnenintegrationsprogramms der FAA beauftragt.

Drohnenlieferprogramme in Ruanda

Zipline (https://www.flyzipline.com/) ist ein US-amerikanisches Technologieunternehmen, das autonome Flugzeuge entwickelt, herstellt und betreibt, um die schwierige logistische „letzte Meile“ im Gesundheitswesen zu lösen. In einer Partnerschaft mit der Regierung von Ruanda und Ghana führt das Unternehmen nationale Drohnenlieferprogramme für Blut, Medizinprodukte und Impfstoffe durch. Die Drohnen – Zips genannt – können 1,5 kg tragen und je nach Entfernung des Krankenhauses zum Lager in 15 bis 45 Minuten liefern. Für diese Wege benötigten bodengebundene Fahrzeuge bisher mehrere Stunden. Während der Regenzeit war die Lieferung aufgrund aufgeweichter Straßen in Afrika teilweise unmöglich.

Drohne in Afrika | © Zipline

Durch die Drohnenlieferungen erhalten Ärzte nun einfacheren Zugang zu Blutkonserven und gefrorenem Plasma, die eine sehr kurze Haltbarkeit aufweisen und spezielle Lager- und Handhabungsverfahren erfordern. Ebenso stellt Zipline den Transport lebenswichtiger Arzneimittel und Notimpfstoffe sicher.

Einrichtung der Drohnenlieferung

„Für das Implementieren des neues Transportweges gab es viele Anforderungen, die wir gemeinsam mit der Regierung und dem Gesundheitsministerium entwerfen mussten“, erklärt Israel Bimpe, CEO von Zipline. „Dabei ging es um Lieferketten, Qualität und das Verhalten der Laboranten und Ärzte. Daneben arbeiteten wir auch mit der Rwanda Civil Aviation Authority (RCAA) zusammen, um den Luftraum Ruandas zu nutzen. Zipline funktioniert wie eine kommerzielle Fluggesellschaft, wir müssen Kommunikationsprotokolle für jeden Flugstart oder jede Flugwiederherstellung einrichten und Überwachungssysteme stellen, damit das RCAA alle Flugaktivitäten überwachen kann.“

Daneben ist es ein enormer Arbeitsaufwand, die Gesundheitseinrichtungen in Betrieb zu nehmen. „Wir müssen die Flugroute für jeden Lieferort überwachen und eine 3-D-Karte des Geländes samt aller Hindernisse erstellen, auf die das Fluggerät stoßen könnte. Danach stehen Schulungen des Krankenhauspersonals und der Techniker an, damit sie lernen, wie man Lieferungen anfordert und was zu tun ist, wenn Pakete mit dem Fallschirm vom Himmel fallen. Parallel dazu arbeiten wir daran, die Menschen in umliegenden Gemeinden zu erreichen, um sie aufzuklären. Sie sollen wissen, dass die Flugzeuge über ihnen auf dem Weg sind, um das Leben von anderen Menschen aus ihrer Region zu retten.“

So funktioniert es

Zipline bewahrt medizinische Produkte des Rwanda Biomedical Center (RBC) in seinem Distributionszentrum sicher auf und ermöglicht den sofortigen Zugriff auf empfindliche oder knappe Artikel. Bei Bedarf erteilt das Krankenhauspersonal eine Bestellung über ein Webformular, WhatsApp, SMS oder Telefon. Notfall- und Spezialprodukte, die eine besondere Aufbewahrung erfordern – wie Erythrozytenkonzentrate oder Plasma – werden umgehend angefordert. Mitarbeiter von Zipline verpacken das Produkt sofort. Jede Zip-Drohne kann bis zu zwei Kilogramm tragen. Sie fliegt mit 100 km/h Geschwindigkeit etwa 100 m über dem Boden. In der Nähe der Auslieferungsstelle navigiert das Fluggerät bis auf 10 bis 15 m über der Erdoberfläche hinunter. Dann wirft Zip das Paket sanft per Fallschirm in einen ausgewiesenen Bereich ab. Das Krankenhauspersonal wird per SMS benachrichtigt.

Seit Oktober 2016 hat Zipline bisher mehr als 16.000 Lieferungen durchgeführt. Das Unternehmen bedient bislang 26 Gesundheitseinrichtungen und strebt an, bis Ende dieses Jahres 100 und bis Ende 2020 etwa 500 Einrichtungen zu versorgen. Dabei muss es sich auf die verschiedensten Herausforderungen unterschiedlicher Länder und Regionen einstellen.

Literatur

  1. www.post.ch/de/ueber-uns/unternehmen/medien/medienmitteilungen/2018/post-startet-drohnentransport-von-laborproben-fuer-die-insel-gruppe.
  2. www.post.ch/de/ueber-uns/unternehmen/medien/medienmitteilungen/2018/drohne-transportiert-laborproben-ueber-den-zuerichsee; www.nzz.ch/zuerich/drohne-im-zuerichsee-taucher-bergen-post-drohne-mit-blutproben-ld.1455185; www.enge.ch/single-post/2019/01/22/Zentrallabor-Z%C3%BCrich-f%C3%BChrt-Transport-von-Laborproben-per-Drohne-weiter.
  3. www.drohnen-journal.de/drohne-befoerdert-erfolgreich-laborproben-2031 und www.zdf.de/nachrichten/heute-in-europa/drohne-im-einsatz-der-medizin-100.html.
  4. www.nzz.ch/zuerich/absturz-von-post-drohne-bericht-stellt-gravierende-maengel-fest-ld.1492295.
  5. f&w; Heft 1/2019.

Entnommen aus MTA Dialog 11/2019

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