Experten aus Industrie, IT, Gesundheitswesen, Krankenkassen und Politik diskutierten durchaus kontrovers zur Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen. Hauptthemen waren gematik, Apps, Telematik-Infrastruktur, Datenschutz, Internetmedizin, virtueller Arzt und Umsetzung der Digitalisierung. Dieser Prozess ist doch mit erheblichen Schwierigkeiten und hohen Kosten verbunden. Im Vergleich mit anderen Branchen weist das deutsche Gesundheitswesen diesbezüglich aus vielfältigen Gründen erhebliche Defizite auf und liegt auf dem letzten Platz. Viele für die Patienten sinnvolle Innovationen werden von Krankenkassen und Politik nicht beachtet oder unterschätzt. Auch fehlen in vielen Regionen Deutschlands immer noch entsprechende Datenleitungen, um schnelles Internet und Datentransfer zu garantieren. So liegt der Anteil an zukunftsträchtigen Glasfaserkabeln in Deutschland bei sieben Prozent, im ländlichen Bereich sogar nur bei 1,4 Prozent. In EU-Ländern wie Estland, Schweden oder Spanien sind es 73, 56 und 53 Prozent. Nach der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nimmt damit Deutschland nur Platz 28 von 32 Nationen ein, die verglichen wurden. Somit wurde Deutschland der Status eines „digitalen Entwicklungslandes“ attestiert. In Südkorea surft man doppelt so schnell wie in unserem Land. Ebenso gibt es personelle Defizite: Etwa zehn Prozent der Stellen der IT-Abteilungen in Krankenhäusern und auch in der Health-IT-Branche sind nicht besetzt.
Digitale Strukturen im Gesundheitswesen (Microsoft Deutschland) | © H.-J. Thiel
Schaut man sich das Dilemma in der Entwicklung der elektronischen Patientenakte an, deren Entwicklung nach Schaffung der gesetzlichen Grundlage 2004 bisher deutlich über zwei Milliarden Euro gekostet hat, so reiht sich das Projekt in die Liste von Stuttgart 21, Flughafen Berlin Brandenburg oder Hamburger Elbphilharmonie entsprechend ein. Erst im November 2017 konnte der CompoGroup Medical die Zulassung für eine Komponente der Telematikinfrastruktur erteilt werden. Nach Angaben des Chefs der gematik auf der Tagung in Berlin, Alexander Beyer, wird es jedoch noch etwa zwölf bis 18 Monate dauern, bis in Deutschland flächendeckend Ärzte und Apotheker mit dem Modul versorgt sind. Völlig inakzeptabel ist in diesem Zusammenhang die Ankündigung der Politik, ab 1. Januar 2019 einen einprozentigen Honorarabschlag für die Leistungserbringer zu vollstrecken, wenn entsprechende technische und organisatorische Voraussetzungen nicht eingehalten werden können.
Sehr positiv waren die von verschiedenen Start-ups vorgestellten Apps im Medizinsektor aufgenommen worden. Nach Aussage von Prof. Dr. med. Friedrich Köhler, Leiter des Zentrums für kardiovaskuläre Telemedizin der Charité Berlin, kann Digitalisierung Leben retten.
Das Thema Digitalisierung hat im deutschen Gesundheitswesen große Perspektiven und muss in den nächsten Jahren mit erhöhtem Tempo umgesetzt werden.
Literatur
Dr. med. Hans-Joachim Thiel (2017): Vortrag: Digital unterwegs in ein neues Gesundheitszeitalter? Von Wunsch und Wirklichkeit im deutschen Gesundheitswesen.
Entnommen aus MTA Dialog 12/2017
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