Die Europäischen Mobilen Labore

Im Einsatz bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten
Martin Gabriel
Die Europäischen Mobilen Labore
Die EMLab-Teams und Laboreinheiten werden im WHO-GOARN-Mechanismus bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten weltweit zum Einsatz gebracht, und sie arbeiten bei den Einsätzen im Feld mit Partnern wie den WHO-Landesvertretungen, Ärzte ohne Grenzen und World Food Program (WFP) zusammen. Hier wird eine Laboreinheit im Ebolaausbruch in Westafrika mit einem WFP-Hubschrauber verlegt.  Für alle: © BNITM/EMLab
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Wenn es an einem entlegenen Ort oder in einer ressourcenschwachen Region zu einem Ausbruch einer Infektionskrankheit kommt, ist oftmals keine oder nicht ausreichende Diagnostikkapazität vorhanden, um das auslösende Pathogen zu identifizieren und im weiteren Verlauf bei den Patienten zu diagnostizieren.

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg koordiniert seit 2012 die Europäischen Mobilen Labore (EMLab), welche in entlegenen Regionen weltweit zum Einsatz kommen, um in Ausbrüchen und Epidemien Laboranalysen für Patientenproben durchzuführen. Schon in den 70er- und 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es den Bedarf, bei Ausbrüchen von hämorrhagischen Fiebern in Afrika vor Ort Diagnostik betreiben zu können, und US-amerikanische, kanadische und internationale Forscherteams brachten dort Feldlabore in den Einsatz. Ein weiteres Konzept der mobilen feldverlegbaren Labore wurde vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München entwickelt und im Rahmen des vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin koordinierten EMLab-Projekts für zivile Zwecke adaptiert.

Je nach Probenanzahl/Probenaufkommen pro Tag arbeiten die Kollegen in den EMLab-Teams viele Stunden an der Glovebox. Regelmäßige Pausen sind notwendig, die Temperaturen in geschlossenen Räumen in Afrika können oft über 30° C sein.

Nachdem das EMLab bis Ende 2015 von der Europäischen Kommission finanziert wurde, wird es seit 2016 vom Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen des „Global Health Protection Program“ getragen. Die Einsätze der Mobilen Labore werden vom deutschen Auswärtigen Amt und der Europäischen Kommission DG-ECHO als humanitäre Hilfe unterstützt. EMLab ist Partner des weltweiten Netzwerks zur Warnung und Reaktion bei Krankheitsausbrüchen der WHO (Global Outbreak Alert and Response Network, WHO-GOARN) und in den „European Medical Corps“ registriert, welche Teil des Europäischen Zivilschutz und humanitäre Hilfe Mechanismus (Union Civil Protection Mechanism of the Directorate General for European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations, UCPM DG-ECHO) sind. Sollte im Falle eines Ausbruchs einer Infektionskrankheit die Diagnostikkapazität in einem Land nicht ausreichen, kann Hilfe über die WHO und über DG-ECHO angefordert werden. Das Hilfeersuchen erreicht dann zum Beispiel über das Koordinierungszentrum (Emergency Response Coordination Centre, ERCC) von DG-ECHO die EU-Mitgliedstaaten, und EMLab wird dann vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) kontaktiert und die mögliche Einsatzbereitschaft abgefragt.

Die Laboreinheiten sind in ungefähr 25 Transportboxen verpackt. Hauptstandbein der Pathogendiagnostik bildet die quantitative Polymerase Kettenreaktion (PCR) zum Direktnachweis von Pathogenen, aber es können auch serologische Tests (ELISA und Immunfluoreszenz) sowie auch klinische Parameter (Blutbild, klinische Chemie und Blutgase) untersucht werden. Je nach Situation können etwa 40 bis 100 Patientenproben je Laboreinheit pro Tag bearbeitet werden. Der wesentlichste Teil der Laboreinheiten sind jedoch die Biosicherheitshandschuhkästen („biosafety gloveboxes“), welche das „containment“ sicherstellen, sodass mit infektiösen Proben sicher umgegangen werden kann. Die EMLabs können in beliebigen Räumen ab einer bestimmten Größe aufgebaut werden, und hier ermöglichen die Handschuhkästen den Aufbau eines absolut biosicheren Arbeitsablaufes: Strukturierte Probenannahme, Inaktivierung der Proben in den Handschuhkästen, Weiterverarbeitung zur Analyse (zum Beispiel RNA-Extraktion und PCR), Interpretation mit Validierung der Ergebnisse und Kommunikation der Befunde an den Einsender.

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin koordiniert die Europäischen Mobilen Labore, hält diese für Einsätze bereit, und es wird auch ein Personalpool von Wissenschaftlern, Ärzten und technischen Assistenten aufrechterhalten, welcher bei Bedarf mit den Laboreinheiten in den Einsatz gebracht werden kann. Hierzu wird einmal im Jahr ein EMLab-Training angeboten, in welchem die Kandidaten für Einsätze die notwendigen Zusatzfertigkeiten erlernen, um die Arbeitsabläufe in den mobilen Laboren zu beherrschen. Die Kandidaten für den Personalpool rekrutieren sich aus Europa, aber auch zum Beispiel aus afrikanischen Partnerländern.###more###

Neben der unmittelbaren Hilfe, indem Diagnostikkapazität vor Ort gebracht wird und Patientenproben analysiert werden, hat EMLab als weiteres Hauptziel die Ertüchtigung der betroffenen Länder, die Diagnostik selbst durchzuführen. Grundsätzlich sind vor Ort lokale Laborkräfte immer eingeladen, bei Eignung und wenn es die Sicherheit zulässt, in den EMLabs mitzuarbeiten und trainiert zu werden. Ziel ist es, dass lokale Kräfte, zum Beispiel in Partnerinstituten, die Labordiagnostik eigenständig fortführen können.

Logistisch und organisatorisch werden die EMLab (mobilen Labore) im Einsatzland durch die WHO-Länder oder Regionalvertretungen, nationale Behörden und Partner, wie auch von Partnern wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) unterstützt.

Weiterhin stellen die mobilen Labore auch ein Bindeglied zwischen der Diagnostik im Ausbruch und der wissenschaftlichen Unterstützung der Ausbruchsbekämpfung dar, indem durch „operational research“ (am besten übersetzt mit Forschung im Einsatz) dringliche medizinische, epidemiologische und wissenschaftliche Fragestellungen zum Ausbruch, den Patienten und dem Pathogen bearbeitet werden. Denkbar ist zum Beispiel die Auswertung und Optimierung von angewendeten Diagnostikverfahren oder die molekulargenetische Aufdeckung von Infektionsketten durch die Verwendung von feldtauglicher Gensequenzierungstechnik.

Arbeitsplatz mit Biosicherheitshandschuhkasten in der Laboreinheit, welche im Ebolaausbruch in Guinea, Westafrika, im Jahr 2014 im Einsatz war.

Seit 2014 war EMLab oft bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten im Einsatz. So war zum Beispiel beim Ebolaausbruch in Westafrika (2014–2016) eine EMLab-Einheit das erste ausländische Labor, welches in Guinea im Epizentrum des Ausbruchs zum Einsatz kam. Im weiteren Verlauf wurden insgesamt drei EMLab-Einheiten eingesetzt, unter anderem eine durch ein nigerianisches Partnerlabor, welche dann in Sierra Leone für viele Monate zum Einsatz kamen. 2016 wurde eine Laboreinheit zu einem Gelbfieberausbruch in der Demokratischen Republik Kongo entsandt, 2017 zu einem begrenzten Ausbruch des Marburgfiebers in Uganda.

Als Anfang des Jahres 2020 ein Ausbruch von neuartigen Coronaviren in China mit einer hohen Anzahl an schwer erkrankten Patienten bekannt wurde, konnte man kaum ahnen, dass dies in den größten Gesundheitsnotstand münden würde, den die Welt seit Langem gesehen hatte. Das Virus verbreitete sich innerhalb von Wochen in fast alle Länder des Globus und stellt seitdem die Gesundheitssysteme, was Diagnostik, Therapie und öffentliche Gesundheit angeht, vor große Herausforderungen. Am 30. Januar 2020 deklarierte die WHO die aufwachsende Pandemie als Gesundheitsnotlage internationaler Tragweite (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC).

Obwohl namhafte Wissenschaftler in Deutschland federführend bei der Entwicklung molekularbiologischer diagnostischer Tests (PCR) waren, kam es auch in Deutschland an manchen Orten am Anfang der Pandemie zu Engpässen in der Diagnostik. Im bayerischen Regierungsbezirk der Oberpfalz kam es in den Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt an der Waldnaab und der Stadt Weiden zu einer großen Zahl an Infektionen. Hierdurch überstieg die Anzahl der zu testenden Patientenproben die vorhandenen Testkapazitäten, um vor allem im Krankenhausumfeld schnelle klinische und epidemiologische Entscheidungen zu treffen. Aus diesem Grund wurde im März 2020 eine Laboreinheit in Deutschland zur Unterstützung der COVID-19-Diagnostik am Klinikum Weiden in der Oberpfalz eingesetzt. Der Einsatz des Labors erfolgte als Maßnahme im Rahmen des Katastrophenschutzes, um für eine begrenzte Anzahl von Proben die Bearbeitungszeit bis zum Ergebnis stark zu verkürzen und so die klinische Entscheidungsfindung sowohl für Patienten als auch für möglicherweise betroffenes Klinikpersonal zu beschleunigen.

Die Laboreinheit wurde durch das THW von Hamburg in die Oberpfalz transportiert und in zwei Räumen des Klinikum Weiden aufgebaut. Logistisch wurde es in das bestehende Kliniklabor integriert, sodass Prä- und Postanalytik im Rahmen bestehender Prozesse abgebildet werden konnten. Pro Tag wurden etwa 100 Patientenproben auf SARS-CoV-2 mittels PCR untersucht. Parallel erfolgte die Einarbeitung von sechs MTLA in Weiden in den Arbeitsablauf, sodass das Klinikum nach wenigen Wochen selbst in der Lage war, die Diagnostik durchzuführen. Nach dem „Rückzug“ der Laboreinheit des BNI aus Weiden bleibt eine neue voll funktionsfähige PCR-Abteilung im Labor des Klinikums bestehen, die langfristig die Anforderungen vor Ort mit eigener Ausstattung erfüllen kann.

Die mobilen Labore des EMLab-Konsortiums stellen eine sehr flexible und modulare diagnostische Unterstützungsmöglichkeit bei Epidemien und Pandemien durch hochinfektiöse Krankheitserreger dar und deren Werdegang zeigte, dass selbst zahlenmäßig begrenzte Diagnostikkapazitäten – fokussiert eingesetzt – einen sinnvollen Beitrag zu schneller und qualitativ hochwertiger Diagnose im Rahmen von Ausbruchsgeschehen leisten können.

Entnommen aus MTA Dialog 10/2020

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