Die größte Schwierigkeit beim Versuch, live ins Gehirn zu sehen, ist die Eindringtiefe. Denn ohne in die Struktur des Gehirns einzugreifen - und sie damit zumeist zu zerstören - verliert sich kurz nach der Oberfläche das Signal aufgrund der hohen Streuung im Gewebe. Daher blieben Untersuchungen am Gehirn mit optischen Methoden bis dato im wahrsten Sinne des Wortes sehr „oberflächlich“.
Ein Team um Daniel Razansky, Gruppenleiter am Institut für Biologische und Molekulare Bildgebung (IBMI) am Helmholtz Zentrum München und Professor für Molekulare Bildgebungswissenschaften an der TU München, hat nun einen Weg gefunden, dieses Problem anzugehen. Grundlage des neuen Verfahrens ist die sogenannte optoakustische Tomographie, die es erlaubt, auch Signale in größeren Gewebetiefen auszuwerten. Dies kombinierten die Wissenschaftler mit einer Technik, die Konzentrationsunterschiede von Kalziumionen sichtbar macht, die durch Nervenaktivität entstehen.
„Auf diese Wiese können wir die bisherigen Grenzen der neuronalen Bildgebung deutlich überschreiten“, so Xosé Luis Deán-Ben vom IBMI, Erstautor der Studie. Das stellten die Wissenschaftler im Gehirn von erwachsenen Zebrafischen (Danio rerio) unter Beweis, die mit einem stimulierenden Wirkstoff behandelt wurden. In einem entsprechenden Tomographen konnten die Wissenschaftler beobachten, wie das Kalziumsignal über die Nerven ins Gehirn weitergeleitet wurde. In einem nächsten Schritt konnten sie auch die Nervenimpulse der Fische in freier Bewegung nachverfolgen.
Dem Lauffeuer auf der Spur
„Der größte Erfolg für uns war allerdings die Analyse von ganzen Gehirnen der erwachsenen Tiere“, sagt Studienleiter Razansky. Diese hätten immerhin eine Größe von circa 2 x 3 x 4 Millimeter (circa 24 mm³). Aktuelle Methoden würden nur etwa einen Kubikmillimeter analysieren, so die Forscher. Gewebe vom Ausmaß eines erwachsenen Zebrafischgehirns wären entsprechend für aktuelle Mikroskopiemethoden nicht zu untersuchen. Die technische Grenze für ihre Verfahren schätzen sie selbst auf etwa 1.000 Kubikmillimeter bei einer zeitlichen Auflösung von 10 Millisekunden.
Die gleichzeitige Beobachtung so vieler Nerven halten die Forscher für entscheidend bei der Suche nach Antworten zur Funktionsweise des Gehirns – sowohl im Normalzustand als auch im Krankheitsfall. „Durch unsere Methode können wir nun eine größere Zahl von Nerven gleichzeitig optisch beobachten. Stellen Sie sich diese neuronalen Netzwerke vor wie soziale Medien: Bisher konnten wir mitlesen, wenn jemand (in diesem Fall eine Nervenzelle) seinem Nachbarn eine Nachricht überbringt. Nun können wir dabei zusehen, wie sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet“, erklärt Razansky. „Dadurch verbessert sich auch unser Verständnis dafür, wie das Gehirn arbeitet und möglicherweise ergeben sich dadurch Wege, bei Fehlfunktionen therapeutisch einzugreifen“, so der Wissenschaftler weiter.
Quelle: Helmholtz Zentrum München, 13.10.2016
Deán-Ben, XL. et al. (2016): Functional optoacoustic neuro-tomography for scalable whole-brain monitoring of calcium indicators. Light: Science & Applications, doi:10.1038/lsa.2016.201
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