Das Projekt „Radiologische Artefakte“ (2)

MTA-Schulprojekt
Efim Flom
Das Projekt „Radiologische Artefakte“ (2)
MTA-Schüler bei der Archivarbeit im Düsseldorfer Stadtarchiv © E. Flom
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Unsere zweite Frage nach der damaligen technischen Ausstattung, der Röntgenapparatur („Röntgeninstrumentarium“ – so hat man damals gesagt!), hat uns viel mehr Zeit und Mühe gekostet.

Zahlreiche Besuche im Universitäts- und Stadtarchiv, Hunderte von alten Firmenbriefen, Kostenvoranschlägen, Reklamationen, internen Schreiben, Kaufgenehmigungen – einfach alles, was Röntgentechnik und die Verwendung in diesen Kliniken betraf, haben wir abfotografiert, dokumentiert und analysiert. Diese Untersuchungen und Arbeit mit dem historischen Material und Dokumenten hat enorm Spaß gemacht und den Schülern/-innen die historische Bedeutung nähergebracht. Zu den Dokumenten zählen die mehr als 100 Jahre alten Briefe von namhaften Firmen aus dieser Zeit, die Anweisungen von ehemaligen Klinikdirektoren – mit einem Sprachgebrauch, den man heute kaum noch verwendet. Sogar die damaligen Behandlungskosten konnten nachvollzogen werden. Auch über die Probleme zur Erfüllung der Tätigkeiten in der Klinik, die der Erste Weltkrieg und auch die Nachkriegszeit brachten, wurde berichtet. Und selbstverständlich fanden wir hierbei auch die berühmten Namen von deutschen Röntgenpionieren, Ingenieuren und Konstrukteuren – Emil Gundelach, Friedrich Dessauer, Gustav Peter Bucky, Robert Fürstenau, Julius Edgar Lilienfeld und Joseph Rosenthal. Aufschlussreich für die Entdeckungen zu den alten verwendeten Materialien waren auch die Firmenbriefe mit Logos von Firmen, die heute nicht mehr bekannt sind: Veifa-Werke AG („Vereinigte Elektrotechnische Institute Frankfurt-Aschaffenburg“), Emil Gundelach in Thüringen, Reiniger, Gebbert & Schall – Erlangen, aber auch bekannte, wie Koch & Sterzel Spezialfabrik in Dresden, C. H. F. Müller aus Hamburg und weitere.

Es wurden Hinweise auf eine faszinierende, historische Technik gefunden: gute alte Ionenröhren (Gasentladungsröhren), die man bis Mitte der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts für Röntgendiagnostik und Therapie benutzt hat. Um die Grundlagen und die Technik der damaligen Röntgeninstrumentarien zu verstehen, haben wir 100 Jahre alte Lehrbücher studiert, das Deutsche Röntgenmuseum (Remscheid) besucht und unzählige Stunden im Internet recherchiert. Überraschenderweise gibt es dort nicht so viele Informationen, wie man es vermuten würde.

Mammut-Röntgenröhre mit Wolframantikathode und Kohle/Glimmerregulierung für die Röntgentherapie von der Firma C. H. F. Müller (Hamburg) in der Ausstattung der Medizinischen Klinik 1917 (mit freundlicher Genehmigung von Udo Radtke, Röhrenmuseum Udo Radtke, Gütersloh Germany)

Friedrich Dessauer, ein berühmter Röntgenpionier und Philosoph, schrieb 1945 zum 50-jährigen Jubiläum der Entdeckung der Röntgenstrahlung:

Friedrich Dessauer, ein deutscher Physiker, Röntgenpionier, Philosoph, Gründer (1907) der Firma Veifa mit bis zu 500 Angestellten für Röntgenapparate | © Deutsches Röntgenmuseum

„. . . vergessen sind die heißen Mühen von damals, ja die Art der Problemstellung mutet in der heutigen Zeit oft fremdartig an. Verweht ist der Ruhm; Überraschendes von einst ist jetzt trivial. Die oft bitteren Streite, von geistigen, oft auch vom wirtschaftlichen Wettbewerb genährt, sind ausgebrannt, öfter dadurch, dass sie gegenstandslos wurden, als durch einen sogenannten Sieg. Einst viel genannte Namen kennt man nicht mehr, und die großen Kämpfer unserer Kongresse sind Schatten geworden. Ja, man könnte meinen, all die vergangene Bewegung sei wie Furchen, die die Schiffe auf dem Meer ziehen. Zuerst wallt es auf und die Wellen sind stark, aber nach einer Stunde ist keine Spur mehr zu erkennen . . .“

„Spezial-Angebot von Photographischen Röntgenplatten“. Firma Rich. Seifert & Co. 1908 © Universitätsarchiv der Heinrich-Heine-Universität

MTA-Schüler/-innen nach den Röntgentechnik-Recherchen im Röntgenmuseum Remscheid © E. Flom

Abb. 12: Röntgenplatten-Werbung Firma Agfa 1910, aus: Die Kunst, Heft 8, 1910

Von Friedrich Dessauer haben wir zum Beispiel einen Kostenvoranschlag – einen Brief auf 1901 datiert – für die Röntgenabteilung der Medizinischen Klinik der Krankenanstalten Düsseldorf gefunden, die eigentlich erst 1907 geöffnet wurde.

Mit unseren gesammelten Erkenntnissen und Wissen zu dieser spannenden Historie haben sich unsere Arbeit und unsere Recherchen gelohnt. Wir wissen jetzt, welche Röntgenröhren, Röntgengeräte von welchen Firmen die Medizinische Klinik benutzt hat. Dank des Röhrensammlung-Museums von Udo Radtke und der wunderbar zusammengestellten Internetseite „tubecollection.de“ erhielten wir viele Informationen, Fotos und Erklärungen. Auch durch Udo Radtke selbst, der uns telefonisch und mit zahlreichen E-Mails unterstützte, begreifen wir, zumindest teilweise, die technischen, konstruktiven Besonderheiten, Herstellungs- und Funktionsprobleme und Entwicklungen von Ionenröhren.

Wir haben auch viel über die alten Gelatine-Trockenplatten herausgefunden. Die chemische Zusammensetzung, Entwicklung, Fixierung und Verstärkung von Röntgenbildern auf Glas und nicht auf Filmmaterial. Und auch über die großen bekannten und kleinen unbekannten Firmen, die solche Platten zu jener Zeit produziert haben.

Fortsetzung folgt

Entnommen aus MTA Dialog 9/2020

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