„Klare Ursachen und Mechanismen der Präeklampsie sind auch nach vielen Jahren der Forschung nicht bekannt. Daher nennt man sie mitunter auch die ‚Krankheit der vielen Theorien‘“, sagt PD Dr. Florian Herse. Herse ist Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe von Prof. Dominik N. Müller und PD Dr. Ralf Dechend am Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH). Beides sind Einrichtungen, in denen Forschende des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin gemeinsam arbeiten.
In einer neuen Studie hat Herse nun zusammen mit einem internationalen Forschungsteam einen Faktor aus dem Immunsystem identifiziert, der für die Krankheit relevant ist, das Rezeptorprotein CD74, das sich auf der Oberfläche von Immunzellen wiederfindet. In der Plazenta fanden es die Forscher auf Riesenfresszellen des Immunsystems, den Makrophagen. Diese Zellen sind an der Schnittstelle zwischen Mutter und Kind aktiv. Sie interagieren direkt mit weiteren Zellen der Plazenta, den Trophoblasten, und stimulieren diese.
„In Vorstudien bemerkten wir, dass in den Plazenten von präeklamptischen Frauen die CD74-Präsentation verringert ist“, sagt Herse. Die Forscher beschlossen, den Zusammenhang genauer zu untersuchen. In den Plazenten von betroffenen Personen fanden sie sodann auf den Makrophagen viel weniger CD74-Rezeptoren als erwartet. Im Zellkulturversuch unterdrückten sie die Produktion von CD74 in den Fresszellen, die daraufhin entzündungsfördernde Botenstoffe abgaben
Mäuse ohne das CD74-Protein bildeten Plazenten mit ungewöhnlichem Aufbau, die weniger leistungsfähig waren als bei den Tieren einer Vergleichsgruppe. Die unmittelbaren Ursachen für Entzündung und das abnorme Erscheinungsbild der Plazenten sehen die Forscher in der gestörten Kommunikation zwischen den Zellen. „Der Grund für den gestörten Plazentaaufbau ist eine Störung der Makrophagen-Trophoblasten-Interaktion, die für einen normalen Verlauf der Schwangerschaft wichtig ist“, folgert Herse aus den Befunden.
Entnommen aus: MTA Dialog, Heft 8/2016
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