„Das ist eine sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung der Rettungskette, da die derzeitige Regelung von Autofahrern oft nicht zufriedenstellend umgesetzt wird“, sagt Reinhard Hoffmann, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) zur gesetzlichen Klarstellung der Bildung der Rettungsgasse. Die Folge: Der Weg für Notärzte und Rettungskräfte ist häufig blockiert. Hier sei auch das Verantwortungsbewusstsein der Autofahrer gefordert.
Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen oder mehrspurigen Außerortsstraßen Schritt-Tempo fahren oder sich im Stillstand befinden, muss künftig die Rettungsgasse gebildet werden. Damit wird der Zeitpunkt für die Bildung der Rettungsgasse konkretisiert. Der Begriff „Stockender Verkehr“ wurde in der Vergangenheit oft missverständlich interpretiert.
Leicht einprägen können sich Autofahrer die neue Vorgabe anhand der sogenannten Rechte-Hand-Regel: Dabei befindet sich die Rettungsgasse immer zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Daumen markiert die linke Fahrspur und die anderen Finger eine beliebige Anzahl weiterer Fahrbahnen. Damit die vom Bundeskabinett beschlossene Novelle der Straßenverkehrsordnung für mehr Verkehrssicherheit in Kraft treten kann, muss noch der Bundesrat zustimmen.
Aus Sicht der Unfallchirurgen ist die gesetzliche Klarstellung zur Rettungsgasse ein wichtiger Mosaikstein für eine reibungslose Notfallmedizin: „Von der Rettung bis zum Eintreffen der schwerverletzten Patienten in eine Klinik darf keine unnötige Zeit verstreichen, denn Zeit ist Leben“, betont Hoffmann. Die präklinische Versorgung ist bei Mehrfachverletzten von entscheidender Bedeutung. Die ersten lebensrettenden Maßnahmen finden direkt am Unfallort durch Notarzt und Sanitäter statt: Aufgabe ist es, möglichst schnell die lebenswichtigen Körperfunktionen der Unfallopfer zu stabilisieren und sie in einen transportfähigen Zustand zu versetzen. Denn: Die besten Überlebenschancen hat der Patient in der „Golden Hour of Shock“ – also innerhalb von 60 Minuten nach Eintreffen des Rettungsdienstes am Unfallort und der stationären Einlieferung in eine Klinik und den speziell für Schwerverletzte vorgesehenen Schockraum.
Eine Rettungsgasse kann nur funktionieren, wenn alle Pkw-Fahrer an einem Strang ziehen, die Vorschriften einhalten und ein Bewusstsein für die Situation entwickeln.
Dazu raten Verkehrsexperten:
- Bereits bei Schrittgeschwindigkeit eine Rettungsgasse bilden – nicht erst bei Annäherung der Einsatzfahrzeuge, da unnötig Zeit verloren geht.
- Bei Blaulicht und Einsatzhorn: die Geschwindigkeit verringern und klären, aus welcher Richtung die Einsatzfahrzeuge kommen.
- Blinker setzen, um den Verkehrsteilnehmern und Rettungsfahrzeugen mitzuteilen, zu welcher Seite ausgewichen wird.
- Im Zweifelsfall anhalten oder den Pkw möglichst parallel zur Fahrtrichtung ausrichten, damit nicht das Heck des Fahrzeugs in die Rettungsgasse hineinragt.
- Ausreichend Abstand zum vorderen Fahrzeug halten, um die Rettungsgasse bilden zu können. Stehen die Autos im Stau bereits dicht auf dicht, ist das oft nicht mehr möglich.
- Vor der Weiterfahrt prüfen, ob noch weitere Einsatzfahrzeuge folgen.
Quelle: Pressemitteilung DGOU, 19.07.2016
Hintergrund:
Um die Überlebenschancen Schwerstverletzter zu erhöhen, haben Unfallchirurgen im Jahr 2006 im Weißbuch Schwerverletztenversorgung die optimalen Bedingungen für die Versorgung von Schwerverletzten festgehalten und die Initiative TraumaNetzwerk DGU gegründet. Ziel ist es, durch diese Vernetzungsstruktur die Behandlungsqualität zu sichern und zugleich die schnelle Versorgung der Patienten zu optimieren. Gegenwärtig erfüllen bundesweit rund 600 Traumazentren die Qualitätsvorgaben der DGU und sind in 51 zertifizierten TraumaNetzwerken DGU zusammengeschlossen. Diese Zusammenarbeit hat sich in enger Abstimmung mit den Rettungsdiensten in der Vergangenheit bewährt. Insbesondere bei Massenunfällen auf Autobahnen können viele schwerverletzte Menschen somit schnell und effizient versorgt werden.
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