Die Empfehlungen der Nationalen Stillkommission, das Kind vier bis sechs Monate ausschließlich zu stillen, werden nur von einem Teil der Mütter befolgt. Wissenschaftler der Universität Ulm haben nun herausgefunden, dass zwar die Stillhäufigkeit in den letzten Jahren weiter angestiegen ist, doch dass die Zuwächse allein bei den besser gebildeten Müttern zu finden sind.
„Frauen mit niedriger Schulbildung stillen seltener oder hören früher mit dem Stillen auf“, so Dietrich Rothenbacher, Leiter des Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie an der Universität Ulm. Zu diesem Ergebnis kamen die Forscher beim Vergleich zweier Geburtskohortenstudien, die am Universitätsklinikum Ulm durchgeführt wurden. Für die Ulmer Säuglingsstudie (2000/2001) und die Ulmer SPATZ Gesundheitsstudie (2012/2013) wurden jeweils knapp tausend Mütter befragt sowie die medizinischen und geburtshilfliche Daten von Mutter und Kind erfasst.
„Neben der Bildung spielen auch Körpergewicht, Zigaretten und Alkohol-konsum sowie die Art der Geburt eine Rolle“, erklärt Doktorand Chad Logan, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Epidemiologie und Medizinische Biologie arbeitet. Bei Frauen mit Untergewicht, aber auch mit starkem Übergewicht sind Stillrate und Stilldauer deutlich niedriger als bei Normal- oder leicht übergewichtigen. Bei der statistischen Auswertung der Daten fiel zudem auf, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Zigaretten- und Alkoholkonsum sowie dem Abstillen. „Erstaunlicherweise war das Abstillrisiko bei Müttern, die in dieser Zeit bewusst auf Alkohol verzichten, sogar niedriger als bei Frauen, die auch zuvor abstinent waren“, informiert Logan.
Spezielle Interventionsprogramme
Kurz nach der Geburt versorgen deutlich mehr als 90 Prozent aller Mütter ihr Baby mit Muttermilch, nach vier Monaten sinkt die Rate auf rund 65 Prozent. Während von 2001 bis 2013 die Stillrate von rund 92 auf knapp 95 Prozent ansteigt, ist der Zuwachs bei den Müttern, die noch nach sechs Monaten stillen, sogar von 59 Prozent (2001) auf 67 Prozent (2013) gestiegen. Diese Zuwächse gehen laut Wissenschaftler auf den vergrößerten Anteil an besser gebildeten Frauen zurück.
„Die Unterschiede zwischen Frauen mit unterschiedlicher Bildung könnten einen Hinweis darauf sein, dass sich die Auswirkung sozioökonomischer Effekte auf das Stillverhalten weiter verfestigt hat“, vermuten die Ulmer Forscher. So wirke sich die Art der Geburt vor allem bei den bildungsschwächeren Frauen aus. Entschieden sich diese bewusst für einen medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitt, sinke bei ihnen sowohl Stillrate und -dauer.
Um nicht zuletzt die weniger gut gebildeten Frauen zu motivieren, die Stillzeit bis zu den empfohlenen vier bis sechs Monate auszuweiten, empfehlen die Ulmer Wissenschaftler spezielle Interventionsprogramme, die auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen dieser Müttergruppe besser zugeschnitten sind.
Die von der DFG und der Medizinischen Fakultät unterstützte Studie wurde in der Mai-Ausgabe des Fachmagazins Pediatrics veröffentlicht.
Quelle: Logan C, Zittel T, Striebel S, Reister F, Brenner H, Rothenbacher D, Genuneit J. The influence of changing societal and lifestyle factors on breastfeeding patterns over time. Pediatrics 2016; 137(5): e20154473. DOI: 10.1542/peds.2015-4473
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