Bei Darmbeschwerden auch an Zöliakie denken
Durch eine Verzögerung bei der Diagnose verzögert sich aber oft auch die Behandlung und Linderung der teils folgenreichen Beschwerden. Im Rahmen einer digitalen Pressekonferenz von Dr. Schär gaben Experten praxisorientierte Tipps aus der Haus- und Facharztpraxis und erläuterten, wie Menschen mit Zöliakie schneller diagnostiziert und einer gezielten Therapie mittels glutenfreier Ernährung zugeführt werden können.
Bei Zöliakie-Betroffenen werden durch den Kontakt mit Gluten Autoantikörper gegen das Enzym Gewebetransglutaminase (TG2) und gegen Endomysium-Proteine gebildet. Die daraus resultierende Schädigung der Darmschleimhaut führt meist zu umfangreichen Verdauungsstörungen und extraintestinalen Beschwerden. „Mit einer Prävalenz von 0,5 bis 1,5 % der Bevölkerung in Europa ist die Zöliakie keine seltene Erkrankung“, betonte Prof. Martin Storr, Facharzt für Gastroenterologie in Gauting. „Sie wird aber zu selten diagnostiziert.“ Das liege, wie der Experte weiter erklärte, an der vielfach unspezifischen Symptomatik, die zahlreiche Überschneidungen mit anderen gastrointestinalen Erkrankungen aufweise. Die typischen Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfälle, Bauchkrämpfe und Übelkeit würden unter anderem auch bei Reizdarm, Morbus Crohn und der Gluten-/Weizensensitivität beobachtet. Hinzu komme, dass es verschiedene Verlaufsformen gibt: Neben der klassischen Zöliakie kommen auch Formen vor, bei denen die Symptomatik weniger stark ausgeprägt ist bzw. sogar fehlt oder bei denen untypische Beschwerden im Vordergrund stehen.
Laboruntersuchung liefert erste Diagnose
Bei unklaren Verdauungsbeschwerden beginnt in der gastroenterologischen Praxis deshalb eine umfangreiche Diagnostik mit gründlicher Anamnese, körperlichen Untersuchungen, Ultraschall, Blut- und Stuhluntersuchungen sowie Maßnahmen zur Abgrenzung der in Frage kommenden Erkrankungen. Der Zöliakie auf die Spur zu kommen, sei dabei relativ einfach, wie Storr erklärte: „Eine Laboruntersuchung auf Serum-Autoantikörper gegen TG2 oder Endomysium-Proteine liefert bei einem positiven Ergebnis eine erste Diagnose, die durch eine Magen-Darm-Spiegelung mit Duodenum-Histologie erhärtet werden kann.“ Ebenso einfach sei dann die Therapie, die in einer lebenslangen strikt glutenfreien Diät bestehe. Unterbleiben Diagnose und Therapie jedoch, könnten die Folgen schwerwiegend sein, warnte Storr: Bei Kindern komme es häufig zu Minderwuchs und psychosomatischer Retardierung, bei Erwachsenen könnten Gewichtsverlust, Osteoporose, weitere Autoimmunerkrankungen wie Diabetes Typ 1, neurologische Erkrankungen und Malignome auftreten. „Es lohnt sich also, die Zöliakie auf dem Radar zu haben“, so Storr weiter.
Größere Herausforderung in der Hausarztpraxis
Gerade in der Hausarztpraxis, die täglich mit einer großen Bandbreite von Erkrankungen konfrontiert sei stelle dies jedoch bisweilen eine größere Herausforderung dar als in einer spezialisierten gastroenterologischen Praxis, wie Dr. Petra Zantl, Fachärztin für Allgemeinmedizin in Konstanz, berichtete. Sie verwies auf eine Umfrage unter Hausärzten, in der 76 % der Befragten angaben, dass sie im letzten Halbjahr bei typischen Beschwerden wie Durchfällen und Blähungen eine Zöliakie in Betracht gezogen hätten [1]. „Das heißt aber auch, dass fast ein Viertel nicht daran gedacht hat und das sind zu viele“, warnt Zantl. Ihr Tipp lautet daher: „Bei allen Magen-Darm-Beschwerden, die länger als sechs Wochen anhalten, sollte eine Zöliakie ausgeschlossen werden.“
Zöliakie ist ein echtes Chamäleon
Ebenso wichtig sei laut Zantl, auch die weniger klassischen Zöliakie-Beschwerden im Blick zu behalten und richtig zuzuordnen. „Die Zöliakie ist ein echtes Chamäleon – sie kann die vielfältigsten Formen annehmen“, so Zantl. So könnten auch Müdigkeit, Leistungsschwäche, Kopfschmerzen, Depressionen, Appetitlosigkeit, Hautausschläge und Schwindelgefühle auf die Autoimmunerkrankung hindeuten. Eine weitere Empfehlung der Allgemeinärztin ist daher: „Bei chronischer, unklarer Symptomatik immer auch eine Zöliakie in Erwägung ziehen und eine entsprechende Blutuntersuchung anordnen.“
Ernährungsberatung und regelmäßige Kontrollen
Stehe die Diagnose fest, gelte es, Patienten bei der glutenfreien Diät engmaschig zu begleiten, insbesondere zu Beginn. „Eine gezielte Beratung in Lebensführung und Ernährung ist sehr zu empfehlen“, betonte Zantl. Denn gerade am Anfang könne die glutenfreie Ernährung Betroffenen Probleme bereiten: „Auch wenn es inzwischen eine große Auswahl hochwertiger glutenfreier Produkte im Handel gibt, bleibt die Problematik der Außer-Haus-Ernährung. Außerdem gibt es viele versteckte Gluten-Quellen wie beispielsweise in Essig oder Sojasauce.“ Wichtig sei laut Zantl auch, den Erfolg der Therapie regelmäßig zu überprüfen, um bei Bedarf intervenieren zu können. Dazu gehören Laboruntersuchungen auf Autoantikörper und die Prüfung aller Werte, die eingangs nicht in Ordnung waren. Anfangs empfiehlt Zantl eine Frequenz von 3-6 Monaten, bei Stabilisierung reichen dann größere Abstände aus. „Im Endeffekt muss die Betreuung jedes Patienten natürlich individuell erfolgen. Entscheidend ist aber, dass wir mit einer einfachen Blutuntersuchung undiagnostizierten Zöliakie-Patienten, die teilweise jahrelang auf der Suche nach dem Ursprung ihrer Beschwerden sind, Klarheit und in der Folge Beschwerdefreiheit liefern können“, erläuterte Zantl.
[1] DocCheck Research: Zufallsbasierte Online-Befragung im DocCheck Panel vom 13.04. bis 28.04.2021 unter n = 300 niedergelassenen Allgemeinmediziner/-innen, Praktische Ärzte/-innen und Internisten/-innen ohne Schwerpunkt (APIs).
Quelle: Dr. Schär
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