Bei der 8. Tagung zur Hygieneförderung und Fortbildung für stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen und -dienste, von Hardy-Thorsten Panknin, Fachjournalismus Medizin und Kongressmanagement in Berlin, seit nun 12 Jahren ausgerichtet, standen urogenitale Infektionen und die Prävention und Therapie beim alten Menschen im Vordergrund der diesjährigen Veranstaltung.
Jährlich ca. 155.000 erworbene Harnwegsinfektionen
Der Lehrstuhlinhaber, Herr Univ.-Prof. Hans Heppner, Fakultät für Gesundheit und Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke sowie Chefarzt der Klinik für Altersheilkunde am Helios Klinikum in Schwelm und seine Kollegen Frau Univ. Prof. Dr. med. Ursula Müller-Werdan, Medizinische Geschäftsführung Evangelisches Geriatriezentrum Berlin gGmbH und Direktorin des Lehrstuhls für Geriatrie der Charité Universitätsmedizin Berlin und Herr Prof. Dr. med. Stefan Schröder, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Krankenhaus Düren gem. GmbH, Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen stellten fest, dass in Deutschland jährlich circa 155.000 im Krankenhaus erworbene Harnwegsinfektionen auftreten. Ein wesentliches Problem dieser Infektionen sind sekundäre Sepsisfälle. Zusätzlich entstehen daraus ökonomische Belastungen: So gibt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) an, dass solche Infektionen im Mittel zu einer 4 Tage längeren Liegezeit sowie zu Zusatzkosten zwischen 4.000 und 20.000 Euro pro Fall führen können.
Häufig stellen diese Infektionen ein unterschätztes Problem bei alten Menschen dar. In Krankenhäusern oder Langzeitpflegeeinrichtungen erworbene Infektionen gehören heutzutage zu den häufigsten Komplikationen in der Behandlung und Pflege.
Frühe Diagnostik sollte erfolgen
Herr PD Dr. med. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologischen Klinik am Ev. Krankenhaus Witten im Diakoniewerk Ruhr gGmbH, Lehrkrankenhaus der Universität Witten Herdecke ging als erster Redner in seinem Vortrag auf die Aspekte von Harnwegsinfektionen, speziell beim alten Menschen, ein. Er betonte, dass die Harnwegsinfektion beim alten Menschen einer frühen Diagnostik inklusive Urinkulturen, Beseitigung prädisponierender Faktoren und im interdisziplinären Kontext zu erfolgen habe. Diese Strategien gewinnen immer mehr an Bedeutung, da die Resistenzentwicklungen gerade bei Patienten mit wiederkehrenden Infektionen ein bedeutsames Problem darstellen.
9–31 % aller Septitiden entfallen auf die Urosepsis
Herr Dr. med. Nici Markus Dreger, Assistenzarzt an der Klinik für Urologie und Kinderurologie, Helios Klinikum Wuppertal, Universität Witten/Herdecke referierte über die Urosepsis. Er stellte dabei fest, dass die Sepsis eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland sei. 9–31 % aller Septitiden entfallen auf die Urosepsis mit einer Sterberate von 20–40 %. Aufgrund des demografischen Wandels sei mit einer Zunahme an Urosepsis-Patienten zu rechnen. Die Therapie sollte interdisziplinär mit Urologen, Intensivmedizinern und Mikrobiologen erfolgen.
Biomarker für Diagnostik und Therapie von schweren Infektionen
Herr Prof. Dr. med. Stefan Schröder ging in seinem Vortrag auf Biomarker für Diagnostik und Therapie von schweren Infektionen in der Intensivmedizin ein. Während der frühzeitige Beginn einer antibiotischen Therapie bei schwerer Sepsis unbestritten ist, ist die Dauer der antimikrobiellen Therapie in der klinischen Praxis jedoch weniger genau definiert und wird häufig nach den Erfahrungswerten der behandelnden Ärzte durchgeführt. Dabei scheint aber die Verkürzung der antibiotischen Therapie eine wichtige Maßnahme zur Reduzierung von Antibiotikaresistenzen zu sein. Prof. Schröder und sein Team führten mit eine der ersten Studien, die die Effekte der Implementierung eines PCT-Algorithmus auf den Antibiotikaverbrauch unter klinischen Alltagsbedingungen bei septischen Intensivpatienten untersucht haben, durch. Die Einführung des PCT-Protokolls war in dem untersuchten Fünfjahreszeitraum mit einer deutlichen Verkürzung der Antibiotikatherapiedauer verknüpft. Dieser neuer Marker kann helfen, die dramatische Antibiotikaresistenz zu senken.
Ältere Patienten anfälliger für Infektionen
Der Tagungsleiter Herr Prof. Dr. med. Hans Jürgen Heppner betonte, dass ältere Patienten anfälliger für Infektionen als jüngere Patienten seien. Eine Störung der Immunfunktion, vor allem des zellulären Immunsystems sei dafür verantwortlich. In vielen Studien wurde gezeigt, dass sowohl Infektionen häufiger auftreten, als auch deren Schweregrad mit dem Alter zunimmt. Harnwegsinfektionen, Infektionen der Atemwege, Haut- und Weichteilinfektionen, Herzinnenhautentzündung und Gürtelrose treten vor allem bei älteren Patienten auf. Die Sterberate dieser Infektionen ist um mindestens das Dreifache im Vergleich zu jüngeren Patienten mit denselben Erkrankungen erhöht (s. Infektions-Karussell). Prof. Heppner betonte abschließend, wie wichtig die Erhaltung von Mobilität und Selbstständigkeit, Muskelmasse und normale Körpergewicht Erhaltung, Frühmobilisation, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, gute persönliche Hygiene, wenig Medikation, wenige, kurze Krankenhausaufenthalte und besonders Impfungen gegen Pneumokokken, Grippe (Influenza) und Herpes zoster (Gürtelrose) im Alter seien.
64,9 % der Sepsispatienten sind über 65 Jahre alt
Als letzte Rednerin berichtete Frau Prof. Dr. med. Ursula Müller-Werdan über die Langzeitergebnisse von schweren Infektionen beim alten Patienten. Sie hob hervor, dass das relative Sterberisiko bei Patienten > 85 Jahren etwa 1,8 mal höher sei als bei Patienten < 65 Jahren. Uneinheitlich seien die Ergebnisse hinsichtlich der Lebensqualität nach einem Intensivstationsaufenthalt. 64,9 % der Sepsispatienten seien über 65 Jahre alt. Das Sepsisrisiko älterer Patienten sei 13,1-fach erhöht. Sepsisfallzahlen und die Zahl der durch Sepsis verursachten Todesfälle seien in Deutschland deutlich höher als bisher angenommen und ansteigend. Hohes Lebensalter allein sei jedoch kein Grund, einem Patienten eine intensivmedizinische Behandlung vorzuenthalten. Präventionsmaßnahmen und einheitliche Therapiekonzepte bei der Behandlung von schweren systemischen Infektionen sollten flächendeckend umgesetzt werden, plädierte Frau Prof. Müller-Werdan abschließend. (H.-T. Panknin, red)
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