Wie gesund ist mein Kind?

Pränatale Diagnostik
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Pränatale Diagnostik
Hat mein Kind alle Zehen und Finger? Hat es eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte? Auch solche Fragen lassen sich mit Hilfe der Ultraschalldiagnostik beantworten. Fotolia/jimcox40
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Mit den Chancen und Risiken der pränatalen Diagnostik beschäftigt sich der diesjährige Frauenärztekongress in Düsseldorf.

Der gesetzliche Auftrag der Pränataldiagnostik ist es, Veränderungen beim ungeborenen Kind festzustellen, die so schwerwiegend sind, dass noch vor der Geburt Entscheidungen getroffen werden müssen. „Erkenntnisse, die darüber hinausgehen, sind nicht immer hilfreich und nützlich, sondern belasten vielfach die Eltern mit überflüssigem Wissen und unnötigen Sorgen“, stellt Jochen Frenzel, Saarbrücken, anlässlich des Frauenärztekongresses (FOKO) in Düsseldorf mit.

Medizinisch bedeutsam sind, so Frenzel, in erster Linie die Erkenntnisse, die aus den Ultraschall-Untersuchungen bei der Frauenärztin oder dem Frauenarzt gewonnen werden. So kann in der ersten Ultraschalluntersuchung zum Beispiel gesehen werden, ob es sich um eine Eileiterschwangerschaft oder Mehrlingsschwangerschaft handelt. Bei den späteren Ultraschallterminen kann eine Mangelentwicklung festgestellt werden, die das Kind gefährdet, und die eine gezielte Behandlung der Mutter und eine frühzeitige Entbindung notwendig machen kann.

Auch Veränderungen der inneren Organe, die sofort nach der Geburt lebensbedrohlich werden und deshalb in seltenen Fällen einen operativen Eingriff noch während der Schwangerschaft notwendig machen, können gefunden werden. Wenn die Plazenta direkt vor dem Muttermund sitzt – auch dies ist im Ultraschall zu sehen –, muss die Schwangerschaft unbedingt rechtzeitig per Kaiserschnitt beendet werden, weil die Mutter und das Kind eine natürliche Geburt möglicherweise nicht überleben würden.
Es kann auch überprüft werden, ob sich die Plazenta direkt auf einer Narbe, beispielsweise nach einer früheren Kaiserschnittentbindung, oder anderen Operationen an der Gebärmutter, aufgesetzt hat, was ebenfalls zu Problemen bei der Geburt führen kann. Bei Zwillingen kann man feststellen, ob einer von ihnen viel zu stark, der andere dagegen viel zu langsam wächst. Ursache kann hier ein seltener Fehler in der Blutversorgung durch den gemeinsamen Mutterkuchen sein, der in einem spezialisierten Zentrum per Laser korrigiert werden kann. Auch hier kann ein Eingriff noch während der Schwanger-schaft beide Zwillinge retten.

Geburt in einem Perinatalzentrum

Zu den Veränderungen, die in der Ultraschalldiagnostik diagnostiziert werden sollen, gehören auch solche, die die Gesundheit und das Überleben des Kindes nicht während der Schwangerschaft bedrohen, aber direkt nach der Geburt. Dazu gehören schwere Fehler an den inneren Organen oder dem zentralen Nervensystem, die bereits in den ersten Lebenswochen operativ korrigiert werden müssen. Wenn solche Veränderungen in der Ultraschall-Untersuchung gefunden werden, dann sollte die Geburt in einem Perinatalzentrum stattfinden, in dem das Baby ohne weiteren Transport von Spezialisten operiert und intensivmedizinisch versorgt werden kann.

Auf diese Anforderung hin – wesentliche und schwere Veränderungen festzustellen, die bereits während der Schwangerschaft zu Konsequenzen führen – wurde der Katalog der Pränataldiagnostik im Rahmen der gesetzlichen Schwangerenvorsorge festgelegt: Drei freiwillige Ultraschall-Untersuchungen, bei denen im Wesentlichen das Wachstum des Kindes und sein Herzschlag, die grundsätzliche Anatomie des Gehirns und des Herzens, die Menge des Fruchtwassers und der Sitz der Plazenta überprüft werden.

Moderne Möglichkeiten der Ultraschall-Diagnostik

Mit den fortschreitenden Möglichkeiten der Ultraschalldiagnostik sind heute aber vor allem in der sogenannten erweiterten Ultraschall-Untersuchung sehr viel mehr Erkenntnisse möglich: Hat das Kind alle Finger und alle Zehen? Fehlstellungen der Füße? Hat es eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte? Hat es einen ungewöhnlich großen oder kleinen Augenabstand? Nierenzysten? Viele dieser Erkenntnisse haben während der Schwangerschaft keinerlei Konsequenzen. Nur in sehr seltenen Fällen zeigen sie Veränderungen an, die so schwerwiegend sind, dass ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation ins Blickfeld gerät. Andere Veränderungen – etwa eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, überzählige Finger und Zehen oder Fehlstellungen der Füße – werden erst im Lauf des ersten Lebensjahres korrigiert, wenn das Baby aus der Neugeborenenperiode herausgewachsen ist.###more###

Möglichkeiten der chromosomalen Diagnostik

Seit mehr als 30 Jahren ist es möglich, durch eine Punktion der Fruchthöhle (Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie) Zellen zu gewinnen, die dieselben genetischen Eigenschaften haben wie der Embryo; das Kind selbst wird durch die Methode nicht verletzt. Die Zellen werden aufbereitet, die Zellkerne isoliert und die Chromosomen nach ihrer Größe sortiert und gezählt. Auf diese Weise können Störungen der Chromosomenverteilung festgestellt werden, die fast immer einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit und das Leben des Kindes sowie damit auf den Alltag der Eltern haben. Für Frauen über 35 Jahre werden die Kosten für die Untersuchung im Rahmen der gesetzlichen Schwangerschaftsvorsorge erstattet.

Allerdings kann die Punktion einen Blasensprung auslösen; die Methode steht im Verdacht, bei einer von 200 Schwangerschaften zu einer Fehl- oder Frühgeburt zu führen.

Nicht-invasive Diagnostik von chromosomalen Störungen

Um dieses Risiko zu umgehen, wird Schwangeren häufig das nicht-invasive Ersttrimester-Screening angeboten. Hierbei wird anhand einer Ultraschalluntersuchung der Nackenregion, des Nasenbeins und des Herzens des Embryos und anhand von zwei typischen Blutwerten das Risiko errechnet, ob bei dem Kind eine Verdreifachung (Trisomie) des Chromosoms 21, 18 und 13 vorliegen könnte. Ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte, so entschließen sich viele Frauen, auf die Punktion zu verzichten.

Vor fünf Jahren stand in Deutschland erstmals ein Verfahren zur Verfügung, um Bruchstücke aus dem Erbgut des Embryos im Blut der Mutter nachzuweisen und systematisch aufzubereiten (Non-invasive Pränataldiagnostik, NIPD). Die Methode wurde zunächst nur dafür eingesetzt, einen Verdacht auf eine Trisomie 21,18 und 13 auszusprechen oder mit hoher Sicherheit auszuschließen. Eine invasive Diagnostik per Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese muss sich bei auffälligem Befund danach immer anschließen.

Allerdings wurden die Nachweismethoden der NIPD in den letzten Jahren rapide verfeinert. Inzwischen können mit diesen Testverfahren deutlich mehr chromosomale Veränderungen festgestellt werden wie Mikrodeletionen von Chromosomen oder Veränderungen der Geschlechtschromosomen.

Diagnostik von genetischen Eigenschaften

Da es aber Wissenschaftlern bereits vor einigen Jahren gelungen ist, das gesamte menschliche Genom zu entschlüsseln, wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, wann sämtliche genetische Untersuchungen auf Krankheitsrisiken, die heute für Erwachsene angeboten werden, auch in der Schwangerschaft verfügbar sein könnten.

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Es handelt sich dabei nicht um das Erkennen von Erkrankungen, die mit Sicherheit auftreten werden und das Leben verkürzen oder erheblich verändern würden, sondern vielfach lediglich um Risiken.

„Aber was würden Eltern mit dem Wissen anfangen, dass ihr Baby ein erhöhtes Risiko hat für Diabetes, für Brustkrebs, für Herzinfarkt oder für rheumatische Gelenkveränderungen oder Alzheimer?“ fragt der Pränatalmediziner. „Die meisten Menschen lehnen solche Untersuchungen für sich selbst ab. Aber würden sie es auch tun, wenn es um ein ungeborenes Baby ginge? Und was für Konsequenzen hätte es, wenn sie das alles wüssten? 90 % aller Schwangeren, die erfahren, dass ihr Kind eine Trisomie 21 oder aber eine offene Wirbelsäule (Spina bifida) hat, brechen die Schwangerschaft ab, weil sie für sich selbst vorhersehen, dass sie gesundheitlich und psychisch dem Leben mit diesem Kind nicht gewachsen wären. Wie viele Frauen würden ihre Schwangerschaft abbrechen, wenn sie von Krankheitsrisiken ihres Babys erfahren?“

Science fiction schon morgen?

„Als Frauenarzt denke ich, dass sich Ethik, Politik und die Gesetzgebung noch immer nicht wirklich nah genug mit den Konflikten befasst haben, in die Paare geraten, wenn sie während der Schwangerschaft von einer späteren Behinderung oder Erkrankung ihres Kindes erfahren“, führt Frenzel aus. „Viele Paare fühlen sich mit diesem belastenden Wissen nach wie vor alleingelassen.“ Umso dringlicher sei es, so der Frauenarzt, dass die atemberaubenden Erweiterungen in der pränatalen Diagnostik politisch mit Besonnenheit, Weitblick und Verantwortung begleitet und begutachtet werden: „Nur noch wenige Jahre trennen uns von der Science-fiction-Vorstellung, dass Frauen ihre Schwangerschaften abbrechen, weil ihre Babys ein erhöhtes Risiko haben, klein und dick zu bleiben."

Quelle: Berufsverband der Frauenärzte/Frauenärztliche Bundesakademie, 08.03.2017

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