Normalerweise sind T-Zellen im Körper unter anderem dafür verantwortlich, dass entstehende Krebszellen sofort erkannt und abgetötet werden. Problematisch wird es aber, wenn eine T-Zelle selbst Fehler in ihrem Erbgut, der DNA, entwickelt. Betrifft das Bereiche, die für das Zellwachstum verantwortlich sind, so genannte Onkogene, kann die T-Zelle selbst zu einer unkontrolliert wachsenden Tumorzelle werden. Zusätzlich fällt sie dann als ein wichtiger Teil des körpereigenen Abwehrsystems gegen Krebs aus.
Genau das geschieht bei den T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen. Diese aggressive Form von Lymphdrüsenkrebs hat sehr schlechte Heilungschancen und betrifft in Deutschland etwa eine von 100.000 Personen. Prof. Jürgen Ruland, Direktor des Instituts für Klinische Chemie der TUM und „Principal Investigator“ am Zentralinstitut für Translationale Krebsforschung der TUM (TranslaTUM) und am Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), versucht mit seinem Team die molekularen Mechanismen dieses Krebses genau zu verstehen, um ihn so besser zu bekämpfen.
PD-1 als Stoppschalter für Tumorbildung
In ihrer neuen Studie, die jetzt veröffentlicht wurde, gelang den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein wichtiger Schritt: Sie konnten zeigen, dass auch die fehlerhaften T-Zellen einen Not-Ausschalter, einen so genannten Tumorsuppressor haben. Sie fanden heraus, dass das Protein PD-1 defekte T-Zellen frühzeitig abschalten kann und so verhindert, dass sie zu Tumorzellen werden. Die Forscherinnen und Forscher entdeckten diese Funktion von PD-1 zuerst in einem Mausmodell für T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome und konnten auch den Mechanismus aufklären: PD-1 wird durch Fehler in Genen für das Zellwachstum, so genannten Onkogenen, aktiviert und unterdrückt dann die Wirkung dieser Gene mit Hilfe zusätzlicher Proteine. Es verhindert so als Schutzschalter ein unkontrolliertes Wachstum der defekten T-Zelle.
Tumoranalyse hilft bei Therapieentscheidung
Die Wissenschaftler konnten daraufhin auch die Frage klären, warum trotz dieser Schutzfunktion viele T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome so aggressiv sind. Sie untersuchten genetische Datensätze von 150 Patientinnen und Patienten. „Durch unsere vorherigen Ergebnisse haben wir gezielt PD-1 unter die Lupe genommen. In einzelnen Gruppen hatten mehr als 30 % der Patientinnen und Patienten Veränderungen in den Regionen des Erbguts, die die Herstellung von PD-1 störten. Das hat für den Tumor fatale Folgen – PD-1 als ‚Not-Aus‘ funktioniert bei ihnen nicht mehr. Die kranken T-Zellen können sich unkontrolliert vermehren“, erklärt Tim Wartewig, Erstautor der Studie.
„Solchen Menschen könnten Medikamente helfen, die einen Ausfall des PD-1-Signals wiederaufheben und damit die Tumorzellen zerstören. Medikamente dieser Art gibt es bereits für andere Krebsformen – ein Einsatz bei T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen sollte aus unserer Sicht überdacht werden“, sagt Jürgen Ruland. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen deshalb, individuelle Unterschiede der Tumore zu untersuchen und erst dann zu entscheiden, welches Medikament verabreicht wird. (idw, red)
T. Wartewig, Z. Kurgyis, S. Keppler, K. Pechloff, E. Hameister, R. Öllinger, R. Maresch, T. Buch, K. Steiger, C. Winter, R. Rad und J. Ruland: PD-1 is a haploinsufficient suppressor of T cell lymphomagenesis. Nature, November 2017, DOI: 10.1038/nature24649.
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