Atherosklerose – umgangssprachlich auch als Gefäßverkalkung bekannt – entsteht, wenn Ablagerungen in den Gefäßinnenwänden zu chronischen Entzündungen führen und die Gefäße verengen. Das kann den Blutfluss behindern oder ganz blockieren und schließlich einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen. Bisherige Behandlungsstrategien zielen hauptsächlich darauf ab, die Entzündungsreaktion zu hemmen. LMU-Forscher um Professor Oliver Söhnlein vom Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten der LMU haben nun eine völlig neue therapeutische Strategie entwickelt, die darauf abzielt, körpereigene heilungsfördernde Prozesse zu aktivieren. Wirkstoffe, die unter anderem in Fischöl enthalten sind, spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie konnten im Mausmodell Atherosklerose mindern, berichtet das Team in Circulation Research.
Entzündungs-Beendigungs-Programm ist gestört
Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass nicht nur die Entstehung, sondern auch das Beenden von Entzündungen ein aktiver Prozess der Immunabwehr ist. „Bei Atherosklerose ist dieses ‘Entzündungs-Beendigungs-Programm‘ gestört, sodass die Entzündung chronifiziert“, sagt Oliver Söhnlein. Für den Entzündungsverlauf sind spezielle Signalmoleküle, die aus essenziellen Fettsäuren gebildet werden, sogenannte Lipidmediatoren, entscheidend: Bei akuten Entzündungen sind zunächst entzündungsfördernde Lipidmediatoren aktiv. Zum Stoppen der Reaktion übernehmen entzündungshemmende Lipidmediatoren die Regulation. Damit dieser Prozess funktioniert, müssen beide Arten von Lipidmediatoren in einem ausgewogenen Verhältnis vorhanden sein.
"Wir konnten nun zeigen, dass diese Balance bei Atherosklerose gestört ist“, sagt Söhnlein. Normalerweise sollten Entzündungsreaktionen nach Ablauf der akuten Phase gestoppt werden, indem die Konzentration der entzündungshemmenden Lipidmediatoren ansteigt. Stattdessen war das Gegenteil der Fall: Wie die Wissenschaftler zeigen konnten, nahmen in atherosklerotischem Gewebe die Lipidmediatoren mit fortschreitender Entzündung sogar ab. „Durch die Zugabe der entzündungshemmenden Lipidmediatoren Maresin 1 und Resolvin D2 konnten wir im Mausmodell diese Imbalance korrigieren und Atherosklerose mindern“, sagt Söhnlein. Maresin 1 und Resolvin D2 werden aus essenziellen Omega-3-Fettsäuren gebildet, die unter anderem in Fischöl enthalten sind, dem schon lange eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt wird.
Funktional gesehen beeinflussen die Wissenschaftler mit den Lipidmediatoren die Fresszellen des Immunsystems, die Makrophagen: Makrophagen sammeln sich an atherosklerotischen Plaques an und können einerseits zum Fortschreiten der Entzündung beitragen, da sie sich an Blutfetten überfressen und selbst zugrunde gehen können. Andererseits haben sie aber auch eine wichtige Funktion bei der Heilung entzündeten Gewebes, da sie abgestorbene Zellen entfernen und die Vermehrung glatter Muskelzellen anstoßen. „Die Zugabe der Lipidmediatoren fördert diese entzündungsmindernde Wirkung, lenkt die Aktivität der Makrophagen also in eine gewünschte Richtung“, sagt Söhnlein. „Es wäre wünschenswert, in zukünftigen Studien zu untersuchen, ob die im Mausmodell gewonnenen Erkenntnisse auch auf Menschen übertragbar sind.“ (LMU, red)
*Die Abbildung zeigt, wie resolutions-induzierende Lipidmediatoren heilende Makrophagen „anschalten“. Gezeigt sind Makrophagen (CD68 in rot, CD206 in grün) in der atherosklerotischen Läsion nach Verabreichung von Resolvin D2 und Maresin 1. (Abbildung: O. Söhnlein, LMU)
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