Mit strahlenden Molekülen diagnostizieren und behandeln
Prof. Jörg Kotzerke, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, ist Präsident des Kongresses, der mehr als 2.000 Ärzte, Wissenschaftler und Angehörige medizinischer Fachberufe in die sächsische Landeshauptstadt lockt. Neben dem breiten Themenspektrum an Vorträgen, Fortbildungen und Plenumssitzungen wird das 60-jährige Bestehen der Klinik sowie des Instituts für Radiopharmazeutische Krebsforschung am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf gewürdigt.
Jährlich mehr als 1.200 Patienten behandelt
Von der engen Zusammenarbeit beider Einrichtungen profitieren seit Beginn Patienten, die dadurch Zugang zu den innovativsten Therapien erhalten. Die 18-Betten-Klinik, die jährlich mehr als 1.200 Patienten stationär behandelt, ist eine der effizientesten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland. „Unser Fach hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt“, sagt Prof. Kotzerke. Dies spiegelt sich im Spektrum der therapeutischen und diagnostischen Verfahren wider, die auch die Klinik für Nuklearmedizin am Dresdner Uniklinikum unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Institut für Radiologische Diagnostik anbietet.
Ein Beispiel dafür ist die Kombination Positronen-Emissions-Tomografie (PET) mit der Computertomographie (CT) beziehungsweise der Magnetresonanz-Tomografie (MRT). Dank des Miteinanders der Disziplinen und Verfahren lässt sich eine Krebserkrankung heute noch präziser diagnostizieren und so eine bessere Basis für wirksame Therapien schaffen.
PET/MRT ging 2011 in Betrieb
Die Dresdner Hochschulmedizin verfügt auf dem Gebiet der sogenannten Hybrid-Bildgebung über eine hervorragende Ausstattung: Nachdem 1997 im Forschungszentrum Rossendorf das gemeinsame PET-Zentrum zwischen dem Forschungszentrum und dem Uniklinikum eröffnet wurde und 2005 am Uniklinikum das erste PET-CT in Sachsen installiert wurde, ging die kombinierte PET/MRT-Anlage 2011 am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) in Betrieb. Dieses Gerät steht seit vergangenem Jahr ebenfalls auf dem Klinikums-Campus.
Diese Infrastruktur wie auch die Ernennung der Dresdner Hochschulmedizin zum einzigen Partnerstandort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg drückt die hier etablierte interdisziplinäre Expertise in Diagnostik und Therapie onkologischer Krankheitsbilder aus: Dresden ist auf diesem Gebiet über die Grenzen Deutschlands hinaus führend – wissenschaftlich ebenso wie in der Krankenversorgung.
„Im Dialog mit den anderen Disziplinen werden wir einen neuen Blick auf onkologische Zusammenhänge werfen und unsere Perspektive erweitern können“, umreißt Prof. Jörg Kotzerke den inhaltlichen Anspruch der DGN-Jahrestagung. Das spiegelt sich auch in den Schwerpunkten der mehrtägigen Veranstaltung wider. Die Experten diskutieren in Dresden zum Beispiel über die Hybridbildgebung als tief integrierte Kombination bildgebender Verfahren oder über die auf molekulare Bildgebung gestützten Radiopharmaka-Therapien.
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Vorkongress-Symposium zu Theranostics
Gleich ein ganztägiges Vorkongress-Symposium widmet sich am 20. April einem neuen, auch Theranostics (what you see is what you treat) genannten Verfahren: Bei dieser zielgerichteten nuklearmedizinischen Untersuchungsmethode lässt sich das prostataspezifische Membran-Antigen (PSMA) mittels einer PET/CT-Untersuchung darstellen. Bei PSMA handelt es sich um einen Eiweißkörper, der auf der Zelloberfläche von Prostatatumoren verstärkt zu finden ist. Durch Bindung einer radioaktiv markierten Substanz an diesen Eiweißkörper besteht jetzt die Möglichkeit, Tumore sehr genau sichtbar zu machen und auf diese Weise auch kleinste Tumorherde nachzuweisen. Hierdurch können wichtige Erkenntnisse über die Ausdehnung des Tumors gewonnen werden.
Aber auch bei der Therapie von Prostatakrebs lässt sich das Verfahren anwenden: Dazu wird der Wirkstoff PSMA mit einem intensiv strahlenden therapeutischen Radionuklid – wie einem Betastrahler – markiert, um die Krebszellen gezielt zu vernichten. Denn Tumorzellen, die das Zielmolekül PSMA tragen, nehmen dieses Radiopharmakon auf und zerstören die Zelle von innen, während das umliegende Gewebe geschont wird.
60 Jahre Nuklearmedizin in Dresden
Bereits 1956 gründete Prof. Konrad Hennig in der damaligen Medizinischen Akademie Dresden die Isotopenabteilung der Strahlenklinik. Wenig später ging aus dieser Abteilung die Klinik für Nuklearmedizin hervor, die damit eine der ältesten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland ist. Ebenfalls 1956 gründete sich am damaligen Zentralinstitut für Kernforschung (ZfK) Rossendorf der Bereich Radiochemie. Dies ist quasi die Vorläufereinrichtung des heutigen Instituts für Radiopharmazeutische Krebsforschung am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Von Anfang an arbeiteten beide Institutionen eng zusammen.
In den ersten Jahren der Nuklearmedizin ging es vor allem darum, Funktionen der Nieren, des Herzens und des Kreislaufs zu kontrollieren, ohne in den Körper einzudringen – denn eine auf Ultraschall basierende Diagnostik existierte zu dieser Zeit noch nicht. Die Nuklearmediziner nutzten deshalb radioaktiv markierte, in die Venen injizierte Botenstoffe. Mit Sonden, die die Radioaktivität außerhalb des Körpers messen konnten, ermittelten die Ärzte damals, wie viele markierte Teilchen an bestimmten Organen auftraten. Doch das Aufkommen moderner Diagnoseverfahren wie in den 70er Jahren der Ultraschall oder später die Angiographie bedeuteten keineswegs das Ende der noch jungen Disziplin in der Medizin.
„Neben der Diagnostik lag und liegt das Hauptaugenmerk natürlich auf der Therapie von Schilddrüsenerkrankungen, entzündlichen Gelenkerkrankungen und Tumorleiden oder Lymphomen“, sagt Prof. Jörg Kotzerke. Auch das ermöglichen markierte Botenstoffe, die übrigens immer nur im milliardstel und billionstel Gramm-Bereich zum Einsatz kommen und damit den Organismus äußerst gering belasten. Der Tumor weist Oberflächeneigenschaften wie Rezeptoren oder Antigene auf, für die ein radioaktiv-markiertes Gegenstück eingesetzt wird, um die Radioaktivität genau an die Tumorzellen zu bringen und dort vor Ort ihre Strahlung freizusetzen. Diese Behandlungsmethode ist besonders gewebeschonend und hat nur geringe Nebenwirkungen.
Enge Zusammenarbeit zwischen Klinik und Radiopharmazie
Um radioaktiv markierte Botenstoffe ganz spezifisch für die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten und der jeweiligen Therapie herstellen zu können, bedarf es der engen Zusammenarbeit zwischen Klinik und Radiopharmazie. Die Klinik für Nuklearmedizin des Dresdner Uniklinikums und das HZDR-Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung haben über die vergangenen Jahrzehnte eng und vertrauensvoll kooperiert. Dabei ist auch die räumliche Nähe von Bedeutung, haben doch einige Radiopharmaka eine Halbwertszeit von nur wenigen Stunden oder gar Minuten und müssen somit extrem schnell am Einsatzort sein.
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Zusammenarbeit auch bei Patienten-Untersuchungen
„Neben der gemeinsamen Grundlagenforschung arbeiten unsere beiden Einrichtungen auch bei Untersuchungen von Patienten mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie zusammen“, erläutert Prof. Jörg Steinbach, Direktor des Instituts für Radiopharmazeutische Krebsforschung. Der besondere Vorteil der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ist die quantifizierbare Darstellung der Verteilung einer radioaktiv markierten Substanz (Radiopharmakon) im Organismus. Dabei werden biochemische und physiologische Vorgänge abgebildet (funktionelle Bildgebung).
Das geschieht beispielsweise anhand des Zuckerstoffwechsels. Da Krebszellen aufgrund ihres Wachstums und anderer Stoffwechselvorgänge einen extremen Energiebedarf haben, nehmen sie wesentlich mehr Zuckermoleküle als ihre gesunde Umgebung auf. Sind diese Zuckermoleküle radioaktiv markiert, wird dieser Vorgang in der PET sichtbar. Die PET hat die Nuklearmedizin stark verändert. Die hochempfindliche Messtechnik ermöglicht das Aufspüren auch kleiner Tumoren. Zudem lässt es frühzeitig Aussagen zur Wirksamkeit einer Therapie zu. So können gegebenenfalls auch Therapiekonzepte verändert werden.
Nuklearmediziner und Radiologen sorgen für präzise Krebsdiagnostik
Die Kombination aus der PET und den radiologischen Bildgebungsverfahren der Computertomographie (CT) oder der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) hilft, eine Krebserkrankung so präzise wie möglich zu diagnostizieren und damit die Basis für eine wirksame Therapie zu schaffen. Nachdem das erste PET 1997 im Forschungszentrum Rossendorf und das erste PET-CT in Sachsen 2005 am Dresdner Uniklinikum installiert wurde, ging die kombinierte PET/MRT-Anlage am HZDR 2011 in Betrieb und wurde 2015 auf den Campus der Hochschulmedizin umgesetzt. Es handelte sich dabei um das erste, für Patienten zugelassene Ganzkörper-Gerät in Deutschland, das zweite in Europa und das dritte weltweit.
Während sich mit dem MRT-Teil des Systems die anatomischen Besonderheiten gut darstellen lassen, liefert die PET-Einheit Informationen zur Funktion, also zum Stoffwechsel im Gewebe. Dank leistungsstarker Software lassen sich die so gewonnenen Werte in dreidimensionale Bilder umrechnen. Von diesem Untersuchungsverfahren profitieren viele Krebspatienten – vom Kind bis zum Erwachsenen, beispielsweise Patienten mit bösartigen Hirntumoren sowie alle Personen, die an einem Sarkom leiden, einem bösartigen Tumor, der vom Binde- und Stützgewebe oder dem Muskelgewebe ausgeht. (idw, red)
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