Für die Therapie von Krebserkrankungen gibt es bislang kein Allheilmittel. So unterschiedlich die Diagnosen, so verschieden sind die Therapieformen, die im Einzelfall ratsam sind. Man spricht zunehmend von einer personalisierten Krebsmedizin, bei der eine effiziente, individuelle Immunantwort die wirkungsvollste Waffe im Kampf gegen maligne Tumore zu sein scheint.
Immunantworten für die Krebsbekämpfung
Dr. Georg Gdynia hat sich gemeinsam mit seinem interdisziplinären Forscherteam am Universitätsklinikum Heidelberg intensiv mit molekularer Tumorpathologie auseinandergesetzt, um solche Immunantworten zu finden. Mit großem Erfolg. Und er setzt sich im Besonderen dafür ein, seine Forschung in konkrete, angewandte onkologische Konzepte zu überführen. Für diese herausragenden Leistungen, die die Therapie und Diagnose von Krebserkrankungen gleichermaßen revolutionieren könnten, erhält er in diesem Jahr den mit 100.000 Euro dotierten Landesforschungspreis für Angewandte Forschung.
Natürliche Killerzellen als Waffen
In jahrelanger Arbeit hat Dr. Georg Gdynia die körpereigenen Waffen und Abwehrmechanismen erforscht. Im Zentrum seiner derzeitigen Forschung stehen sogenannte natürliche Killerzellen, die in der Lage sind, Tumorzellen innerhalb weniger Minuten zu töten. Daher sind sie für die Krebsforschung besonders interessant - verbunden mit der Hoffnung, das, was als natürlicher Mechanismus funktioniert, über neue Immuntherapien in seiner Wirkkraft zu verstärken.
Ein Protein, das die Energiegewinnung lahm legt
Dabei ist es Dr. Georg Gdynia und seinem Team gelungen, in den natürlichen Killerzellen, ein Protein zu entdecken, das als neuer Wirkstoff gegen den Krebs eingesetzt werden kann. Das High Mobility Group Box 1 (HMGB1)-Protein, das die Killerzellen vorrätig in kleinen Bläschen (Granula) in sich tragen, hat Gdynia als höchst effektive, natürliche Waffe gegen Krebs identifiziert. Es legt einen Mechanismus der Energiegewinnung lahm, der in der Regel von Tumorzellen und nicht von gesunden Körperzellen genutzt wird. "Wir haben das HMGB1-Protein isoliert und konnten in aufwendigen Versuchen zeigen, dass es deutlich mehr kann als nur die Immunantwort zu verstärken", erklärt Dr. Gdynia. "Das Protein unterbricht einen wichtigen Stoffwechselweg, über den Tumorzellen den Zucker Glucose abbauen und Energie gewinnen. Sämtliche molekularen Prozesse der Zellen kommen so zum Erliegen." ###more###
HMGB1-Protein tötet auch besonders aggressive Tumorzellen ab
Diese Form des Tötens von Tumorzellen durch das Immunsystem war bisher noch nicht bekannt und wurde von der Arbeitsgruppe um Gdynia erstmals beschrieben. Zudem hat das Forscherteam den Nachweis erbracht, dass das HMGB1-Protein auch besonders aggressive anoxische Tumorzellen abtöten kann. Diese Tumorzellen sind meist nur schlecht an die Blutversorgung angebunden und benötigen für ihr Überleben keinen Sauerstoff. In der Fachwelt ist seit langem bekannt, dass diese Tumorzellen Fernmetastasen bilden können und resistent sind gegen Radio-/Chemotherapien sowie gegen den Angriff von Immunzellen.
Diagnostik durch "Energetic Fingerprinting"
In diesem Zusammenhang ist Dr. Gdynia ein weiterer Meilenstein in der Diagnostik gelungen: Er hat einen klinisch anwendbaren Test entwickelt: mit dem sogenannten "Energetic Fingerprinting" (EnFin), wird gemessen, wie hoch der Anteil der hochaggressiven Zellen im Tumor eines Patienten ist, die ohne Sauerstoff wachsen können. Sein Test könnte als neue Form der "companion diagnostics" dafür sorgen, dass Immuntherapien deutlich zielgerichteter eingesetzt werden - insbesondere bei Patienten, bei denen herkömmliche Chemotherapien nicht wirken.
Neues spin-off Unternehmen für die Anwendung
Ausgehend von diesem innovativen Test wird im Rahmen des "eXist-Forschungstransfer"-Programms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gerade das spin-off Unternehmen EnFin ("Energetic Fingerprinting") am Pathologischen Institut der Universitätsklinik Heidelberg aufgebaut. Künftig wird Dr. Georg Gdynia dort als CEO tätig sein und die Entwicklung, Herstellung und Zulassung von Diagnostika im Bereich der Onkologie vorantreiben. EnFin hat den weltweit ersten prognostischen Test entwickelt, der die Wahrscheinlichkeit der Metastasierung und das Therapieansprechen bei vielen unterschiedlichen Krebserkrankungen vorhersagen kann.
"Ich freue mich sehr über die Auszeichnung, die uns darin bestärkt, die Pionierarbeit, die unsere Forschung darstellt, weiterhin mit viel Motivation und Herzblut vorwärtszutreiben. Das Preisgeld möchte ich dazu verwenden, die von uns entwickelte Immuntherapie und Diagnostik möglichst schnell Patienten zugutekommen zu lassen. Ich hoffe hier auch auf die wichtige Unterstützung von Industrie und Pharma." (Uniklinik Heidelberg, red)
Vita Dr. Georg Gdynia
Dr. Georg Gdynia (Jahrgang 1975) wurde 2011 an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg mit einer Arbeit über "Charakterisierung neuer alternativer Funktionen der Caspasen und des HMGB1-Proteins: Invasivität und nicht-apoptotischer Zelltod" mit summa cum laude promoviert. In seinem Forschungsbereich hat er ab 2006 zahlreiche Patente und Erfindungen angemeldet, u. a. zum "Therapeutischen Einsatz von Caspase-Inhibitoren bei malignen Hirntumoren" oder zum "Therapeutischen Einsatz von rekombinantem HMGB1-Protein bei malignen Hirntumoren und Dickdarmkrebs". Seit 2016 ist Dr. Gdynia Kommissarischer Sektionsleiter der Sektion "Molekulare Tumorpathologie" am Pathologischen Institut des Universitätsklinikums Heidelberg. Er leitet zudem die Arbeitsgruppe Gdynia (Förderung durch die Deutsche Krebshilfe) sowie das Projekt eXist-Forschungstransfer EnFin (Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie). Im Juni 2016 wurde Dr. Georg Gdynia von der Deutschen Gesellschaft für Pathologie mit dem Novartis-Preis ausgezeichnet. Im November 2016 belegte sein Team den 3. Platz beim CyberOne Businessplan Wettbewerb, dem bedeutendsten Businessplan-Wettbewerb in Baden-Württemberg.
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