Forschern gelingt Analyse kleinster Proteinkristalle

Entschlüsselung der Struktur von Virus-Kokon
mg
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Mit Hilfe intensiver Röntgenblitze ist es Forschern nun gelungen, die Struktur der bislang kleinsten Proteinkristalle eines Virus-Kokons zu entschlüsseln. Dadurch eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Untersuchung von Proteinstrukturen durch Röntgenkristallographie.

Ein internationales Forscherteam hat mit Hilfe intensiver Röntgenblitze die kristalline Proteinhülle eines Insektenvirus entschlüsselt. Die Bausteine des Viruskokons werden mit einer Genauigkeit von 0,2 Nanometern (millionstel Millimetern) angezeigt. Durch die nahezu atomare Auflösung werden die winzigen Viruskapseln sichtbar. Sie sind die mit Abstand kleinsten Proteinkristalle, die Forscher je mit Hilfe der Röntgenkristallographie entschlüsselt haben. Von den sich hieraus ergebenden Möglichkeiten für die Untersuchung der Proteinstruktur berichtet das Team um den leitenden DESY-Forscher Prof. Henry Chapman vom Center for Free-Electron Laser Science in den „Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften („PNAS").

Die räumliche Struktur von Proteinen

Die Strukturbiologie ist ein eigener Wissenschaftszweig, der sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Forscher interessieren sich hier für die räumliche Struktur von Proteinen und anderen Biomolekülen, da sich damit ihre Funktionsweise verstehen lässt. „In den vergangenen 50 Jahren haben Wissenschaftler mehr als 100.000 Proteinstrukturen entschlüsselt", betont Chapman. „Das mit Abstand wichtigste Werkzeug dabei ist die Röntgenkristallographie." Hierbei wird ein Kristall aus dem zu untersuchenden Protein gezüchtet und mit hellem Röntgenlicht beleuchtet. Es entsteht ein charakteristisches Muster der gebeugten Röntgenstrahlen, aus dem sich die räumliche Struktur des untersuchten Kristalls und seiner Bausteine berechnen lässt.

Bei dem untersuchten Insektenvirus handelt es sich um das Granulovirus, welches bestimmte Insekten befällt und sie tötet. „Da es dann mit seinem toten Wirt zunächst an Ort und Stelle liegenbleibt, muss es sich - manchmal jahrelang - vor Umwelteinflüssen wie Hitze, UV-Licht und Trockenheit schützen, bis es irgendwann wieder von einem Insekt aufgenommen wird. Deshalb hüllt sich das Virus in einen Kokon aus Proteinkristallen, der sich erst im Insektendarm wieder auflöst", erklärt Dr. Cornelius Gati von DESY, Hauptautor der wissenschaftlichen Veröffentlichung. Der untersuchte Kokon stammt von einem Granulovirus (CpGV), der in der Landwirtschaft als biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel gegen Raupen des Apfelwicklers Cydia pomonella eingesetzt wird und für Menschen ungefährlich ist.

Die kleinsten Proteinkristalle

Für die Untersuchung mit den Röntgenstrahlen müssen Proteine zunächst in die Kristallform gezwungen werden. Bei vielen Proteinen gestaltet sich das Verfahren daher schwierig, da die Kristallform nicht dem natürlichen Zustand eines Proteins entspricht. Je kleiner die Kristalle für die Untersuchung sein dürfen, desto eher gelingt zwar häufig die Zucht, desto schwieriger ist aber auch die Untersuchung. „Wir hoffen in Zukunft sogar ganz auf die Kristallzucht verzichten und einzelne Moleküle direkt per Röntgenlicht untersuchen zu können. Daher möchten wir verstehen, wo die Grenzen liegen", erläutert Chapman. Mit den eiförmigen Okklusionskörpern des Granulovirus haben sich die Forscher die kleinsten Proteinkristalle ausgesucht, die je für eine Röntgen-Strukturanalyse benutzt worden sind. Bei einem Volumen von 0,01 Kubik-Mikrometer ist es rund Hundert Mal geringer als die kleinsten künstlich gezüchteten Kristalle, die bisher mit der Kristallographie analysiert wurden. ###more###

Für die Untersuchungen wurde der Freie-Elektronen-Laser LCLS am US-Forschungszentrum SLAC in Kalifornien benutzt. Je kleiner der Kristall, desto heller muss das Röntgenlicht sein, mit dem er beleuchtet wird, um ein ausreichend detailliertes Streubild aufnehmen zu können. Daher die Nutzung eines Freie-Elektronen-Lasers, da diese die intensivsten Röntgenblitze erzeugen. „Wenn man die geballte Kraft des Röntgenlasers komplett auf ein winziges Virus fokussiert, bekommt es eine enorme Strahlungsdosis", berichtet Gati. Mit einer Spezialoptik wurden die Röntgenimpulse auf eine Größe fokussiert, die dem Durchmesser eines Viruspartikels entspricht. Die Dosis lag bei 1,3 Milliarden Gray. Die tödliche Dosis für Menschen liegt bei etwa 50 Gray.

Vernichtende Strahlungsdosis

Auch für die Viruskristalle war die Strahlungsdosis vernichtend, sodass sie in den Blitzen verdampften. Doch durch die geringe Dauer der Blitze wird die Strukturinformation des unbeschädigten Kristalls zum Detektor befördert, bevor das Viruspartikel explodiert. In der Analyse der aufgezeichneten Streubilder wird sichtbar, dass selbst die winzigen Proteinkristalle ihre Struktur in atomarer Auflösung preisgeben, trotz der extrem hohen Strahlungsdosis.

„Simulationen aufgrund unserer Messungen ergeben, dass wir mit unserer Methode voraussichtlich selbst die Struktur von noch kleineren Kristallen aus lediglich einigen hundert oder tausend Molekülen entschlüsseln könnten", berichtet Chapman weiter. „Damit schaffen wir einen großen Schritt in Richtung unseres Ziels, der Analyse von Einzelmolekülen."

An der Studie waren außerdem die European XFEL GmbH in Schenefeld, das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg, die Arizona State University, die Forschungsgruppen um Prof. Peter Metcalf der Universität Auckland und die von Prof. Johannes Jehle des Julius-Kühn-Instituts in Darmstadt und die Universität Basel beteiligt.

Quelle: DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron), 13. Februar 2017

Literatur:

Cornelius Gati et al.: Atomic structure of granulin determined from native nanocrystalline granulovirus using an X-ray free-electron laser. PNAS, 2017; DOI: 10.1073/pnas.1609243114.

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