Das Deep Learning ist momentan in aller Munde - ob beim autonomen Fahren, der automatischen Spracherkennung oder dem Spiel "Go". Dabei werden Lernprozesse simuliert, wie sie beim Menschen vorkommen (neuronale Netze) - so wie ein Kind lernt, sich Gesichter zu merken oder Tiere zu unterscheiden. Dabei sind große Datenmengen (Big Data) zum Training von Vorteil. Eine besondere Stärke des Deep Learning ist die Bilderkennung - und diese haben sich die Forscher des Helmholtz Zentrums München nun zunutze gemacht.
Drei Zellgenerationen früher
Um in der Zellbiologie den Wechsel von der Arbeit über statische Zustände hin zu dynamischen Entwicklungen von Zellgruppen zu vollziehen, eignet sich das Deep Learning besonders. Bisher konnte nur nachträglich mit Zelloberflächenmarkern nachgewiesen werden, wann sich eine Blutstammzelle für einen Zelltypus entscheidet. Dr. Carsten Marr, Leiter der Arbeitsgruppe Quantitative Single Cell Dynamics des Institute of Computational Biology am Helmholtz Zentrum München, und sein Team haben nun mithilfe des Deep Learning einen Algorithmus entwickelt, der die Entscheidung einer Zelle vorhersagen kann.
„Unser Algorithmus wertet lichtmikroskopische Bilder und Videos einzelner Zellen aus und gleicht diese Daten mit bisherigen Erfahrungen zur Entwicklung derartiger Zellen ab. Der Algorithmus lernt auf diese Weise, wie sich bestimmte Zellen verhalten", erläutert Dr. Marr. Konkret wurden Blutstammzellen untersucht, die im Labor unter dem Mikroskop gefilmt worden waren. Mit den gegebenen Informationen über Aussehen und Geschwindigkeit, konnte sich die Software Verhaltensmuster einprägen und später voraussagen. „Verglichen mit der herkömmlichen Methode, etwa fluoreszierenden Antikörpern gegen bestimmte Oberflächenproteine, wissen wir drei Zellgenerationen früher, wie sich die Zellen entscheiden werden", berichtet Dr. Felix Buggenthin, Erstautor der Studie gemeinsam mit Dr. Florian Büttner.
Der Blick in die Zukunft
Doch was bringt es den Forschern, die Entscheidung einer Stammzelle bereits vor der eigentlichen Ausprägung zu kennen? Studienleiter Marr erklärt es so: „Weil wir nun wissen, welche Zelle sich wie entwickelt, können wir diese früher als bisher isolieren und untersuchen, wie sie sich molekular unterscheiden. Dadurch wollen wir aufklären, wie es zur jeweiligen Entscheidung für eine Entwicklungslinie kommt."
Dabei soll sich das Einsatzgebiet von Deep Learning in der Biologie nicht auf Blutstammzellen begrenzen: „Wir verwende Deep Learning für ganz unterschiedliche Fragestellungen mit ausreichend großen Datensätzen", erklärt Prof. Dr. Dr. Fabian Theis, Leiter des Lehrstuhls für Mathematische Modelle biologischer Systeme an der TU München, der zusammen mit Dr. Marr die Studie leitete. „So analysieren wir mit ganz ähnlichen Algorithmen krankheitsassoziierte Muster im Genom und identifizieren Biomarker in klinischen Zell-Screens." (idw, red)
Hier sehen Sie ein Video zum Thema.
Buggenthin, F. et al. (2017): Prospective identification of hematopoietic lineage choice by deep learning. Nature Methods, DOI: 10.1038/nmeth.4182.
Artikel teilen