Die Vielfalt im Innern des Wurms

Mikrobiom
lz
Fadenwurm
Die Bakterien (orange eingefärbt) besiedeln vor allem den Verdauungstrakt des Fadenwurms. Philipp Dirksen
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Kieler Forschungsteam zeigt am Beispiel von Fadenwürmern die Bedeutung einer natürlichen Bakterienbesiedelung.

Er ist einer der am besten erforschten Modellorganismen der Biologie: Der winzige Fadenwurm oder Nematode der Art Caenorhabditis elegans dient Forschenden seit Jahrzehnten zur Untersuchung von zum Beispiel Entwicklungsprozessen und Funktionsweise des Nervensystems.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit nutzen dazu eine bestimmte, stark an die Laborumgebung angepasste C. elegans-Variante, die unter diesen Bedingungen keinerlei Bakterienbesiedlung aufweist. Jüngste Erkenntnisse weisen nun darauf hin, dass ein vollständiges Verständnis der Lebensweise dieser Fadenwürmer nur gelingen kann, wenn auch das Zusammenspiel mit ihren besiedelnden Mikroorganismen beachtet wird.

Auswirkungen des Mikrobioms

Ein Forschungsteam aus der Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) unter Leitung von Professor Hinrich Schulenburg hat jetzt erstmals die natürliche Bakterienbesiedlung von C. elegans untersucht und die Auswirkungen dieses sogenannten Mikrobioms auf Lebensfunktionen und Fitness der Würmer bestimmt. Die Kieler Forschenden veröffentlichten ihre Ergebnisse erst kürzlich und schaffen damit wichtige Grundlagen für ein neues Modellsystem zur Untersuchung des Zusammenspiels von Organismen mit ihrem Mikrobiom.

Diese erste systematische Analyse eines natürlichen Fadenwurm-Mikrobioms zeigt, dass die Tiere im Freiland eine artenreiche Bakterienbesiedlung besitzen. Besonders Proteobakterien der Gattungen Pseudomonas, Stenotrophomonas oder Ochrobactrum kommen häufig darin vor. Diese Zusammensetzung zu kennen, so die Forschenden, ist von zentraler Bedeutung für eine realistischere Betrachtung der Lebensweise und Entwicklung des Fadenwurms. Ihre Untersuchungen zeigten, dass das natürliche Mikrobiom den Tieren einen evolutionären Vorteil verschafft und sie zum Beispiel gegen Krankheitserreger schützt.

Neues Modell zur Erforschung der Interaktionen

Wichtiger noch: So wie bislang sterile Würmer als Modellsystem zur Untersuchung verschiedener biologischer Prinzipien dienten, steht am Beispiel von C. elegans nun ein neues Modell zur Erforschung der Interaktionen des Körpers mit besiedelnden Mikroorganismen zur Verfügung. Dazu können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler künftig die in den Experimenten gewonnenen Bakterienkulturen für tiefergehende Untersuchungen nutzen. „Wir stehen erst am Anfang der Erforschung der komplexen Beziehungen von Lebewesen und Mikroben. Wir gehen davon aus, dass Bakterien von Beginn an vielzellige Organismen dabei unterstützt haben, sich im Laufe der Evolution zu behaupten. Unser Modell wird in Zukunft dabei helfen, die Grundlagen dieser vielschichtigen Verflechtungen und ihre Auswirkungen auf die Lebensfunktionen zahlreicher Lebewesen besser zu verstehen“, unterstreicht Schulenburg, Mitglied des Forschungsschwerpunkts „Kiel Life Science“ an der CAU.

Um die Bedeutung der Bakterienbesiedlung für die Würmer zu bestimmen, sammelten die Forschenden zunächst insgesamt 180 Proben wildlebender Nematoden an verschiedenen Standorten in Norddeutschland, Frankreich und Portugal. Die aus diesen Tieren gewonnenen Bakterien übertrugen sie anschließend auf sterile Würmer. Unter Laborbedingungen verglichen sie nun Tiere mit dem neu eingebrachten natürlichen Mikrobiom mit bakterienfreien Würmern. „Indem wir die Vorgänge aus der Natur ins Labor holen und dort vereinfacht nachstellen, erhalten wir ein deutlich präziseres Bild der Beziehungen zwischen dem Fadenwurm als Wirt und seinen assoziierten Bakterien, als wir es im Labor oder Freiland alleine gewinnen könnten“, sagt Erstautor Dr. Philipp Dirksen.

Verschiedene Effekte festgestellt

So konnten sie verschiedene Effekte feststellen, für die ein natürliches Mikrobiom verantwortlich ist: Es erhöht die Fitness der Tiere unter normalen, aber auch unter erschwerten Lebensbedingungen. Gegenüber sterilen Würmern sind sie zum Beispiel in der Lage, sich auch bei höheren Temperaturen erfolgreich zu vermehren – also mehr Nachkommen zu produzieren. Verschiedene Pseudomonas-Bakterien helfen den Würmern außerdem dabei, sich vor Pilzinfektionen zu schützen.

Die Zusammensetzung des Mikrobioms wird offenbar auch von den individuellen Eigenschaften des Wirtes bestimmt: Die genetische Ausstattung der Tiere entscheidet dabei mit. Insgesamt zeigte sich, dass sich Tiere mit einem natürlichen Mikrobiom schneller vermehren – ein sicheres Zeichen für den evolutionären Vorteil, den die Bakterien für ihren Wirt mit sich bringen. (idw, red)

Hintergrundinformation:

Die nun vorliegende Arbeit liefert methodische Grundlagen für das neuartige wissenschaftliche Feld der Metaorganismus-Forschung, die sich der umfassenden Untersuchung der Interaktionen von Lebewesen mit ihrer Mikroorganismen-Besiedlung widmet. An der Uni Kiel gibt es seit wenigen Wochen eigens zu diesem Thema den neuen Sonderforschungsbereich (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“, an dem auch Schulenburgs Arbeitsgruppe fundamental beteiligt ist. Untersuchungen am C. elegans-Modell werden dabei helfen, Ursprung und Auswirkungen der Interaktionen von Lebewesen, Mikroorganismen und Umwelt in ihrer Definition als Metaorganismen besser zu verstehen.

Hier gibt es ein Video mit einer dreidimensionalen Visualisierung des Mikrobioms von Caenorhabditis elegans. Animation: Dr. Philipp Dirksen

Literatur:

Philipp Dirksen, Sarah Arnaud Marsh, Ines Braker et al. (2016): The native microbiome of the nematode Caenorhabditis elegans: Gateway to a new host-microbiome model. BMC Biology
DOI: 10.1186/s12915-016-0258-1

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