„Schlafmangel erhöht die Anfälligkeit für Infektionen. Das wissen wir von anderen Viruserkrankungen. Möglicherweise ist er auch ein Risikofaktor für schwerere Erkrankungsverläufe“, sagt Kongresspräsident Prof. Dr. Georg Nilius, Direktor der Klinik für Pneumologie der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte. Das spiele natürlich in der aktuellen SARS-CoV2-Pandemie eine Rolle. Denn es gibt Berufsgruppen, wie zum Beispiel Schichtarbeiter und im medizinischen Sektor Tätige, die häufiger an Schlafmangel leiden und folglich anfälliger sind.
Internationalen Studien zufolge gibt es Hinweise, dass Patienten mit bestimmten schlafmedizinischen Störungen, insbesondere Patienten mit Schlafapnoe, im Rahmen der Corona-Pandemie einem höheren Risiko ausgesetzt sind, zu erkranken beziehungsweise schwere Krankheitsverläufe zu entwickeln. Und nicht zuletzt führt auch die Angst vor Corona zu Schlafmangel. „Ich sehe das auch aus der eigenen Sprechstunde. Es gibt Vorerkrankte, die sich große Sorgen machen“, sagte Nilius. „Da gibt's ein deutlich höheres Angstniveau. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Schlaf.“
Nutzung digitaler Möglichkeiten in der Schlafmedizin
Prof. Christoph Schöbel, Professor für Schlaf- und Telemedizin an der Ruhrlandklinik in Essen und einer der Tagungsleiter der Jahrestagung der DGSM, plädiert für eine Nutzung digitaler Möglichkeiten in der Schlafmedizin. Telemedizin könne und solle jedoch den Arzt nicht ersetzen, sondern nur unterstützen. Die derzeitig einzige Möglichkeit, die auch finanziert wird sei die Telesprechstunde per Video. Seit Oktober können Ärzte und Psychotherapeuten digitale Gesundheitsanwendungen verschreiben („Apps auf Rezept“). Blickt man in die Zukunft, so wird jetzt bereits darüber geforscht, aus den gemessenen Schlafdaten viel mehr raus zu filtern als bisher.
Auch Prof. Thomas Penzel, Wissenschaftlicher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums Charité – Universitätsmedizin Berlin, betont, dass Smartphones und Apps die Diagnostik der Schlafmedizin erweitern werden. Doch man müsse ihre Wirksamkeit auch relativieren. Tracker oder Schlaf-Apps seien aktuell zwar noch nicht wissenschaftlich und klinisch validiert, doch es sei nur eine Frage der Zeit. „Denn auch hier steht der Markt nicht still. In ein paar Jahren könnten dann aus getrackten Daten zum Beispiel Schlafstörungen diagnostiziert werden. Das fordert den heutzutage etablierten Diagnostikpfad deutlich heraus. Hier müssen wir mit der Zeit gehen“, fordert Schöbel.
Evidenzbasierte Richtlinien
Die DGSM verweist immer wieder darauf, Schlaferkrankungen gemäß der Leitlinien der Gesellschaft zu behandeln. Diese enthalten evidenzbasierte Richtlinien, etwa für eine medikamentöse Therapie. „Wir wissen, dass die Behandlung mit Schlaf- oder Schmerzmitteln eine Schlafapnoe zum Beispiel verstärkt. Bei einer REM-Schlafverhaltensstörung ist es unter anderem falsch, mit Beruhigungsmitteln zu behandeln. “, erklärt der Geriater und Schlafmediziner Prof. Dr. med. Helmut Frohnhofen, der in diesem Jahr einer der Tagungsleiter der ersten virtuellen DGSM-Jahrestagung ist.
Ebenso wichtig und in den Leitlinien verankert ist eine langfristige Therapie. „Gerade bei der Obstruktiven Schlafapnoe fordert die DGSM eine Langzeitkontrolle und die Anpassung der Geräte auf Veränderungen beim Patienten, etwa durch Alter, Gewichtszunahme oder Lebensumstände. Die langfristige und regelhafte Verlaufskontrolle spielt aber generell eine wichtige Rolle bei der schlafmedizinischen Behandlung. Deshalb ist es entscheidend, dass auch in der derzeitigen, durch die Pandemie beeinflussten Zeit trotzdem eine schlafmedizinische Versorgung stattfindet“, betont der DGSM-Vorsitzende Prof. Dr. med. Peter Young. „Insomnien werden häufig immer noch bagatellisiert. Sie haben aber erhebliche gesundheitliche Auswirkungen“, ergänzt Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster und Vorstandsmitglied der DGSM.
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