Seit 2002 ist die Vorsorge-Darmspiegelung im Krebs-Früherkennungsprogramm der gesetzlichen Krankenkassen. Ab dem Alter von 55 Jahren haben Versicherte einen Anspruch auf die Untersuchung, bei der eventuell entdeckte Vorstufen von Krebs direkt entfernt werden können. Die Rate der Neuerkrankungen ist seitdem deutlich zurückgegangen - ausschließlich in der Altersgruppe, in der das Screening angeboten wird.
„In den ersten zehn Jahren haben mehr als vier Millionen Menschen an einer Vorsorge-Darmspiegelung teilgenommen. Das hat nach unseren Berechnungen etwa 180.000 Darmkrebsfälle verhindert", berichtet Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Nun wurde nach Möglichkeiten gesucht, diese Rate noch weiter zu verbessern. Eine gemeinsame Studie des DKFZ, der AOK Baden-Württemberg, der Bosch BKK und MEDI Baden-Württemberg schlägt nun vor, die Altersgrenze von 55 Jahren auf 50 Jahre zu senken. Besonders für Männer sei dies sinnvoll.
Risiken weiter senken
Ohne familiäre Vorbelastung tritt Darmkrebs vor dem Alter von 50 Jahren äußerst selten auf. Ab diesem Alter steigt die Rate der Erkrankungen jedoch kontinuierlich an. Nationale und internationale Leitlinien empfehlen daher schon die Vorsorge ab 50 Jahren. Hierzu wurde nun eine Untersuchung angestrebt, Versicherten ab 50 Jahren das Angebot einer Vorsorge-Darmspiegelung anzubieten. „Durch die Zusammenarbeit der AOK Baden-Württemberg, der Bosch BKK und MEDI Baden-Württemberg hatten wir erstmals die Möglichkeit, an einer großen Bevölkerungsgruppe zu prüfen, welche Ergebnisse mit dem Angebot der Vorsorge-Darmspiegelung ab 50 Jahren zu erzielen sind", so Brenner.
84.726 Versicherte der AOK Baden-Württemberg im Alter zwischen 50 und 54 Jahren erhielten 2014 und 2015 eine persönliche Einladung zu einer Früherkennungs-Darmspiegelung. Die Eingeladenen hatten in den Jahren zuvor keine Darmspiegelung bei der Krankenkasse beansprucht, waren nicht an Krebs erkrankt und waren in das Hausarzt- oder das Facharztprogramm der AOK eingeschrieben. Davon nahmen 1,9 Prozent das Angebot der Untersuchung an. Bei diesen 1.396 Darmspiegelungen wurden in 6,8 Prozent der Fälle Darmkrebs oder Darmkrebsvorstufen, sogenannte fortgeschrittene Adenome, entdeckt und abgetragen.
Männer häufiger betroffen
Die Untersuchung zeigte einen deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Nur 4,5 Prozent der Frauen dieser Altersgruppen erhielten die Diagnose Darmkrebs oder die Vorstufe des Darmkrebses. Bei Männern hingegen lag die Diagnoserate bei fast doppelt so vielen Erkrankungen, nämlich 8,6 Prozent. Bei jeder zwölften Untersuchung von Männern zwischen 50 und 54 wurden verdächtige Gewebeveränderungen festgestellt. Bei den Frauen wurde nur in jeder 22. Untersuchung ein relevanter Befund entdeckt.
„Damit sind Darmkrebs und seine Vorstufen bei Männern dieser Altersgruppe sogar häufiger, als bei den 55 bis 69-jährigen Frauen, bei denen die Darmspiegelung ganz selbstverständlich zum Krebsfrüherkennungsangebot gehört. Das ist ein überzeugender Grund dafür, die Altersgrenze für die Vorsorge-Koloskopie zumindest bei Männern schon vom 50. Geburtstag an routinemäßig anzubieten", lautet das Fazit von Hermann Brenner. In anderen Ländern wie Österreich ist die Vorsorgeuntersuchung ab 50 Jahren schon längst im Krebsfrüherkennungsprogramm aufgenommen worden.
Die Studienergebnisse belegen die Wichtigkeit des Einladungsverfahrens für die Früherkennung durch die Darmspiegelung ab 55. Seit 2017 ist diese Einladung gesetzlich vorgeschrieben. Vorreiter sind die AOK Baden-Württemberg und die Bosch BKK, die bereits seit 2011 Teilnehmer ab dem 55. Lebensjahr zur Früherkennung einladen.
Quelle: DKFZ, 10.02.2017
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