COVID-19 Lungenentzündung: Mittels Ultraschall-Protokoll erfassen
Die ersten COVID-19-Fälle an deutschen Krankenhäusern kamen plötzlich und stellten viele Fachdisziplinen vor große Herausforderungen – so auch die diagnostischen Einheiten. Neben der Planung und Umsetzung von Hygienekonzepten befassten sich Mediziner an den wenigen hauptberuflichen Ultraschalllaboren auch mit der Entwicklung von standardisierten Lungenultraschall-Protokollen. Damit eine COVID-19-Lungenentzündung mittels Sonografie sicher, schnell und kontinuierlich beobachtet werden kann, sind die Protokolle von zentraler Bedeutung. Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) und der schweizerischen und österreichischen Ultraschall-Fachgesellschaften (SGUM/ÖGUM) haben deshalb vor kurzem ein Lungenultraschall-Protokoll für COVID-19 Fälle entwickelt.
Die bildgebenden Zeichen einer COVID-19-Lungenentzündung können anhand des Lungenultraschalls meist gut dargestellt werden. „Das liegt daran, dass wir bei COVID-19-Erkrankten ganz überwiegend sehr brustwandnahe Ultraschallschallveränderungen finden können, die wir dann auch mit der Sonografie darstellen können. Die Ultraschallwelle zeigt die COVID-19-verdächtigen Befunde meistens wenige Zentimeter unter der Brustwand“, sagt DEGUM-Experte PD Dr. med. Konrad Friedrich Stock.
Verlaufsbeobachtung der Lungenveränderungen
Das sei wichtig, da die normalen, luftgefüllten Lungen per Ultraschall nicht beurteilt werden könnten. Nur die Begrenzung des Lungenfells (Pleuralinie) und erkrankte, also etwa durch eine Entzündung „flüssigkeitsdurchtränkte“ Lungenabschnitte, könnten mittels Ultraschallwellen überhaupt abgebildet werden. „Eine COVID-19-Pneumonie kann mittels Ultraschall allein keinesfalls mit Sicherheit bewiesen werden. Aber anhand der exakten Bilder können typische Veränderungen des Lungenbildes erfasst und zusammen mit anderen klinischen Informationen kann der Krankheitsverlauf so gut beurteilt werden.“
Ein Vorteil der Thoraxsonografie sei zudem, dass sie frei von Strahlung, beliebig oft wiederholbar und flexibel am Krankenbett eingesetzt werden könne. Stock sieht die Bedeutung der Ultraschalldiagnostik aktuell vor allem zur Verlaufsbeobachtung der Lungenveränderungen bei der COVID-19-Erkrankung. Für die Erstdiagnostik sei jedoch die CT-Untersuchung aktuell an den meisten deutschen Kliniken alternativlos das Mittel der ersten Wahl, zumal dort auch die zentral liegenden Lungenabschnitte beurteilt werden können, die sich der Ultraschalldiagnostik entziehen.
Entwicklung eines standardisierten Protokolls
Damit der Verlauf der Erkrankung exakt beurteilt und festgehalten werden kann, war zunächst die Entwicklung eines standardisierten Protokolls für den Lungenultraschall zentral. Experten aus der Schweiz, Österreich und Deutschland haben dafür bestehende Protokolle überarbeitet und daraus ein Dokument entwickelt, mit dem zeitsparend und standardisiert Ultraschallbefunde von COVID-19-Patienten erhoben und dokumentiert werden können. „Da die Beurteilungskriterien für die COVID-19-Lungenentzündung mit zahlreichen Bildbeispielen hinterlegt und ausführlich erklärt sind, ist unser kostenloses Protokoll auch für jüngere Ärzte mit geringerer Berufserfahrung attraktiv, um sich in dieses Gebiet einzuarbeiten “, erläutert Stock, Oberarzt in der Abteilung für Nephrologie am Klinikum rechts der Isar an der Technischen Universität München.
In dem Protokoll, das sehr zeitsparend eingesetzt werden kann, wird die Lunge an sechs Schallpositionen pro Körperseite untersucht. In jedem dieser Areale wird nach jeweils vier COVID-typischen Veränderungen des Lungenfells gesucht. Ferner wird auch das Vorliegen von Lungenwasser dokumentiert. „Unser Ziel war es, ein möglichst einfaches Lungen-Ultraschall-Protokoll zu entwickeln, das bei verschiedenen Untersuchern möglichst wiederholbare Ergebnisse erzielt. So können wir die erhobenen Lungenbefunde bei COVID-19-Patienten von München bis Flensburg einfach miteinander vergleichen“, sagt der DEGUM-Experte, „daher bildet dieses Protokoll zunächst eine wichtige Methodengrundlage für spätere, wissenschaftliche Auswertungen.“
Dreiländer-Ultraschallregister geplant
Neben den reinen Untersuchungsbefunden können in dem Protokoll auch Angaben zu häufigen Begleiterkrankungen, wie beispielsweise Asthma, Diabetes oder Tumoren sowie der Beschwerdebeginn dokumentiert werden. Außerdem enthält das Protokoll – gerade für Neulinge auf diesem Gebiet – hilfreiche Handlungsanweisungen zur Einstellung des Lungenultraschall-Geräts und zum Tragen von Schutzkleidung sowie zu den Hygienestandards während der Ultraschalluntersuchung. „Der Eigenschutz hat gerade bei der Lungenultraschalluntersuchung von COVID-19-Patienten die höchste Priorität“, betont Stock.
Initiiert durch ihr gemeinsames, neues Protokoll wollen die Ultraschallexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in einem nächsten Schritt nun Erfahrungen bei COVID-19-Patienten wissenschaftlich erheben und in einem Dreiländer-Ultraschallregister sammeln. „Unser Ziel ist die Entwicklung einer Multicenterstudie, in der Lungenultraschalldaten von Patienten aus der Notaufnahme, der Normalstation und der COVID-19-Intensivstation erhoben werden“, so Stock. „Die Daten sollen mittels des Protokolls standardisiert in Bild und Video festgehalten und um wenige wichtige klinische Daten sowie eventuell vorliegende CT-Bilder ergänzt werden.“
Grundlage für weitere wissenschaftliche Analysen
Die Studie wird derzeit zunächst an der Technischen Universität München durchgeführt. Auf Basis des dort federführend entwickelten Studienprotokolls wird die Lungenultraschall-Register-Studie dann bald auch an anderen Orten in Deutschland, der Schweiz und Österreich begonnen und vom Klinikum rechts der Isar aus koordiniert. Die Datenerfassung von COVID-19-Patienten ist zunächst bis Juni 2021 geplant. Das Ultraschallregister könnte dann die Grundlage für weitere wissenschaftliche Analysen bilden.
Das Poster zum Lungenultraschall-Protokoll finden Sie auf der Homepage der DEGUM.
Quelle: DEGUM, 28.05.2020
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