Am stärksten war der Rückgang des Bluthochdrucks bei den 55- bis 74-Jährigen. Trotz der sinkenden Werte ist der Blutdruck in Deutschland immer noch zu hoch, insbesondere bei Männern sehen Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) großen Handlungsbedarf.
Die Ergebnisse bieten erstmals einen umfassenden Überblick zu Blutdruckwerten der letzten zwanzig Jahre in Deutschland. Das von DZHK-Wissenschaftlern gegründete Konsortium zur Blutdruckepidemiologie hat hierfür Daten aus zwei nationalen Gesundheitssurveys und fünf regionalen bevölkerungsbezogenen Studien untersucht, die zwischen 1997 und 2012 durchgeführt wurden.
Bundesweit sind die Blutdruckwerte bei Männern und Frauen gesunken, am stärksten in der Altersgruppe der 55- bis 74-Jährigen. Auch regional zeigten sich Unterschiede: Im Nordosten sanken die Werte im Vergleich zum Bundesdurchschnitt am stärksten. Das in früheren Publikationen nachgewiesene Ost-West-Gefälle, wonach die Werte in Ostdeutschland höher waren als in Westdeutschland, gleicht sich damit an.
Schon früher beobachtete Unterschiede zwischen Männern und Frauen haben sich nicht verändert: Weiterhin wird ein bestehender Bluthochdruck bei Frauen früher erkannt, häufiger behandelt und damit erfolgreich gesenkt. In einer weiteren Untersuchung fand PD Dr. Hannelore Neuhauser vom Robert-Koch-Institut in Berlin und Mitglied des Konsortiums heraus, dass diese geschlechtsabhängigen Differenzen bei den 18- bis 54-Jährigen besonders groß sind.
Erhöhte Behandlungsraten
„Auch in anderen Ländern werden solche Geschlechterunterschiede beobachtet. Eventuell kommen sie zustande, weil jüngere Männer selten zum Arzt gehen und ihre Blutdruckwerte daher auch seltener kontrolliert werden. Frauen sind hingegen regelmäßig beim Frauenarzt, wo auch ihr Blutdruck gemessen wird“, sagt Neuhauser. Bei jungen Männern zwischen 25 und 34 Jahren wurde sogar nur im Norden Ostdeutschlands ein Rückgang der Blutdruckwerte beobachtet. Dieser positive Trend zeigte sich im restlichen Bundesgebiet nicht.
Die Wissenschaftler verzeichneten auch, dass Bluthochdruck in den letzten Jahren vermehrt behandelt wird. In den erhöhten Behandlungsraten sehen sie einen möglichen Grund für die verbesserten Werte, vermuten aber, dass auch präventive Maßnahmen wie eine gesündere Ernährung, mehr Bewegung und ein Verzicht auf das Rauchen zu der positiven Entwicklung beigetragen haben.
Nach wie vor sind die Blutdruckwerte allerdings auf einem zu hohen Niveau und die Zahl der Menschen mit Bluthochdruck insgesamt hat sich nur wenig verändert. Die Forscher gehen sogar davon aus, dass die Diagnose Bluthochdruck wegen der immer älter werdenden Gesellschaft in Zukunft häufiger wird. Und das nicht nur in Deutschland: Die WHO hat Bluthochdruck als bedeutendste Gesundheitsgefahr weltweit eingestuft. Er gehört zu den größten Risikofaktoren für Demenz, Herz-Kreislauf- und Nieren-Erkrankungen. Dabei wäre Bluthochdruck in vielen Fällen vermeidbar und es gibt effektive Behandlungsmöglichkeiten.
„Am Beispiel Nordostdeutschland sehen wir, wie viel innerhalb eines Jahrzehnts erreicht werden kann“, sagt Neuhauser. „Doch es gibt noch viel Spielraum, und vorrangiges Ziel muss bleiben, dass Bluthochdruck erst gar nicht entsteht.
Bewegung, viel Obst und Gemüse essen, nicht rauchen
Der Grenzwert liegt aktuell bei 140/90 mm Hg. Doch laut der Medizinerin muss man schon vorher ansetzen, im sogenannten prähypertonen Bereich bei Werten zwischen 120-140/80-90 mm Hg. In diesem Bereich werden keine Medikamente verordnet, aber eine Lebensstilveränderung kann viel bewirken: also Übergewicht abbauen, mehr bewegen, viel Obst und Gemüse essen und nicht rauchen.
Bevölkerungsweite Studien zum Bluthochdruck, die über zeitliche Trends oder regionale Unterschiede in Deutschland Auskunft geben, sind vergleichsweise selten. Denn obwohl der Blutdruck ständig gemessen wird, ist es schwierig, an Daten heranzukommen, die nach genau festgelegten Regeln hochpräzise erhoben wurden und daher vergleichbar sind. „Den Blutdruck zu messen, ist ähnlich schwierig, wie den Meeresspiegel zu bestimmen. Beide unterliegen starken Schwankungen“, vergleicht Neuhauser.
„Einmal die Treppe hochlaufen oder sich aufregen und schon geht der Blutdruck nach oben.“
In den sieben analysierten Studien mussten sich die Probanden in einer genau festgelegten Position hinsetzen und auch die Ruhezeiten vor den einzelnen Blutdruckmessungen waren identisch. Unterschiede zwischen den verwendeten Messgeräten wurden durch spezielle Kalibrierungsformeln herausgerechnet.
„Solche standardisierten Datenerhebungen zur Entwicklung des Bluthochdrucks sind aufwendig, aber unverzichtbar, um gezielte Maßnahmen gegen die Gesundheitsgefahr Bluthochdruck zu entwickeln“, stellt Neuhauser fest. Insbesondere bei über 70-Jährigen und jungen Erwachsenen sehen sie und ihre Kollegen noch einen großen Bedarf an aktuellen Zahlen. Das von ihnen gegründete Konsortium zur Blutdruckepidemiologie wird seine Arbeit fortsetzen und auch künftig Studien zum Bluthochdruck in Deutschland auswerten.
Originalarbeiten
Hypertension in Germany - data from seven population-based epidemiological studies (1994–2012). Neuhauser H, Diederichs C, Boeing H, Felix SB, Jünger C, Lorbeer R, Meisinger C, Peters A, Völzke H, Weikert C, Wild P, Dörr M: Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 809–15.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0809
The persisting gender gap in hypertension management and control in Germany: 1998 and 2008-2011. Sarganas G, Neuhauser HK. Hypertens Res. 2016 Jun; 39(6): 457-66. DOI: 10.1038/hr.2016.5.
Quelle: DZHK, 06.04.2017
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