Auch für Europa hat Biogen bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA einen Antrag für eine Zulassung gestellt. Eine Entscheidung darüber wird bis Ende des Jahres erwartet. Damit verbinden viele Patienten große Hoffnungen. Doch die ersten mahnenden Stimmen werden schon laut. So rät die gemeinnützige Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) Patientinnen und Patienten in Deutschland zur Vorsicht:
„Wir begrüßen die Entscheidung der FDA, den Alzheimer-Wirkstoff Aducanumab unter der Voraussetzung zuzulassen, dass der Hersteller Biogen eine weitere Studie zur Wirksamkeit des Medikamentes vorlegt. Das ist folgerichtig, denn die bisherigen Ergebnisse, die Biogen vorgelegt hat, waren nicht eindeutig und haben zu viele Fragen offengelassen. Unstrittig ist zwar, dass Aducanumab wirksam die alzheimerspezifischen Eiweiß-Ablagerungen aus Beta-Amyloid im Gehirn entfernt. Ob damit aber die kognitiven Fähigkeiten der Patientinnen und Patienten substantiell verbessert werden, konnten die widersprüchlichen Ergebnisse der beiden bisherigen Phase-3-Studien nicht zufriedenstellend belegen. Biogen muss jetzt nachlegen und mit der gebotenen Sorgfalt in einer weiteren Studie die noch offenen Fragen klären. Mit der Zulassung sollten keine falschen Hoffnungen geweckt werden. Auch Aducanumab kann die Alzheimer-Krankheit nicht heilen, sondern verlangsamt den Gedächtnisabbau in einem geringen Ausmaß. Für Patientinnen und Patienten in einem sehr frühen Krankheitsstadium kann das eine zeitweise spürbare Stabilisierung der kognitiven Fähigkeiten und der Lebensqualität bringen. Der Wirkung stehen ernst zu nehmende Nebenwirkungen und eine aufwändige und engmaschige ärztliche Begleitung gegenüber. Eine Nebenwirkung des Wirkstoffs sind Hirnschwellungen, die unerkannt zu Hirnblutungen führen können. Deshalb wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Zulassungsstudien in regelmäßigen Abständen mit bildgebenden Verfahren wie MRT untersucht. Bei Hirnschwellungen wurde die Dosis ausgesetzt. Solche Begleituntersuchungen müssten auch regelmäßig bei Patientinnen und Patienten durchgeführt werden“, sagt Astrid Marxen, Sprecherin der gemeinnützigen Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI).
Und auch Prof. Pierluigi Nicotera, wissenschaftlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender des DZNE (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen) gibt zu bedenken:
„Weltweit hoffen Millionen von Menschen mit Alzheimer und deren Angehörige auf eine bessere Behandlung für diese schwerwiegende Erkrankung. Bisher waren die klinischen Daten zur Wirkung von Aducanumab auf den kognitiven Abbau aufgrund einer Alzheimer-Erkrankung nicht eindeutig. Die Eröffnung der Möglichkeit, Patienten mit Aduhelm zu behandeln, wird jedoch wahrscheinlich solide Daten zur Wirksamkeit hervorbringen. Dies würde neue therapeutische Möglichkeiten eröffnen. Es ist bemerkenswert, dass die FDA die dringende Notwendigkeit zur Behandlung von Demenz anerkennt, indem sie den Einsatz von Aduhelm aufgrund von Biomarker-basierten Daten genehmigt.“
Quelle: idw/Alzheimer Forschung Initiative e.V. /DZNE
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